Mittelhessen

Stolz auf das "Hinterland"

Die beiden weithin sichtbaren Bergfriede der Burg Münzenberg in Mittelhessen
Die beiden weithin sichtbaren Bergfriede der Burg Münzenberg in Mittelhessen © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Von Ludger Fittkau · 29.04.2015
Seit 175 Jahren erscheint der "Hinterländer Anzeiger" in Mittelhessen und kümmert sich um die Themen der Region. "Hinterland", das erntet andernorts oft ein Lachen, die Leute selbst tragen den Namen heute mit einem gewissen Stolz.
Christian Röder bastelt am Bildschirm an einem Artikel über typische Berufe der Region, die im Fernsehen vorgestellt werden.
"Aktuell, sehr interessant, haben wir eine Serie 'Mein Job im TV'. Wir vergleichen Berufe mit der Darstellung im TV. Das ist auch für mich persönlich interessant, weil mich TV-Serien auch reizen."
Die Tageszeitung, bei der Christian Röder gerade ein Volontariat absolviert, heißt "Hinterländer Anzeiger". Die Redaktion hat ihre Räume im Örtchen Gladenbach in Mittelhessen, eine halbe Autostunde westlich von Marburg. Sein Chef ist Hartmut Bünger:
"Wenn man woanders hinkommt und sagt: Ich komme aus dem Hinterland oder ich arbeite für den Hinterländer Anzeiger, dann ist das Lachen meistens erst ganz groß. Aber das hat für die Leute , die hier seit Generationen wohnen, einfach auch nicht den Beigeschmack, den man andernorts raushört."
10.000 Exemplare werden vom "Hinterländer Anzeiger" tagtäglich gedruckt. Die Hälfte aller Haushalte in der hügeligen, mittelhessischen Landschaft zwischen Marburg und der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen lesen das Blatt mit einer 175 Jahre alten Tradition. Doch woher kommt eigentlich der Name Hinterland?
"Das hat was mit Darmstadt zu tun. Das Gebiet gehörte früher zu Darmstadt. Und aus Darmstädter Sicht war natürlich dieses Gebiet weit jenseits oben im Norden das 'Hinterland'. Und von daher ist dieser Begriff entstanden. Und ist dann auch erhalten geblieben. Und die Leute, die hier wohnen, tragen ihn heute mit einem gewissen Stolz."
Volontär Christian Röder fügt nebenan die letzten Fotos für die Online-Version seines Zeitungartikels über die Berufe im Fernsehen ein. Nebenbei erzählt er, was ihn am Beruf des Lokalreporters so reizt:
"Wenn man hier vor Ort ist, bekommt man mit, was interessiert die Leute. Man hört es draußen, man hört es beim Bäcker. Was sind so die Themen des Tages. Wo können wir uns vielleicht dranhängen. Wo können wir eine Geschichte draus machen? Und da ist es wirklich schön, wenn man unmittelbar das Gespräch sucht und mit den Leuten in Kontakt kommt."
Die Zukunft der Regionalzeitung
Doch damit die Zeitung auch im Internet-Zeitalter weiter abonniert werde, müsse man auch die Themen finden, die niemand anders abdecke – weder überregionale Zeitungen, noch Fernsehen, Rundfunk oder das Internet. Für den "Hinterländer Anzeiger" ist das insbesondere die starke mittelständische Wirtschaft der Region. Viele Unternehmen des Hinterlandes sind in ihrem Bereich sogar Weltmarktführer. Insbesondere im sogenannten "industriellen Formenbau", einem Zulieferbereich für die Autoindustrie, erklärt Hartmut Bünger:
"Das ist eine Besonderheit, die natürlich auch historische Wurzeln hat. Hier wurde früher Eisenerz verhüttet. Darum herum haben sich große Unternehmen angesiedelt, in denen der Formenbau eine große Rolle spielt und die in der Automobil-Zulieferung eine große Rolle spielen."
Draußen, vor den Redaktionsräumen, am Gladenbacher Markt, steht eine Imbissbude. In der Mittagspause haben sich am Stehtisch Oberstufenschüler der benachbarten Europa-Schule versammelt und genießen in der Frühlingssonne Pommes mit Mayo und Ketchup. Lesen sie den "Hinterländer Anzeiger"?
Junge Männer:
"Es ist halt die allgemeine Zeitung hier in der Gegend. Und wenn was berichtet wird, dann ist es genau das."
"Die Zeitung, das hat schon was. Das man da morgens am Küchentisch mit der Zeitung sitzt und darin liest. Und jetzt im Internet so Zeitung lesen, ist jetzt nicht so meins. Ich hoffe nicht, dass das so wird oder so."
"Ich glaube, die werden überleben. Ich trage ja selbst Zeitungen aus. Die alten Leute und auch die Mittleren und auch die mit jungem Alter – die freuen sich auch immer, wenn die Zeitung kommt halt."
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