Ministerpräsidentin Dreyer zur Homo-Ehe

"Manche Themen brauchen Nachdruck"

Demo für Homo-Ehe am 30. Mai 2015 in Berlin
Demo für die Homo-Ehe in Berlin © dpa / Stephanie Pilick
Malu Dreyer im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 12.06.2015
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist zuversichtlich, dass es auf Bundesebene zu einer Einigung zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe kommen wird. Politisch sei hier allerdings ein dickes Brett zu bohren.
Vor dem Hintergrund der Bundesratsinitiative zur sogenannten Homo-Ehe sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandradio Kultur, das Thema sei, ähnlich wie die Debatte um den Mindestlohn, politisch ein dickes Brett: „Manche Themen brauchen auch immer wieder politischen Nachdruck. Und wir erhoffen uns, dass es in der Union, wo es ja auch nicht eine einheitliche Meinung zu dem Thema gibt, auch zu weiteren Diskussionen führt und dass die Union sich vielleicht dann doch später auch bewegt."
Dreyer betonte, dass sich der Anspruch auf Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe auf Artikel 3 und Artikel 6 des Grundgesetzes berufen könne. Artikel 3 sage sehr deutlich, dass die Gleichheit aller vor dem Gesetz geregelt sein müsse, dies sei ein Verfassungsgrundsatz. „Wir halten es für erforderlich, dass es keinen Unterschied mehr gibt, ob das gleich- oder verschiedengeschlechtliche Paare sind, die unter besonderem Schutz des Grundgesetzes, nämlich dem Artikel 6 stehen. Artikel 6 macht noch mal sehr deutlich, dass es einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gibt." Somit müsse der Begriff der Ehe mit allen rechtlichen Konsequenzen auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten.


Das Interview im Wortlaut
Liane von Billerbeck: Wir müssen über die Ehe reden! Denn heute wird auch in der Berliner Politik über die Ehe gesprochen. Im Bundesrat, der Vertretung der Bundesländer, geht es darum, es auch gleichgeschlechtlichen Partnern zu ermöglichen zu heiraten und die Rechte von Ehepartnern zu bekommen, mit allem Drum und Dran.
Rheinland-Pfalz gehört zu den Initiatoren eines Antrags, der genau das erreichen will. Um neun werden auch Homosexuelle in Berlin dafür demonstrieren, machen wir es also endlich den Iren nach! Malu Dreyer ist jetzt am Telefon, die SPD-Frau ist Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, schönen guten Morgen!
Malu Dreyer: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Alle rot-grünen oder grün-roten Länder unterstützen die Ehe für alle. Ist der Bundesrat tatsächlich so viel irischer, also moderner als der Bundestag?
Dreyer: Ich denke, dass sogar die Bevölkerung so viel irischer ist, als zurzeit die Union aufgestellt ist. Es gab ja bereits im Jahr 2013 eine Initiative von Rheinland-Pfalz, einen Gesetzesantrag, den wir auch erneut heute einbringen. Und der hatte damals schon eine Mehrheit im Bundesrat.
Und wenn man so liest, was das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren gesagt hat, dann ist schon sehr, sehr deutlich, dass es einen grundlegenden Wandel im Verständnis des traditionellen Eheverständnisses gibt. Insofern machen wir diese Initiative heute erneut, in der Hoffnung, dass wir nicht nur eine Mehrheit erhalten, sondern dass das auch die Diskussion in Deutschland weiter in Bewegung bringt.
von Billerbeck: Trotzdem gibt es ja zwei Anträge im Bundesrat. Und da fragt man sich, wieso bündelt man die Kräfte nicht und packt das alles in einen!
Dreyer: Also, es gibt den Entschließungsantrag von Niedersachsen und anderen Bundesländern, wir sind da auch mit dabei, der wird heute eine deutliche Mehrheit bekommen und damit auch direkt entschieden im Bundesrat. Es gibt dann noch einen richtigen Gesetzentwurf, der ist auch im Jahr 2013 schon mal verabschiedet worden.
Und wenn der dann im Verfahren eine Mehrheit erhielte, wird der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet. Das heißt, der Bundestag müsste dann noch mal über den Gesetzentwurf entscheiden. Das heißt, es ist schon unsere Herausforderung, die Diskussion wirklich auch am Laufen zu halten und die Frage, die in Deutschland viele Menschen bewegt, wirklich auch im Bundesrat deutlich zu machen.
von Billerbeck: Aber was können Sie denn tatsächlich verändern? Und man fragt sich ja auch, ob es überhaupt sinnvoll ist, so eine Initiative zu starten, wenn man doch vorher ... Also, Sie wissen das ja, dass Sie an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nichts ändern können. Denn da hat die Union die Mehrheit!
Dreyer: Ja, das stimmt, aber natürlich, manche politischen Fragen sind auch ein dickes Brett. Und ich bin schon so lange in der Politik, dass ich das schon sehr häufig erfahren habe.
Ich nehme ein Beispiel aus einem völlig anderen Feld, nämlich der Mindestlohn, da gab es schon zig mal Beschlüsse im Bundesrat für den Mindestlohn, es hat lange gedauert, bis der Bundestag und in dem Fall die Union sich dann auch wirklich bewegt hat. Manche Themen brauchen auch immer wieder politischen Nachdruck. Und wir erhoffen uns, dass es in der Union, wo es ja auch nicht eine einheitliche Meinung zu dem Thema gibt, auch zu weiteren Diskussionen führt und dass die Union sich vielleicht dann doch später auch bewegt.
von Billerbeck: Aber erweisen Sie der ganzen Sache nicht auch so eine Art Bärendienst? Die Ehe - und wenn wir nur an das Ehegattensplitting denken -, die zementiert ja eine ziemlich traditionelle Form des Zusammenlebens! Ein Hauptverdiener, eine Geringverdienerin! Warum also soll der Kreis der Menschen erweitern, die in dieser konservativen Art leben?
Dreyer: Na ja, es geht ja nicht ums Ehegattensplitting, darüber muss man natürlich getrennt diskutieren, tun wir ja auch seit vielen Jahren. Sondern es geht um tatsächlich die Gleichstellung von unterschiedlichen Formen der Partnerschaften. Und Artikel drei bietet natürlich – unseres Grundgesetzes –, bietet natürlich, sagt sehr deutlich, dass die Gleichheit aller vor dem Gesetz geregelt sein muss, das ist ein Verfassungsgrundsatz.
Und wir halten es für erforderlich, dass es keinen Unterschied mehr gibt, ob das gleich- oder verschiedengeschlechtliche Paare sind, die unter besonderem Schutz des Grundgesetzes, nämlich dem Artikel sechs stehen. Artikel sechs macht noch mal sehr deutlich, dass es einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gibt.
Danach muss man auch gar nichts mehr gesetzlich regeln, sondern damit ist vollkommen klar, dass die Ehe mit all den gesetzlichen Konsequenzen, die damit verbunden sind, automatisch für alle Paare gilt, die heiraten.
"Es geht nicht nur um Kinder"
von Billerbeck: Aber ist die Ehe da die richtige Form oder geht es nicht viel mehr darum, Lebensformen zu implantieren, die die Existenz von Kindern besser berücksichtigen in Familien?
Dreyer: Es geht nicht nur um Kinder, es geht tatsächlich auch um das Recht der Gleichstellung von Paaren, vollkommen losgelöst, ob sie Familie gründen oder nicht gründen. Das ist ja gerade auch die Essenz von Artikel sechs, in diesem Grundgesetzartikel, der die Ehe schützt, dass sie tatsächlich die Verantwortungsgemeinschaft unabhängig von der Familie schützt.
Und dass Menschen, gleichgeschlechtliche Paare sich nach wie vor diskriminiert fühlen, weil sie eben nicht unter den Schutz von Artikel sechs fallen, ist absolut nachvollziehbar für uns. Und es ist auch nicht mehr zeitgemäß, es entspricht meiner Meinung nach auch nicht dem Bewusstsein in unserer Bevölkerung.
Und die Geschichte hat auch gezeigt, dass fast nie die Politik diese Frage weiterentwickelt hat aufgrund der Haltung der Union, sondern fast immer das Bundesverfassungsgericht. Also, alles, was wir an mehr Gleichstellung erreicht haben, ist eigentlich Rechtsfortentwicklung durch unser höchstes Gericht!
von Billerbeck: Aber wenn man so mit homosexuellen Paaren und Kindern spricht, dann geht es da viel weniger um Ehe als darum, dass sie gleiche Rechte haben wie zum Beispiel das Recht auf Adoption von Kindern.
Dreyer: Das ist selbstverständlich auch so, natürlich, wenn die Gleichstellung in der Ehe käme, wäre auch die Frage der Adoption und der Gleichstellung in allen möglichen anderen Regelungen auch endlich geklärt. Jetzt macht ja die Bundesregierung einen Schritt nach vorne, was wir auch außerordentlich begrüßen, um auch viele andere Fragen der Gleichstellung zu regeln. Dennoch, es geht im Kern auch darum, dass es einen verfassungsrechtlichen Schutz gibt und darunter eben auch gleichgeschlechtliche Paare fallen.
von Billerbeck: An diesem Tag müssen wir auch über ein anderes Thema noch reden, das ist ja auch eine Diskrepanz zwischen dem Bundesrat und der Regierung, es geht um die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung. Da gab es ja gestern Abend ein Treffen, und wir haben es in den Nachrichten gehört, es gibt nun mehr als doppelt so viel Geld vom Bund für die Länder. Frau Dreyer, sind Sie zufrieden?
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)
"Es geht im Kern auch darum, dass es einen verfassungsrechtlichen Schutz gibt", sagt Malu Dreyer.© picture alliance / dpa / Fredrik Von Erichsen
Dreyer: Ich bin erst mal mit diesem Arbeitsgespräch gestern im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz zufrieden, weil es eine sehr konstruktive Situation war. Der Bund hat auch sehr deutlich gemacht, oder wir zusammen haben deutlich gemacht, dass wir in einer Verantwortungsgemeinschaft stehen, was die Flüchtlinge und Asylbewerber betrifft.
Aber natürlich werden wir auch weiter sprechen müssen über das Thema Geld. Also, der Bund ist bereit, eine Soforthilfe für das Jahr 2015 zu leisten, über die Höhe wird man noch mal reden müssen. Und ein echter Fortschritt ist, dass die Bereitschaft besteht, ab dem Jahr 2016 auch in die strukturelle Mitfinanzierung zu gehen.
Das freut mich wirklich außerordentlich, es ist eine Forderung von uns allen, Ländern und Kommunen, dass der Bund sich eben auch künftig strukturell an den finanzpolitischen Fragen beteiligt. Und daran arbeiten wir bis zur Ministerpräsidentenkonferenz und dann bis zum Jahr 2016. Und ich bin zumindest optimistisch, dass wir etwas hinbekommen, was den Menschen nutzt.
von Billerbeck: Malu Dreyer war das, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Danke für das Gespräch!
Dreyer: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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