Mit Stock, Schnurrbart und Melone

Von Werner Nording · 02.02.2006
Erstmals zeigt eine Fotoausstellung den Stummfilmstar Charlie Chaplin in allen wichtigen Facetten seines Lebens. In den Hamburger Deichtorhallen sind mehr als 250 Fotografien aus bisher unzugänglichem Privatbesitz sowie Filmausschnitte und Plakate zu sehen. Zur Ausstellungseröffnung kam auch Charly Sistovaris, ein Enkel Chaplins.
Mit Schnurbart und Melone, Spazierstock und übergroßen Schuhen ist Charlie Chaplin weltweit berühmt geworden. Sein markantes Aussehen, seine Leichtigkeit und seine unverwechselbare Gesten haben sich als vertrautes Bild in der Filmwelt etabliert. Das Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen hat heute eine Ausstellung eröffnet, die den Versuch unternimmt, den Menschen, den Mythos und den Filmemacher Charles Chaplin zu beleuchten.

Die Ausstellung zeigt rund 250 Fotografien aus bislang unveröffentlichtem Familienbesitz. Nach Paris und Rotterdam ist Hamburg der dritte Ausstellungsort. Die nächsten Stationen sind Lausanne, Brüssel und dann die USA. Vier Jahre hat der Kurator der Ausstellung, Sam Stoudze in den Chaplin Archiven in Paris geforscht, um eine Auswahl aus den mehr als 10.000 bislang unveröffentlichten Fotografien zu treffen:

"Es ist das erste Mal, dass wir Chaplin in einer großen Ausstellung in einem Museum zeigen, wir haben versucht alle Möglichkeiten des Museums auszuschöpfen, so wollen wir einen Dialog eröffnen zwischen den Fotografien und den Filmen, das ist mit Hilfe der neuen Technologie und ihren flachen Bildschirmen möglich, so dass wir die Filme wie in einem Bilderrahmen zeigen können, das hat uns ermöglicht, Filme in einem Museum zu zeigen, das ist für uns auch neu, es ist für uns ein Experiment, das wir der deutschen Öffentlichkeit und den Hamburgern zeigen. "

Für den Besucher ergibt sich ein Hin und Her, man schaut sich den Film an, dann wieder das Foto und zwischen beiden ergibt sich ein Dialog. Das ist ein neues Ausstellungsmedium, das diese Ausstellung zum ersten Mal systematisch vorführen soll, sagt der Direktor der Deichtorhallen, Robert Fleck:

""Einerseits sehen Sie Filmausschnitte an der Wand, mit Flachbildschirmen, die wie gerahmte Bilder aussehen und an die Wand gehängt werden können, und diese Filmausschnitte sind oft konfrontiert mit dem fotografischen Archivmaterial von Charles Chaplin, der selbst Standfotos behielt, aber auch eine ganz spezielle Zusammenfassung seiner Filme sich über Fotografie zusammengestellt hat."

Fotografien spielten für den Künstler Charles Chaplin eine große Rolle. Mit Hilfe von Fotos hat er überhaupt erst den "Tramp" entwickelt, der in seiner schäbigen heruntergekommenen Vornehmheit zu seinem Markenzeichen werden sollte und der ihn schon im Alter von 24 Jahren zu einem der bestverdienenden Menschen in den USA machte. Mit Hilfe von Fotografien hat er das Urheberrecht an dieser Landstreicherfigur durchgesetzt und das Gericht gab ihm tatsächlich gegenüber seinen Imitatoren Recht. Mit Hilfe von Fotografien erstellte Chaplin Storyboards für seine Filme und hielt so den genauen Ablauf einer Szene fest. Alle diese Fotos sind in der Ausstellung zu sehen.
Diese neue Annäherung an meinen Großvater ist auch für mich eine tolle Erfahrung, sagte Chaplins Enkel, Charly Sistovaris, der zur Eröffnung nach Hamburg gekommen ist.

"Es ist das erste Mal, dass die Chaplin-Archive in die Öffentlichkeit kommen, bislang sind sie im Keller verstaubt, das ist aufregend, dass wir das zeigen können, denn dieses Material gehört auf jeden Fall in die Öffentlichkeit."

Vorgestellt wird die Arbeit Chaplins als Filmproduzent, dargestellt wird auch sein politisches Engagement. Wie er in den Filmen "Moderne Zeiten" oder der Hitler-Parodie "Der Große Diktator" beherzt gegen Faschismus und soziale Ungerechtigkeit eintritt. Kurator Sam Stoudze:

"Ende der 20er Anfang der 30er Jahre hat Chaplin sich stark politisch engagiert, er hat seine Berühmtheit genutzt, um seine Botschaft zu transportieren, diese Botschaft lässt sich auf den Kampf zwischen Mensch und Maschine reduzieren. Im "Großen Diktator" geht es um Humanismus. Chaplin war seiner Zeit da oft weit voraus, er war ja einer der wenigen, der sich klar gegen den Krieg ausgesprochen hat, das war 1940 und da gab es im Kino nur ihn mit dem 'Großen Diktator' und Lubitsch mit 'Sein oder Nicht sein'."

Chaplin war nicht nur der erste große Star der Kinogeschichte, er war auch eine symbolische Figur der 1920er Avantgarde. Künstler wie Fernand Leger oder Erwin Blumenfeld ließen ihn in Malerei, Collagen und animierten Filmen wieder aufleben. Ohne es selbst zu bemerken wurde Chaplin eine Leitfigur vom Bauhaus bis zum Futurismus, sagt Robert Fleck.

"Chaplin wurde von den Dadaisten und Kubisten bewundert, zugleich sieht man, wenn man sieht, was er an Bewegung aufführt, dass er im Film das realisiert, was die Kubisten sich in der Malerei ausgedacht haben, dieser total zerbrochene Raum, das füllt Chaplin in der filmischen Wirklichkeit aus, während es die Kubisten noch als Bild gemalt haben."

Für Chaplin Fans gibt es in der Ausstellung, die noch bis zum 28. Mai nur in Hamburg gezeigt wird, viel zu entdecken.

"Mein persönlicher Hit sind die späten Familienfilme, Super-8 aus den 60er Jahren, wo man den alten Chaplin sieht, mit weißen Haaren, einem runden Gesicht, er hat aber Kinder, die noch ganz jung sind, er hatte ja mit über 60 Jahren noch Kinder und er macht mit ihnen die gleichen Späße vor der Kamera mit der gleichen Grazie, nur mit einem Körper, der doppelt so schwer geworden ist und man merkt, dass er nicht aufhören konnte. "

Service: Die Ausstellung "chaplin in pictures: mensch, mythos, filmemacher" ist vom 3. Februar bis zum 28. Mai 2006 in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen.