Mit allen Mitteln zum grünen Image

12.05.2009
Ob Autos, Lebensmittel oder Kraftstoff: Immer häufiger werden unterschiedlichste Produkte als umweltfreundlich, nachhaltig und klimaschützend angepriesen. In seinem Buch "Die Öko-Lüge" zeigt Stefan Kreutzberger, was hinter der grünen Schönfärberei steckt.
Seit sich mit grünem Bewusstsein eine Menge Geld verdienen lässt, nicht mehr nur die alternative Müsli-Szene, sondern auch eine gut verdienende Mittelschicht hochwertige Biowaren kauft, häufen sich die Fälle falscher Etikettierung, vorsätzlicher Täuschung. Ein grünes Image ist Gold wert. Hochkarätige Werbeagenturen betreiben Greenwash oder grüne Schönfärberei. Produkte werden als umweltfreundlich, nachhaltig, klima- und naturschützend angepriesen, ohne dass sie dem behaupteten Anspruch auch nur nahe kommen.

Dazu allerdings muss man, wie der Journalist Stefan Kreutzberger in seinem Buch anhand zahlreicher Fälle schildert, aus einer Mücke einen Elefanten machen oder anders formuliert: eine kleine grüne Tat so aufblasen, dass sie die riesengroße Untat verdeckt. Mit einem anschaulichen Beispiel eröffnet der Autor seinen Geschichtenreigen über die Öko-Lügen.

Vor zwei Jahren warb der Ölkonzern Shell damit, dass das Kohlendioxid aus den Schornsteinen seiner Raffinerien jetzt zum Blumenwachstum in holländischen Gewächshäusern eingesetzt würde. Recherchen ergaben, dass nur ein winziger Bruchteil, 0,35 Prozent der 94 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, tatsächlich dazu verwandt worden war. Ein klassischer Fall von Augenwischerei oder besser sollte man wohl sagen Betrug.

Stefan Kreutzberger hatte keine Schwierigkeiten, zahlreiche Beispiele für solche bewussten Fehlinformationen zu finden. Am unverfrorensten agieren dabei die deutschen Energiekonzerne, die dreckige Kohlekraftwerke oder strahlende Atomenergie als grüne Zukunftsvision verkaufen.

Doch auch die Autoindustrie steht ihnen nur wenig nach. Sie prahlt mit sinkenden Abgaswerten ihrer Neuwagen, vergisst aber beflissentlich zu erwähnen, dass der gesamte Flottenverbrauch steigt, weil immer mehr immer größere Wagen auf die Straßen kommen. Man kann mit der Wahrheit eben auch lügen und eben darum geht es all jenen Werbeagenturen, die Grünwäscherei betreiben. Man greift sich einen kleinen Randaspekt einer Produktion, eines Produktes heraus, der tatsächlich umwelt- oder klimaschonend ist, stellt ihn in den Mittelpunkt der Werbung und erweckt so den Eindruck, das gesamte Produkt, die ganze Angebotspalette sei diesem grünen Grundprinzip verpflichtet.

Der Autor dekliniert dieses Prinzip durch alle Branchen. Ob Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, Öko-Strom, klimaneutrales Reisen oder Biowaren – überall entdeckt Stefan Kreutzberger grünen Etikettenschwindel.

Viele seiner Beispiele sind in den letzten Monaten bereits ausführlich in der Presse behandelt worden wie zum Beispiel die heftige Diskussion über Biosprit und die negativen Folgen für die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Oftmals holt der Autor weit aus, um seine Vorwürfe zu untermauern, wie zum Beispiel bei den Pestiziden, bei denen er die angebliche Unbedenklichkeit der chemischen Spritzmittel widerlegt.

Sein reißerischer Buchtitel "Die Öko-Lüge" verspricht allerdings mehr, als er liefert. In einer ganzen Reihe von Fällen wie zum Beispiel bei klimaneutralem Reisen, Biowaren oder fairem Handel ergaben die Recherchen weniger Betrügereien als vielmehr Deklarationswirrwar. Der Verbraucher steht einer Reihe von Öko-Zeichen gegenüber, die sich alle als grün verstehen, aber sehr unterschiedliche Kriterien erfüllen und das reicht von wirklich grün bis eher grün angehaucht.

Der Autor hilft hier mit konkreten Hintergrundinformationen, sich in diesem Irrgarten der Ökoetiketten besser zurechtzufinden. So ist sein Buch eine flott lesbare, faktenreiche Mischung aus Entlarvung und Verbraucheraufklärung mit zahlreichen Empfehlungen.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Stefan Kreutzberger: Die Öko-Lüge – Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen
Econ Verlag Berlin 2009
288 Seiten, 16.90 Euro