Militärtechnik im Privateinsatz

Drohnen unterm Weihnachtsbaum

Die Überwachungsdrohne der Polizei "md 4-200" wird am Dienstag (30.08.2011) während einer Großübung in Celle bei Demonstranten eingesetzt. Die niedersächsische Bereitschaftspolizei übt in Celle neue Techniken der Beweissicherung und Festnahme. Mehr als 800 Mitwirkende sollen auf einem ehemaligen Kasernengelände Szenen nach einem festen Drehbuch spielen. Die Polizisten werden dabei mit Gewalt und schwer zu kontrollierenden Situationen konfrontiert.
Die Polizei arbeitet schon mit Drohnen, etwa um Groß-Demonstrationen zu überwachen. Auch der zivile Einsatz wird sich ausweiten, meint Forscher Klaus Mainzer. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Klaus Mainzer im Gespräch mit Ute Welty · 20.12.2014
Eine deutsche Elektronikmarktkette wirbt im Weihnachtsgeschäft mit Drohnen für den Hausgebrauch. Werden die unbemannten Flugobjekte bald ein normaler Anblick sein? Der Philosoph und Technikforscher Klaus Mainzer ist davon überzeugt. Er sieht viele Einsatzmöglichkeiten, fordert aber strengere Regeln für den Privatgebrauch.
Mancher Technikverliebte findet in diesem Jahr vielleicht eine Drohne unter dem Weihnachtsbaum. Schon für unter 100 Euro sind die unbemannten Flugobjekte auch in Deutschland käuflich zu erwerben. Die Einsatzmöglichkeiten wachsen und US-Konzerne wie Amazon hoffen auf ein Milliardengeschäft. In Deutschland teste der Paketzusteller DHL Drohnen.
Werden wir uns schon bald an den Anblick über uns kreisender Flugroboter gewöhnen müssen? Klaus Mainzer, Philosophieprofessor und Direktor des Munich Center for Technology in Society (MCTS) an der Technischen Universität München, hält den Einsatz von Drohnen im zivilen Bereich für eine unvermeidliche Folgeerscheinung der "zunehmenden Technisierung und Digitalisierung" unseres Alltags. Es gebe viele nützliche Einsatzmöglichkeiten:
"In Wissenschaft und Forschung werden damit ganz neue Bereiche erschlossen. Das fängt mit der Tierbeobachtung an, mit dem Tierschutz - stellen Sie sich vor, in Afrika könnten damit vielleicht gefährdete Tierarten vor Wilderern geschützt werden. Man kann sie ja nicht Tag und Nacht beobachten."
Drohnen in den Händen von Paparazzi
Auch für die Beobachtung von Vulkanen könnten Drohnen sehr nützlich sein oder bei der Materialprüfung von Stromtrassen - überall dort, wo es für Menschen schwierig sei, einen Beobachtungsposten einzunehmen. Mainzer räumte jedoch ein, dass zugleich die Privatsphäre durch den unkontrollierten Einsatz von Drohnen gefährdet würde: Wenn etwas Paparazzi auf der Jagd nach Prominenten-Fotos auf Drohnen zurückgreifen würde, sei eindeutig ein Grenze überschritten. Mainzer fordert deshalb gesetzliche Regelungen nicht nur für den militärischen und industriellen, sondern auch für den privaten Einsatz.
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty:!! "I don't need anything for christmas" – Ich brauche kein Geschenk dieses Jahr an Weihnachten, sagt bzw. singt Joanne Colvin und erteilt damit Absolution all jenen, die keine Lust haben, keine Zeit oder keine Idee. Vielleicht ist ja das Verschenken einer Drohne die Lösung, womöglich aber auch nur die Notlösung. In Deutschland werden Drohnen für unter 100 Euro angeboten. In England haben sich die Flugobjekte schon zum Verkaufsschlager entwickelt. Ob eine Drohne wirklich ein sinnvolles Geschenk ist, das kann ich jetzt unter anderem mit Professor Klaus Mainzer besprechen, der am Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Technischen Universität München lehrt und der neue Technologien wie autonome Fahrzeuge, humanoide Roboter und eben Drohnen analysiert. Guten Morgen!
Klaus Mainzer: Guten Morgen, grüße Sie!
Welty: Eine Drohne zu Weihnachten – würden Sie sich darüber freuen?
Mainzer: Oh, das ist sicher ein nicht ganz billiges Objekt. Also, das wäre schon was Interessantes. Vor allen Dingen ...
Welty: Spreche ich da das Kind im Manne an?
Mainzer: Nicht nur das, sondern ich habe auch noch Kinder, und zwar nicht nur einen Sohn, sondern auch noch zwei Töchter, und ich glaube, die Töchter sind mindestens ebenso affin für Technik wie der Sohn.
Welty: Die Technik, die kommt ja aus dem militärischen Bereich, wird von den Amerikanern vor allem im Kampf gegen die Taliban eingesetzt, auch, um deren Führungskräfte gezielt zu töten. In Deutschland hat das Abenteuer Eurohawk vor allen Dingen viel Geld gekostet – das bedeutet ja nicht unbedingt eine positive Konnotation des Begriffs.
