Mohammed-Karikaturen

Bloß nicht zu kleingeistig sein!

Blumen und die aktuelle "Charlie Hebdo"-Ausgabe vor der Redaktion des Satiremagazins
Blumen und die aktuelle "Charlie Hebdo"-Ausgabe vor der Redaktion des Satiremagazins © Joel Saget/AFP
Von Knut Berner · 02.02.2015
Muslime kennen ein Bilderverbot, ihr Gott darf nicht dargestellt werden. Dieses Verbot weiten sie auch auf den Propheten aus. Wenn mit Satire dagegen verstoßen wird, sollte man aber nicht gleich beleidigt sein, meint der Theologe Knut Berner. Und sich darauf besinnen: Es sei immer noch besser, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu begehen.
Was verboten ist, hat seinen besonderen Reiz. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Satiriker und Karikaturisten mit Vorliebe dort darstellerisch tätig werden, wo Menschen auf die Beachtung von Tabus drängen. Insbesondere im Bereich der Religion sind die Empfindlichkeiten besonders ausgeprägt, wenn es um Abbildungen geht.
Denn die drei monotheistischen Weltreligionen stimmen darin überein, dass sie die Anfertigung von Gottesbildern ablehnen, weil diese die Freiheit und Transzendenz Gottes missachten. Der Sinn ist klar, blickt man auf die Folgen der politischen Instrumentalisierungen, die etwa mit der Vorstellung von Gott als oberstem Kriegsherr verbunden sind.
In ganz anderer Weise hat Michelangelos berühmtes Gemälde vom Schöpfergott mentalitätsprägend gewirkt – bis heute fällt es Menschen schwer, sich Gott ohne Rauschebart vorzustellen.
Das Bilderverbot markiert einen Vorbehalt gegenüber der Verwechselung religiöser Wunschvorstellungen mit Gott selber und gegenüber der Verabsolutierung eigener religiöser Überzeugungen. Es befreit vom Terror der urmenschlichen Phantasie, man müsse Gott plausibel machen und seine Wahrheit anderen eintrichtern, notfalls mit Gewalt.
Wichtig ist, dass das Bilderverbot sich ausschließlich auf Vorstellungen von Gott bezieht und sie zu relativieren sucht, weil Gott für alle in je besonderer Weise da ist und nicht von Einzelnen oder Gruppen für ihre Zwecke vereinnahmt werden darf. Weil Gott immer der ganz Andere unserer Phantasien von ihm ist und unserer Begrenztheit mit Humor und Verständnis begegnet, kann er von uns auch nicht beleidigt werden. Er ist souverän.
Satire als erfrischendes Korrektiv
Klar ist: Auch Bilder von Menschen sind problematisch, da sie immer Festlegungen bedeuten und die Geheimnisse, die verborgenen Seiten einer Person sowie deren Selbstinterpretation zu missachten drohen. Gerade wenn Menschen von anderen als Ausnahmeexistenzen verklärt und als vermeintlich besonders Heilige oder Propheten stilisiert werden, ereignen sich Grenzüberschreitungen, auf die Satire erfrischend und oft hilfreich korrigierend reagiert.
Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass es Grenzen des guten Geschmackes gibt, über die immer wieder gestritten werden muss. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist zweifellos ein sehr hohes Gut und Kennzeichen einer freiheitlichen Gesellschaft – jedoch muss die Grenze zwischen produktiver Karikatur und destruktiver Verspottung fein austariert werden.
Religion ist etwas Existentielles und niemandem ist damit geholfen, wenn persönliche Betroffenheit ignoriert und Demütigungen inszeniert werden. Denn Demütigungen gehören immer zum Referenzsystem des Bösen, wie jeder etwa aus eigener Schulerfahrung weiß.
Auf der anderen Seite rechtfertigt auch der gröbste Verstoß gegen das Bilderverbot keine Gewalthandlungen, erst recht keinen Mord als definitivste Art der Kommunikationsverweigerung. Vielmehr sind die Anstrengungen der Argumentation zu befördern, was allen Beteiligten abverlangt, sich mit gegenseitigem Respekt für die jeweiligen Anliegen zu begegnen. Vielleicht kann dabei auch die alte Einsicht helfen, dass es besser ist, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu begehen.
In jedem Fall ist es hilfreich, auf der einen Seite nicht kleingeistig zu sein, sich nicht immer gleich angegriffen und beleidigt zu fühlen und auf der anderen Seite sachbezogenen Humor nicht zu verwechseln mit dem Ansinnen, Personen der Lächerlichkeit preiszugeben, die sich dieser Sache verbunden fühlen.

Knut Berner, geboren 1964 in Wuppertal, studierte evangelische Theologie in Bonn und Heidelberg. Anschließend wurde er in Wuppertal zum Pfarrer ausgebildet, promovierte und habilitierte sich an der Ruhr-Universität Bochum. Knut Berner ist stellvertretender Leiter des Evangelischen Studienwerks Villigst. Außerdem lehrt er als Professor Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum.
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