Mit viel Spaß und Disziplin zum Erfolg

Von Carolin Pirich · 15.08.2008
Am Anfang stand bloß sein Wunsch, die Liebe zum Jazz mit der zum Chor zu verbinden. Zehn Jahre später gewannen Stefan Kalmer und der Münchner Jazz- und Rockchor <papaya:link href="http://www.voicesintime.de" text="Voices in Time" title="Voices in Time" target="_blank" /> den Deutschen Chorwettbewerb und gehören nun offiziell zu den besten Chören Deutschlands.
"Unser Chor hat sich nicht zusammengefunden, um endlich einmal etwas miteinander zu trinken, das tun wir zwar auch manchmal. Aber er ist leistungsorientiert, und das klappt ganz gut."

Leistungsorientiert? Eigentlich ist Voices in Time doch ein Laienchor, sollte da singen nicht einfach nur Spaß machen?

"Für mich, die auch professionell singt, ist das ein großes Spaßprojekt."

Marie Brandis, 30, dunkelblonde Locken, schmales Gesicht, ist ausgebildete Physiotherapeutin und wird demnächst Karriere als Profisängerin machen; der Chor war das Sprungbrett. Spaß, das bedeutet für sie singen bei Voices in Time, 24 Mitglieder, Durchschnittsalter etwa 30. Und die Songs: Jazz-Standards, Swing, bekannte Pop- und Rocksongs, die der Chor extra für sich arrangieren lässt.

An diesem Donnerstagabend probt Voices in Time ein vorletztes Mal für sein großes Sommerkonzert in der Münchner Hochschule für Musik und Theater. In einem Klassenzimmer des Münchner Gymnasiums, in dem Chorleiter Stefan Kalmer auch Musik unterrichtet, will er heute dem Programm den letzten Feinschliff geben. Vor der Tafel, am Flügel, steht Kalmer; die Sänger blicken ihn wie Schüler erwartungsvoll an; Sopran, Alt, Tenor und Bass diesmal nicht nach Stimmlage geordnet. Stattdessen hat Kalmer die verschiedenen Stimmen durcheinander gemischt.

"Hat sich jeder noch mal überlegt, hey, singe ich auch das, was ich mir vorgenommen habe?
Ich schlage vor, eher eine Spur zu leise als zu laut.
One, two, one two three four."

Das hört sich schon gut an. Aber es geht wohl grooviger.

"Das klingt jetzt wie ein Madrigalversuch. Jemand, der zum ersten Mal da ist, denkt, aha, so ist das halt.
Also, bis Takt acht mit Luft. Leise und kernig."

Es ist ein zeitintensives Hobby, das Chorsingen. Man muss viel üben. Dazu jeden zweiten Donnerstag drei Stunden Probe, zwei Probenwochenenden im Jahr, Aufnahmen für inzwischen schon vier CDs, Konzertreisen – und immer mehr Auftritte.

Peter: "Das ist eines der schwierigsten Probleme, weil es viel Zeit erfordert. Man muss eine verständnisvolle Frau haben und die Zeit, die andere sich zum Regenerieren oder Faulenzen nehmen, eben singen."
Andrea: "Ich dachte, ich versuche es einmal in einem Chor, das kostet nicht so viel Zeit. Da habe ich mich getäuscht."
Max: "Wir haben meistens schon ein Jahr im Voraus die Termine. Jeder geht einen Deal ein, ich mach mir das halt frei, das macht jeder so."

Aber ohne üben geht es nicht. Ein fremder Sänger kann nicht einfach aushelfen.

"Da wir auswendig singen, kann nicht mal jemand einfach als Tenor einspringen. Das ist nicht so, als wenn man einen Messias singt. Das Repertoire hat kaum jemand drauf."

Jeder Sänger hat die Noten zuhause einstudiert – was Familienmitglieder manchmal ziemlich strapazieren kann, erzählt Peter Haag, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums und Tenor bei Voices in Time.
Zum Singen geht er zuhause deshalb in den Keller.

"Weil meine Töchter sagen, Papa, sei so gut und tu uns das nicht an. Oder ich gehe in unsere Sauna, da kann ich gut drauflossingen. Und beim Autofahren, da stört einen auch niemand, und man selbst stört niemanden."

Manches, meint Chorleiter Kalmer, kann man aber nur auf der Bühne lernen.

"Man lernt, mit einer entschlossenen Bühnenpräsenz die Töne rüberzubringen. Es ist manchmal so, dass die Begeisterung der Teilnehmer auf der Bühne der Musik nicht zuträglich ist."

Das ist dann die Herausforderung des Chorleiters, die Leidenschaft der Sänger zu zügeln. Oder die der Gruppe.

"Dann sagt einer schon mal dem Nachbarn, dass er mehr singt als es ihm gut tut."

Jeder einzelne arbeitet hart an sich. Für den Gesamtklang.
Andrea Galler, 24, Ethnologie- und Politikstudentin, singt, seitdem sie ein Kind ist. Aber dennoch gibt es Dinge, die sie noch nicht im Griff hat.

"Ich knödele sehr gern. Ich drücke den Ton gern aus der Kehle raus. Ich singe tief und muss sehr hoch. Shakira knödelt."

Wie geht knödeln?

Singen kostet Zeit und macht Arbeit.

Aber keiner der Sänger würde darauf verzichten wollen. Es ist ein fester Bestandteil im Leben. Maximilian Hinz, 23, BWL-Student und Bass, kann bei seinen Kommilitonen Eindruck schinden. Und das wichtigste:

"Das klingt zwar jetzt philanthropisch, aber durch solche Konzerte macht man Menschen glücklich. Und man selber, wenn auch nur für ein paar Stunden die Woche, darf mal Künstler sein. Das ist schon was Tolles."