Mainzer: In der Tat. Es gibt in den USA eine Diskussion, den Begriff Drohne zu vermeiden. Man hat nach Ersatzworten gesucht, aber man hat nichts Ordentliches gefunden. Und jetzt ist nach wie vor die Rede von der Drohne. Wobei die Drohne ja ganz harmlos ist. Der Begriff kommt ja aus der Biologie. Gemeint ist eigentlich ein unbemanntes Flugobjekt, also letztendlich ein Flugroboter. Und ich denke, diese Entwicklung muss man nicht nur im militärischen Bereich sehen, sondern in der generellen Tendenz, zu automatisieren, zu digitalisieren, also im zivilen Bereich könnten wir hier auch die autonomen Fahrzeuge erwähnen, die ja jetzt im Moment ein ganz großer Schlager sind auch in der Automobilindustrie. Und dazu gehören jetzt auch die Drohnen in der zivilen Anwendung.
Helfer für die Wissenschaft
Welty: Warum glauben Sie, dass sich Drohnen im Zivilbereich durchsetzen werden?
Mainzer: Aus verschiedenen Gründen. Schauen wir uns den Anwendungsbereich an: In Wissenschaft und Forschung werden damit ganz neue Bereiche erschlossen. Das fängt also mit der Tierbeobachtung an, mit dem Tierschutz. Stellen Sie sich vor, in Afrika können durch Drohnen vielleicht gefährdete Tierarten beobachtet werden, vor Wilderern geschützt werden. Man kann ja nicht Tag und Nacht diese Tiere beschützen. Das übernehmen dann die Drohnen. In dem Zusammenhang auch der Einsatz gegen den japanischen Walfang, dass man also dort diese Geräte auch jetzt über dem Meer zum Einsatz bringt. Oder bei der Beobachtung von Geologie oder Vulkanen beispielsweise, das wäre ja nicht ganz ungefährlich.
Ganz oben, in der Höhe, haben wir ja bereits die Satelliten, und die sind sehr hochauflösend, und die haben auch ganz neue Forschungsbereiche erschlossen, aber was wir brauchen, ist eigentlich so im lokalen Bereich, so näher an der Erde eben auch solche Geräte. Denken Sie an unsere Öl- oder Gasleitungen, an die Stromtrassen – wer soll das alles überwachen? Also nicht nur gegen Angriffe, sondern auch, was den Materialschutz und die Materialveränderung betrifft. Das kann durch solche Geräte dann sicher sehr gut gemacht werden.
Welty: Sie zählen jetzt eine Menge Vorteile auf. Aber wer Tiere beobachten kann, der kann auch Menschen ausspionieren. Mit was muss ich rechnen, wenn ich beispielsweise auf meinem Balkon liege, der normalerweise nicht einsehbar ist, und ich konnte mich bislang dort recht frei fühlen.
Mainzer: Das ist ganz klar. Das ist generell eine Gefährdung. Heute, die Paparazzi beispielsweise, die da möglicherweise mit den Drohnen noch effektiver die Leute ausspionieren können. Ich denke, da müssen dann eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen dann auch greifen, und soweit ich sehe und die Rechtslage kenne, ist das auch geschehen. Es ist nicht so, als käme jetzt der Drohneneinsatz hier bei uns in Deutschland in einen völlig rechtsfreien Raum hinein, sondern wir haben dort also die Landes- und die Bundesgesetze für den Datenschutz. Wir haben die Telemediengesetze, die hier greifen würden, und vor allen Dingen, wir haben ein Luftverkehrsgesetz, das sich schon auch der Bundestag vor Kurzem sich schon auch mit dem zivilen Einsatz der Drohnen beschäftigt hat. Allerdings, dort ist nur geregelt der öffentliche und gewerbliche Gebrauch solcher Geräte.
Die Privatsphäre besser schützen
Welty: Und der private?
Mainzer: Der private Bereich – also privater Bereich hat es ja bisher auch schon gegeben, denken Sie an die Hobbyflugzeuge, die jetzt ferngesteuert zum Einsatz kommen. Übrigens, die USA haben das so geregelt gesetzlich, dass Flugobjekte unter 25 Kilogramm, heißt es dort, nur in Sichtweite gelenkt werden dürfen.
Welty: Aber auch ein Objekt unter 25 Kilogramm kann erheblichen Schaden anrichten. Wer regelt denn dann den Schadensfall, beispielsweise?
Mainzer: Das ist ganz richtig. Da müssten natürlich die Versicherungen auch zum Einsatz kommen. Ich will damit nur sagen, was in Deutschland nach meinem Eindruck noch fehlt, ist also dieser private Bereich, den sollte man nicht unterschätzen, auch bei kleinen Flugobjekten. Wir haben ja generell in der Digitalisierung die Tendenz, zu miniaturisieren. Die Sensoren werden immer, immer kleiner, schon auf Zellengröße oder vielleicht sogar noch kleiner. Und so wird es auch mit diesen Geräten sein. Denke man an die Nanotechnologie: Da ist es ja durchaus nicht ausgeschlossen, dass wir eines Tages winzig kleine Roboter haben, in diesem Größenbereich, die da zum Einsatz kommen. Das mag vielleicht im Moment noch Science Fiction sein, aber ich will nur darauf aufmerksam machen, dass wir mit solchen Größenangaben, wie sie da im amerikanischen Recht genannt wurden, dann auch große Gefährdungslagen ausblenden.
Welty: Der Blick über Weihnachten hinaus in eine drohnenreiche und womöglich dornenreiche Zukunft, zusammen mit Professor Klaus Mainzer von der Technischen Universität München. Danke dafür!
Mainzer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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