Mit Fontane raus aus den Negativschlagzeilen

Von Mirko Schwanitz · 24.05.2012
Die Neuruppiner haben mit ihren Fontane-Festspielen über Pfingsten Großes vor: eine Open-Air-Oper gleich dem Jedermann in Salzburg ist geplant, 21 Lesungen an 21 unterschiedlichen Orten von namhaften europäischen Autoren. Fontane soll ein Standortfaktor werden im Norden Brandenburgs.
Bis zuletzt wurde gehämmert, gebohrt und geschraubt vor der Klosterkirche in Neuruppin. Aber es hat gereicht: Mit der feierlichen Verleihung des Fontane-Preises an den Schriftsteller Moritz von Uslar startete die Stadt ihre neuen Fontane-Festspiele. Alles begann vor vier Jahren, als sich eine kleine Gruppe von Neuruppinern und ein neuer Bürgermeister aufmachten, dem großen Namen der Stadt endlich die ihm gebührende Ehre zu erweisen, erklärt Mitorganisatorin Uta Bartsch:

"Es bedurfte erstmal dieses Teams, die gesagt haben: 'Wir wollen Fontane neu aufziehen, wir wollen ihn nicht mumifizieren, sondern wir wollen ihn in die Gegenwart holen.'"

Bereits 1998 hatte die Stadt versucht, den großen Sohn der Stadt mit Fontane-Festspielen zu ehren. Der Impuls sei damals aber wirkungslos verpufft, erklärt der Leiter des unweit von Neuruppin liegenden Rheinsberger Tucholsky-Museums, Dr. Peter Böthig:

"Es war nicht optimal vorbereitet und es hatte am Ende nicht die Qualität, um es fortführen zu können, so dass im Prinzip klar war: Die Stadt Neuruppin tut viel zu wenig, um dem Anspruch Fontane-Stadt zu sein, gerecht zu werden."

Das soll sich nun ändern. Uta Bartsch ist es gelungen, namhafte Schauspieler wie Bernd-Michael Lade, Anna Thalbach oder auch Katy Karrenbauer nach Neuruppin zu holen. Sie sollen Fontanes Lyrik neu erkunden, die einst zum unumstößlichen Kanon der deutschen Literatur gehörte, in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr in Vergessenheit gerät.

Das Ziel der Festspielmacher klingt dabei ein wenig nach Größenwahn: Sie wollen Neuruppin nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland auf der Karte der wichtigen Kulturstandorte verankern. Und dafür werden keine Mühen gescheut. Seit Tagen schon wird vor der Klosterkirche an einer Open-Air-Oper nach Fontanes Roman "Grete Minde" geprobt.

Die dramatisierte Bearbeitung des Romans soll am 26. Mai ihre Uraufführung erleben. Dass sie von Siegfried Matthus, einem der bekanntesten deutschen Gegenwarts-Komponisten vertont wurde, zeige, wie ambitioniert die Festivalmacher an der Neupositionierung Neuruppins in der deutschen Kultur- und Musiklandschaft arbeiteten, meint Regisseur Frank Matthus:

"Ich denke, dass neben all diesen großen, phantastischen Frauenromanen, die Fontane geschrieben hat, "Grete Minde" der dramatischste ist. Ich denke, dass dieser Stoff das große Potential hat, so wie der Jedermann in Salzburg, als ein Neuruppin-Ritual über die nächsten Jahre zu funktionieren."

Es ginge nicht um Größenwahn, sondern um eine Vision, meint der Bürgermeister Jens Peter Golde. Identität wolle die Stadt mit den Festspielen befördern. Das sei der Anspruch. Weswegen die Stadt trotz knapper Kassen gemeinsam mit zwei Hauptsponsoren 150.000 Euro in die Festspiele investiert. Nachdem man vor zwei Jahren eher im Stillen versuchte, die Fontane-Festspiele neu aus der Taufe zu heben, habe die Mehrheit der Stadtverordneten schnell verstanden, dass sich solche Investitionen wirklich lohnen, erinnert sich Golde:

"Also erst einmal haben wir geschafft, dass wir durch diese Fontane-Festspiele, die vor zwei Jahren stattgefunden haben, deutschlandweit in den Medien positiv erschienen sind. … Unser Destination, das Ruppiner Land, wie man so schön sagt, hat mit 1,6 Millionen Übernachtungen im vorigen Jahr einen ersten Platz – wir kommen gleich hinter dem Spreewald – das war beileibe in den letzten 20 Jahren nicht immer der Fall."

Tatsächlich hatte Neuruppin jahrelang mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Abgeordnete, die sich mit der organisierten Kriminalität einließen und Polizisten, die Informationen an das Rotlichtmilieu weiter leiteten hatten die Stadt in Verruf gebracht. Hinzu kam, dass der Kulturamtsleiter völlig überfordert war. Erst als Jens Peter Golde ins Amt kam, begannen sich die Dinge zu ändern. Er setzte von Beginn an auf die Kultur. Erstens, weil das die Aufgabe eines Kulturamtsleiters ist…

"… und zweitens ist es für Firmen und ihre Manager interessant, welches Kulturpotential eine Stadt hat, um hier Ansiedlungspolitik zu betreiben, … wie die Kulturpolitik läuft, ist schon ein weicher Standortfaktor für die Wirtschaftsförderung und wird so zu einem harten Standortfaktor….Ich glaube, dass durch die Kulturpolitik, die wir hier betrieben haben, viele Leute in diese Gegend kommen. "

Neuruppin liege zwar in der Provinz, sei aber nicht provinziell –das wollen die Fontane-Festspiele unter Beweis stellen, meint auch Dr. Peter Böthig, der mitverantwortlich für das Literaturprogramm der Festspiele ist:

"Da ist dann relativ schnell die Idee entstanden, Fontane … nicht retrospektiv …. sondern … als Herausforderung, als Anspruch zu nehmen, um künstlerische Gegenwartserkundungen zu machen. Fontane als der Wanderer, der Reisende bietet eine wunderbare Folie an, auf der man aufsitzen kann…"

Auch deshalb unternehmen die Neuruppiner den Versuch, ihre Fontane-Festspiele mit dem Programm "Neben der Spur" zugleich als europäisches Reiseliteratur-Festival zu etablieren. Nur in Frankreich und der Schweiz gibt es bisher ähnliches.

21 Lesungen mit 21 Autoren aus Deutschland, der Schweiz und Ländern Osteuropas werden also vom 25.. bis 28. Mai in Neuruppin und Umgebung zu er-hören und er-lesen sein. Darunter international bekannte Schriftsteller wie Edo Popovic, Ivana Sajko, Dragan Velikic oder Sreten Ugricic.

Links auf dradio.de:

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