Mister Bauhaus

Von Adolf Stock · 18.05.2008
Mit dem Namen Walter Gropius ist untrennbar der Begriff "Bauhaus" verbunden: noble Stahlrohrmöbel, edle Designer-Lampen und natürlich die Bauhaus-Architektur, jene Klötzchen mit Flachdach, um die nach wie vor gestritten wird. Doch eigentlich wollte der vor 125 Jahren geborene Architekt mehr: Seine Bauhaus-Idee sollte die Gesellschaft revolutionieren.
Er kam aus einer angesehenen Architektenfamilie. Am 18. Mai 1883 in Berlin geboren, studierte er in München und Berlin und arbeitete später im Büro von Peter Behrens, der als Architekt und Chef-Designer das Erscheinungsbild der AEG prägte. 1910 gründete Gropius sein eigenes Architekturbüro. Mit dem Fabrikgebäude für die Fagus-Werke im niedersächsischen Alfeld lieferte er schon bald sein erstes Meisterstück, einen Stahlbetonbau mit vorgehängter Glasfassade, der in wesentlichen Teilen an das spätere Bauhaus-Gebäude in Dessau erinnert.

In dieser Zeit hatte Gropius Alma kennengelernt, eine attraktive Wienerin, die mit dem Komponisten Gustav Mahler verheiratet war. Es war eine Affäre voller Leidenschaft, mit einer schillernden Muse des Fin de siècle. Im Kriegsjahr 1915 heiratete Gropius die verwitwete Alma Mahler. Eine Ehe, die schon fünf Jahre später wieder auseinander brach. Der Krieg, Todesangst und die bestialischen Erlebnisse an der Front hatten die Lebenseinstellung des Husarenoffiziers Gropius radikal verändert, so dass er nach dem Inferno schrieb.

"Nach langen schweren inneren Gemütskrisen Erwachen aus langer Kriegsnarkose. Das materielle Scheinleben in uns zerschlagen zugunsten einer neuen geistigen Menschlichkeit."
Walter Gropius ging nach Weimar, wo er im Frühjahr 1919 das Bauhaus gründete, eine Kunstgewerbeschule, die mit viel Idealismus für eine neue Gesellschaft zu kämpfen begann. Er und seine Künstlerkollegen wollten eine soziale und ästhetische Revolution.

"Künstler, stürzen wir endlich die Mauern um, die unsere verbildende Schulweisheit zwischen den Künsten errichtete, um alle wieder Bauende zu werden! Maler und Bildhauer, durchbrecht also die Schranken zur Architektur und werdet Mitbauende, Mitringende um das letzte Ziel der Kunst: die schöpferische Konzeption der Zukunftskathedrale."

Das Bauhaus war zunächst der Kunst und dem Handwerk verpflichtet, später suchte Gropius den Kontakt zur Industrie. Für das Dessauer Bauhaus entwarf Gropius ein Schulgebäude, hinzu kamen vier Meisterhäuser: weiße, ineinander verschachtelte Kuben, die in einem kleinen Kiefernwäldchen stehen. Es sind Gebäude, die zur weltweit beachteten Visitenkarte der Bauhaus-Architektur wurden.

1928 verließ Gropius das Dessauer Bauhaus, weil er seine Versprechungen für einen preiswerten Siedlungsbau nicht erfüllen konnte. Im Gepäck hatte er seine Bauhaus Idee, die er als sein persönliches Eigentum ansah, obwohl die Schule ja noch weiterhin existierte. 1936 kehrte er Nazi-Deutschland den Rücken und emigrierte nach London, bis er 1939 einen Ruf an die Harvard University erhielt. Gropius war nun Professor in Amerika, wo er lautstark für sein Bauhaus die Werbetrommel schlug. Christian Wolsdorff vom Berliner Bauhaus-Archiv.

"Gropius mit seinem missionarischen Eifer ist um die Welt gereist und hat für das Bauhaus geworben. Gropius hat frühzeitig angefangen, sich als Mister Bauhaus zu stilisieren. In den frühen 50er und 60er Jahren ist er eben das und symbolisiert das Bauhaus und damit letzten Endes auch das gute Deutschland."

In Amerika ist das Bauhaus kein soziales Experiment mehr; befreit von allen sozialen und regionalen Ansprüchen wird es zum Wegbereiter des "International Style".

Nach dem Zweiten Weltkrieg berät Gropius die amerikanische Besatzungsmacht. Er bereist Deutschland und hält Vorträge über den Wiederaufbau. Jetzt steht das Bauhaus für die Tradition des demokratischen Deutschlands. Gropius wird als edler Humanist gefeiert, der ebenbürtig neben Goethe steht.

Mit Gründung des Bauhaus-Archivs 1960 wird das Bauhaus im kollektiven Bewusstsein fest verankert. Gropius hat es geschafft, sein Bauhaus wird zu einem Mythos der Moderne. Seit 1996 stehen die renovierten Dessauer Gropius-Bauten auf der Weltkulturerbeliste. Diesen Erfolg hat Gropius nicht mehr erlebt. Mister Bauhaus - wie man ihn nannte - war schon am 5. Juli 1969 in Boston gestorben.