Moldawien

Wenn verlassene Kinder ihr Unglück nicht begreifen

Liliana Corobca
Liliana Corobca wurde in Moldawien geboren und lebt heute in Rumänien © Deutschlandradio / Jana Demnitz
Liliana Corobca im Gespräch mit Sigrid Brinkmann  · 14.12.2015
In Moldawien leben rund 120.000 alleingelassene Kinder. Ihre Eltern suchen im Ausland Arbeit, um die Familie aus der Armut zu holen. Dem Schicksal der Kinder hat die Schriftstellerin Liliana Corobca einen Roman gewidmet.
Im Mittelpunkt von "Der erste Horizont meines Lebens" steht ein zwölfjähriges Mädchen, das nicht nur für sich Verantwortung trägt, sondern auch noch für zwei Geschwister. Die in Rumänien lebende Autorin Liliana Corobca hat sich für ihr Buch, wie sie sagt, eine Extremsituation ausgesucht, in der die Kinder völlig auf sich gestellt sind. In den Dörfern ihrer moldawischen Heimat hätten Kinder häufig wenigstens noch einen Elternteil oder Großeltern, so Corobca. Allerdings:
"Es kommt sehr oft vor, dass wenn die Eltern weg sind und nur noch Großeltern da, diese auch krank sind und sich nicht um die Kinder kümmern können, sondern die Kinder, die auf sich gestellt sind, sich dann auch noch um die kranken Großeltern zu kümmern haben."
Sie habe bei ihren Recherchen gemerkt, sagt Corobca, dass Kinder ihr Unglück nicht wirklich begriffen: "Sie sind ständig bestrebt, das, was sie erleben, für sich selbst in einer Weise zu verarbeiten, dass ihnen Glück und Heiterkeit und Spielerisches möglich werden."
Immerhin werde in den Zeitungen Moldawiens zumindest berichtet - über die katastrophale Situation der zurückgelassenen Kinder, aber auch über Zwangsprostitution, die sie vor fünf Jahren in dem Buch "Ein Jahr im Paradies" selbst zum Thema gemacht hat: "Das ist ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt worden", sagt Corobca.

Liliana Corobca: Der erste Horizont meines Lebens
Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner
Zsolnay Verlag, Wien 2015, 190 Seiten, 18,90 Euro

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