Missbrauchsgeschichte "Verfehlung" im Kino

Wie die Kirche auf einen gefallenen Priester reagiert

Priesterweihe im Film "Verfehlung": Sebastian Blomberg spielt die Hauptfigur Jakob Völz im Film von Gerd Schneider.
Priesterweihe im Film "Verfehlung": Sebastian Blomberg spielt die Hauptfigur Jakob Völz im Film von Gerd Schneider. © AV Medien Penrose - Alina Bader
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 23.03.2015
Es ist der erste deutsche Spielfilm über die katholische Kirche und ihren Umgang mit dem Kindesmissbrauch durch Priester. "Verfehlung" kommt am Donnerstag ins Kino. Regisseur Gerd Schneider kennt die Kirche von innen.
Aus dem Film: "Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße!" "Das weiß ich." "Nein, das weißt du nicht! Keine Vorwarnung, keine Hinweise, gar nichts. Der Staatsanwalt hat zwei Stunden nach dir angerufen. Das ist ein gefundenes Fressen für so ein ehrgeiziges Bürschchen. Der Haftrichter hat gleich mitgezogen, Vertuschungs- und Fluchtgefahr, bla, bla, bla ... das ganze Zeug. Haftprüfung ist beantragt, aber das kann dauern." "Und? Jetzt wollt ihr von mir hören, dass ich es war? Ihr wisst, dass da nichts dran ist!"
Ein beliebter junger Priester wird nach dem Gottesdienst verhaftet. Er soll einen Jungen sexuell missbraucht haben. Die Gemeinde ist fassungslos, aber seine zwei besten Freunde halten noch zu ihm. Als sich jedoch die Vorwürfe erhärten, will der eine die Angelegenheit zum Wohle der Kirche unter den Teppich kehren, während der andere die Wahrheit sucht.
Aus dem Film: "Mein Name ist Jakob Völz, ich bin Priester" "Hat Ihr Verein sie geschickt, ja?" "Nein, Dominik Bergmann ist ein Freund von mir." "Ha!" "Warten Sie. Ich versuche einfach zu verstehen, was passiert ist" "Das verstehen Sie nicht?" "Nein, es tut mir leid!" "Was tut Ihnen leid? Das ihr Freund mein Kind angefasst hat?"
"Verfehlung" ist kein Krimi. Es geht nicht um die Suche nach dem Schuldigen, es geht um den Umgang mit der Schuld. Es geht um Loyalität und Freundschaft und ganz besonders um den Umgang der katholischen Kirche mit Opfern und Tätern. Regisseur Gerd Schneider kennt die Kirche von innen, hat selbst auf dem Priesterseminar studiert, bevor er zur Filmschule wechselte. Aus dieser persönlichen Erfahrung wollte er seine Protagonisten als ganz normale Menschen zeigen:
"Ich wollte hier einfach drei Priesterfiguren zeigen, wie ich sie kenne und wie sie auch sind. Das sind Männer, die mitten im Leben stehen, die einen durchaus harten Job zu machen haben und eben nicht so ein grenzdebiler Dicker sind, der komische Sachen von sich gibt, oder Hobbyprivatdetektive oder sinistre Schurken, die dann im Vatikan hocken und das Ende der Welt abwarten."
Figuren mit Gewissensnöten
Soutane und römischer Kragen haben die Filmgeschichte begleitet. In Tragödien und Komödien zelebrierten Priester ihre Riten in weihrauchvernebelten Kirchen. Sie waren Amateurdetektiv und Teil finsterer Weltverschwörungen und wurden mit ihren Gewissensnöten Hauptfiguren bei so unterschiedlichen Regisseuren Luis Buñuel und Alfred Hitchcock. Der lustige Don Camillo oder der listige Pater Brown waren volkstümliche Priesterfiguren.
Polemischer waren dann die Zölibatsbrecher, von den Liebesleiden des australischen Paters in den "Dornenvögeln" bis hin zum mexikanischen "Padre Amaro": Der lockte zwar Millionen Zuschauer in die Kinos, erzürnte aber die Amtskirche und provozierte katholische Fundamentalisten zu Bombendrohungen. Gerd Schneider wollte die offensichtlichen filmischen Klischees in seinem Debüt vermeiden:
"Das ist ganz einfach, die katholische Kirche mit zwei, drei Pinselstrichen zu karikieren und nicht zu charakterisieren und katholische Kirche ist eben mehr als Ritual und Pomp und Weihrauch. (...) Es ist ja im Grunde genommen sehr streng erzählt der ganze Film, auch streng komponiert vom Bildlichen her. Ich wollte den Leuten kein Schlupfloch lassen. Dieser ganze Komplex Umgang Kirche mit Missbrauch ist einfach ein unglaublich grauer Komplex, der ist nicht schwarz und weiß. Und wenn man dann halt solche Klischeebilder bedient, dann ist man nämlich ganz schnell in so einer Komfortecke, wo man sagt, weiß ich alles, kenn ich alles, alles Schweine, alles Missbraucher."
Mit der Aufdeckung von sexuellen Missbrauchsfällen weltweit hat auch das Bild des Priesters im Film ganz neue Facetten bekommen. "Verfehlung" ist der erste deutsche Spielfilm zum Thema, aber besonders in Ländern mit einer starken katholischen Tradition setzen sich Filmemacher mit den gefallenen Priester und den zögernden Reaktionen der Amtskirche auseinander.
Oft mit bitterem Sarkasmus: Im vergangenen Sommer lief die kroatische Tragikomödie "Gott verhüte" in deutschen Kinos. Hier wird ein Priester nach einem Missbrauchsfall einfach zum Weihbischof befördert. Am 13. August startet der auf der Berlinale preisgekrönte chilenische Spielfilm "El Club". Er erzählt ebenfalls mit skurrilem Humor von einem Haus im abgelegenen chilenischen Süden, in dem die Kirche ihre gefallenen Hirten vor der weltlichen Justiz versteckt.
Psychologischer Realismus
"Verfehlung" dagegen vermeidet bitteren Sarkasmus und erzählt seine Geschichte um Missbrauch, Gewissen und Vertuschung mit eindringlichen psychologischem Realismus. Das ist vielleicht auch ein Ton, den die Kirche nicht mehr ignorieren kann, sagt Sebastian Blomberg, der Hauptdarsteller des Films:
"Ja, es ist so. Jetzt geht es darum, das merkt man auch an der Reaktion der katholischen Kirche. Wir können es nicht mehr verhindern, wir können es nicht mehr verbergen, also werden wir es strategisch umarmen, das Thema. Oder uns jetzt auch als Film, das merkt man schon jetzt auch an der Reaktion der Kirchenvertreter, das ist wie eine strategische Umarmung. Wir müssen das auf eine Weise richtig finden, weil wir können ja nicht mehr leugnen, dass es diesen Missbrauch in der Kirche gegeben hat. Die Frage ist und die bleibt interessant, wie wird die katholische Kirche mit dem Problem, wie wird sie mit den Opfern umgehen und wie wird sie in Zukunft ein Klima der Offenheit in der Institution schaffen."
Mehr zum Thema