Monarchie

Schrullige Deutsche auf dem britischen Thron

Laienschauspieler Wilhelm Lilje, verkleidet als Kurfürst Georg von Hannover, posiert am 16.05.2014 vor dem Kensington Palace in London, Großbritannien
© dpa / Teresa Dapp
Von Gerd Brendel · 15.10.2014
Großbritannien gilt als Heimat vieler Exzentriker. Und König George I. kann als ihr Urahn gelten, ein schrulliger Geist aus dem Hause Hannover. Am 20. Oktober jährt sich zum 300. Mal sein Krönungstag.
Gibt man den Begriff "Hannoveraner" in eine Suchmaschine ein, landet man bei einer Homepage mit der Behauptung "Hannoveraner- Erfolg in aller Welt" - gemeint sind die Pferde, nicht die die fünf britischen Könige aus dem Hause Hannover, die Großbritannien von 1714 bis 1837 regierten. Ist es an der Zeit, der Suchmaschine in die Parade zu fahren und den königlichen Hannoveranern den historischen Platz zuzuweisen, der ihnen zusteht? Schauen wir sie uns der Reihe nach an.
Der erste "Hannoveraner" auf dem britischen Thron, Georg Ludwig, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg, war ein echter Karriere-Spätzünder. Mit Queen Anne, der letzten britischen Königin aus dem Hause Stuart, war Georg um nicht weniger als 52 Ecken verwandt. Und nur weil alle potenziellen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen vor ihm katholisch waren, holte das britische Parlament 1714 den 54-jährigen Adelsspross aus Hannover auf den Thron an der Themse. Mit ihm kam der gesamte Hofstaat und sein ungeliebter Sohn, der spätere George II.
Seine Mätressen hießen "Elephant" und "Maibaum"
Seine Ehefrau hatte Georg Ludwig einsperren lassen. Stattdessen brachte er seine beiden Mätressen mit. "Elephant und Maibaum" – diese Spitznamen verpasste ihnen die Londoner Gesellschaft. Respekt klingt anders. Wenn man bedenkt, dass letztere – also "Maibaum" - nach dem Tod ihres königlichen Geliebten steif und fest behauptete, ein ihr zugeflogener Rabe sei der wiedergeborene König: nun ja, das spricht irgendwie für sich. Eine gewisse deutsche Schrulligkeit waren die britischen Untertanen schon von einem anderen Landsmann von King George gewöhnt: dem Wahl-Londoner Friedrich Händel. Immerhin: die Förderung des Komponisten durch Georg zählt zu einer seiner bleibenden Leistungen.
Eingangsportal des British Museum in London
Eingangsportal des British Museum in London© dpa / picture alliance / Daniel Kalker
Georgs zweite Leistung mag uns auf den ersten Blick als die noch größere erscheinen: Unter ihm stand erstmals ein Premierminister dem britischen Kabinett vor. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie, allerdings nicht aufgrund königlicher Weisheit, sondern schlicht: aufgrund seiner mangelhaften Sprachkenntnisse. Ein Kabinett in sauberem Englisch zu führen, war dem Hannoveraner Georg nicht vergönnt, also übergab er die Leitung an den Prime Minister. Georgs Nachfolger konnten zwar besser Englisch, die Verschiebung der politischen Macht weg vom Monarchen hin zu einer bürgerlichen Regierung konnten sie aber nicht mehr verhindern.
"Bauer" George züchtete am liebsten Schweine
Politik war ohnehin nicht die große Leidenschaft von Georgs Nachfolger George II. Dieser Hannoveraner war mehr an Kriegszügen interessiert, er war der letzte britische Monarch, der noch selbst zu Pferd in die Schlacht ritt. Ihm folgte (weil der Sohn gestorben war) sein Enkel, Georg III.
60 Jahre lang, von 1760 bis 1820, war er König. Großbritannien begab sich auf den großen Sprung zur Industrienation. In der Neuen Welt lösten sich die Vereinigten Staaten vom britischen Mutterland. Und George, der Dauerregent in dieser Zeit, entpuppte sich als wahrer Exzentriker. Lord Nelson und Wellington besiegten Napoleon, aber ihr König zog es vor, Schweine zu züchten.
"They call me farmer George!"
Farmer George. Bauer George. Genauso historisch belegt wie sein Spitzname sind seine eigenwilligen Musikdarbietungen bei Hofe und die Prügeleien mit seinem ältesten Sohn, dem späteren George IV.
Vater Georgs exzentrische Neigungen erwiesen sich als Symptome einer Geisteskrankheit. Aber auch bei klarem Verstand beschimpfte Vater Georg den Sohn, wo er nur konnte, als Fettsack und Verschwender. Ein Urteil, das indes auch andere Zeitgenossen teilten:
"Ich blicke auf sein Leben zurück und versuche, mich an Einzelheiten zu erinnern...",
schrieb William Thackeray, als der extrem beleibte George IV. 1830 gestorben war,
"... und sehe Seidenstrümpfe, ein unglaublich parfümiertes Taschentuch, ein Gebiss und einen großen schwarzen Stock, eine Unterweste, noch mehr Unterwesten und dann – nichts."
Auf den fetten George IV. folgte der erste Hannoveraner, der nicht Georg hieß, sondern William, William IV. Über ihn gibt es vor allem eines zu berichten: dass er schon alt war, als er den Thron bestieg, und nach wenigen Jahren kinderlos starb, 1837. Vorbei war die Zeit der Exzentriker auf dem britischen Thron, der Affären, der Schweinezüchter und Vater-Sohn-Dramen. Und es begann die lange Regentschaft einer 18 Jahre jungen Frau, die ganz anderen Kalibers war und ihrem Zeitalter den Stempel züchtiger Sittenstrenge verpasste: Queen Victoria.
Die Bilanz der Hannoveraner? Nun ja, vielleicht bleibt die Suchmaschine in ihrer "top list" doch besser bei den Pferden.
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