Mit Koray und Berkay ins Museum

Von Reiner Scholz · 07.01.2011
Seit einigen Jahren betreibt die Bürgerstiftung in Hamburg das Projekt "Yoldas". Es bringt Kinder aus türkischen Familien mit Paten zusammen, die gut Deutsch sprechen und sich in der Mehrheitskultur auskennen.
"Nilkrokodil, auch aus Afrika, ne. Hat die höchste Beißkraft im Tierreich. Die Haut ist ein bisschen komisch. Das ist keine glatte Haut, sondern so Zacken, so."

Besuch im Zoologischen Museum, das gut versteckt im Hamburger Universitätsviertel liegt. Linny Bieber guckt sich zusammen mit zwei Jungen die Schausammlung an: ausgestopfte Bären und Elche, nachgebaute Nashörner, plastinierte Haie und täuschend echt aussehende Schlangen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier macht eine Mutter mit ihren Kindern einen Ausflug. Doch so sei es nicht, stellt Koray richtig:

"Meine Mutter muss heute arbeiten. Und dann hängen wir die ganze Zeit immer zuhause rum. Ist besser, wenn wir mit Linny weggehen, also mit unserer Mentorin und irgendwas machen."

Linny Bieber, eine waschechte Hamburgerin mit einer taiwanesischen Mutter, verbringt regelmäßig Zeit mit dem zehnjährigen Koray und seinem siebenjährigen Bruder Berkay. Sie sind, wie es in der Sprache der Bürgerstiftung heißt, Mentorin und Mentees – ein Tandem. Die junge Frau, Sinologin und Kulturwissenschaftlerin, ist vor einem Jahr durch einen Artikel auf das Projekt "Yoldas" aufmerksam geworden, hat sich gleich beworben und einem Aufnahmetest unterzogen:

"Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben die Mitarbeiter des Projekts schon sehr genau geguckt: Was sind die Vorstellungen der Mentoren und die der Eltern der Mentees - dann haben sie gesagt, guckt mal, ob es klappt. Und wenn es nicht harmoniert hätte, hätte man das auch wechseln können, ja."

Koray und sein kleinerer Bruder Berkay mochten die 27-Jährige auf Anhieb. Auch ihre türkischstämmigen Eltern – Vater Demiral ist Taxifahrer, die Mutter Sozialarbeiterin – hatten zu Linny gleich ein gutes Verhältnis. Seitdem trifft sich das Paten-Tandem einmal die Woche – immer sonntags:

Koray: "Wir waren Schlittschuhlaufen, wir waren Kino, Museum waren wir öfters. Wir haben viele Sachen gemacht, aber ich kann jetzt alle nicht aufzählen."

Spaß an den Unternehmungen haben nicht nur die beiden Jungen. Auch für die – im Vergleich zu anderen Mentoren - sehr junge Linny Bieber – ist die gemeinsam verbrachte Zeit ein Gewinn:

"Ich arbeite ja wissenschaftlich, schreibe gerade meine Doktorarbeit und muss viel mit dem Kopf arbeiten und ich merk halt, wenn ich mit den Mentees zusammen bin, dass das ein ganz anderer Rhythmus ist, ein anderes Zeitgefühl. Die sind einfach im Hier und Jetzt und alles geht langsamer. Da muss ich mich manchmal auch drauf einstellen. Die erzählen mir ganz viel, die laufen ganz langsam, und dann erzählen sie wieder was, dann bleiben sie stehen und dann verpassen wir den Bus, aber so ist es dann."

Immer wenn Linny die beiden Jungen von den Ausflügen zurückbringt, muss sie sich erst noch bei den Demirals aufs Sofa setzen, eine Tasse Tee trinken und klönen. Das findet sie gut.

Koray und Berkay lernen durch Linny eine neue Welt kennen, zum Beispiel eine Wohngemeinschaft. Was ihre Patin alles weiß, sehe man schon daran, dass sie sogar das versteckte Zoo-Museum kennt, sagt Koray. Für den nächsten Sonntag meldet der Fünftklässler schon einmal einen Wunsch an:

"Ich habe mir gewünscht, dass wir eine Stadtrundfahrt machen, dann sehen wir viele Sachen, die wir noch überhaupt nicht kannten."

Zum Thema:
Homepage des Mentorprojekts Yoldas