Migrationsgeschichte

Mehr als eine Popstarexistenz

Amy Winehouse bei einem spanischen Festival im Juli 2008.
Amy Winehouse bei einem spanischen Festival im Juli 2008. © picture alliance / dpa / Kiko Huesca
Von Christine Scheucher · 18.07.2014
Eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien zeichnet Amy Winehouse' Weg vom kleinen Mädchen aus Nordlondon zum Weltstar nach. Gleichzeitig gibt sie Einblicke in den Alltag einer jüdischen Familie in Großbritannien in den 90er-Jahren.
Mit dem Album "Back to Black" erlangte Amy Winehouse 2006 Weltruhm. Mit ihren Drogenexzessen und privaten Skandalgeschichten sorgte sie für Schlagzeilen: Amy Winehouse verband den Soul der 1960er-Jahre mit zeitgeistigem Glamour. Mit ihrer unverwechselbaren Stimme traf sie einen Nerv der Zeit und löste eine weltweite Retro-Soul-Welle aus.
Musikerinnen wie Adele oder Daffy ließen sich von Winehouse inspirieren, Modezar Karl Lagerfeld schickte Models mit toupierter Turmfrisur über den Laufsteg und erklärte Winehouse zur Stilikone. Doch die fünffache Grammy-Gewinnerin mit der auffälligen Bienenkorbfrisur litt auch an schweren Drogen- und Alkoholproblemen.
Die Lieblingsgitarre, die Schuluniform, Fotos aus dem Familienalbum, Magazin-Cover, die die junge Diva im bunten Vintage-Kleid zeigen – die dünnen Arme mit Tattoos bedeckt, die Haare zur Turmfrisur toupiert. Ausgebreitet sind diese Memorabilia einer Popstarexistenz im Jüdischen Museum in Wien. Sie versprechen die Nähe zur verstorbenen Soul-Diva Amy Winehouse.
Die Diva des Neo-Soul
Letztes Jahr kontaktierte Amy Winehouses Bruder Alex das Jewish Museum in London und bot dem Haus freien Zugang zu zahlreichen privaten Gegenständen aus dem Nachlass seiner Schwester an. Im Sommer 2013 eröffnete die große Amy-Winehouse-Ausstellung im Jewish Museum in London und wurde – wie zu erwarten – ein großer Publikumserfolg.
Seit März ist die Ausstellung "Amy Winehouse. Ein Familienporträt" im Jüdischen Museum in Wien zu sehen. Private Zeugnissen der jungen Amy Winehouse sind der roten Faden, der durch die Ausstellung führt: Etwa ein Essay, den die erst 13-jährige schrieb, als sie sich an einer Theaterschule bewarb. Groß, soviel steht fest, waren ihre Ambitionen von Anfang an:
"Ich möchte, dass sich die Menschen an mich als Schauspielerin und Sängerin erinnern, an ausverkaufte Konzerte und ausverkaufte Shows",
schrieb die erst 13-jährige Amy Winehouse. Die früh mit ihrem großen Talent und ihrer außergewöhnlichen Stimme auffiel, aber auch mit ihrem widerständigen Naturell. Aus disziplinären Gründen musste sie mehrmals die Schule wechseln. Doch die Ausstellung "Amy Winehouse. Ein Familienporträt" zeichnet nicht nur den Weg vom kleinen Mädchen aus Nordlondon zum Weltstar nach, die Ausstellung lässt sich auch wie eine Familienchronik durchblättern und gibt Einblicke in den Alltag einer jüdischen Familie in Großbritannien der 1990er-Jahre.
So spricht die halbwüchsige Amy Winehouse in ihrem Essay immer wieder über ihre Familie und ihre Vorfahren. Amy Winehouse habe einen ausgeprägten Familiensinn gehabt, betont die Kuratorin der Schau Elizabeth Selby.
Eine jüdische Migrationsgeschichte
In den 1890er Jahren strandete Amy Winehouses Urgroßvater in London. Ein Versehen – wie es heißt. Denn eigentlich wollte Harri Wienhause nach New York und nicht an die Themse. Wienhause floh vor antisemitischen Pogromen in seiner Heimatstadt Minsk gen Westen.
Dort blieb die Familie bis heute. Eine jüdische Migrationsgeschichte stellvertretend für viele. Harris Urenkelin Amy war nicht religiös, aber sie glaubte an die Kraft der Spiritualität. Diese fand sie abseits des jüdischen Glaubens. Der afroamerikanische Gospel hatte es ihr angetan. 2006 sagte Winehouse in einem Interview:
"Gospel ist so wahrhaftig. Es gibt nichts Reineres als die Beziehung, die man zu seinem Gott hat."
Besonders interessant für Besucher und Besucherinnen der Ausstellung "Amy Winehouse. Ein Familienporträt": Die Schau gibt unter anderem Einblicke in Amy Winehouses private Plattensammlung. Darin findet sich kaum eine Spur jüdischer Traditionspflege. Jüdische Popmusikgrößen wie Leonard Cohen, oder Lou Reed fehlen.
Stattdessen versammelt Winehouse das "Who is Who" der afroamerikanischen Musik in ihrer Sammlung. Klingende Namen wie Ella Fitzgerald, Louis Armstrong und Ray Charles sieht man auf einer handgeschriebenen Best-of-Liste der heranwachsenden Amy. Auch diese Liste ist in der Ausstellung "Amy Winehouse. Ein Familienporträt." zu sehen. Der Kuratorin der Schau, Elizabeth Selby, war es wichtig die musikalischen Wurzeln jener Frau herauszuarbeiten, die dem Neo-Soul zum internationalen Durchbruch verhalf:
"Amys Vater war ein Fan von Frank Sinatra und Big Band, ihr Bruder steckte sie mit seiner Leidenschaft für Jazz und Soul an und sie selbst entdeckte dann auch noch den Hip Hop und Rhythm and Blues für sich. All das verschmolz sie dann zu ihrem ganz eigenem Stil."
Volltrunken über die Bühne
Amy Winehouse hat die Retro-Sehnsucht der Gegenwart in Songs kondensiert, die den Zeitgeist punktgenau trafen. Plötzlich war da eine Stimme zu hören, die viel rauer, vielleicht purer klang, als die im Studio auf Hochglanz polierten Stimmen von R'n'B-Virtuosinnen wie Beyoncé Knowles oder Mariah Carey.
Doch auf den großen musikalischen Erfolg folgte der Absturz. Immer häufiger überschatteten Berichte von Drogen- und Alkoholexzessen die Karriere der Diva. Auftritte mussten abgesagt werden, die krisengeschüttelte Beziehung zu ihrem Ehemann Blake Fielder-Civil wurde in der Boulevardpresse genüsslich ausgeschlachtet.
Volltrunken stolperte sie über die Bühne und enttäuschte ihre Fans – ein junges Talent, das allzu schnell am Pophimmel verglühte. Am 23. Juli 2011 starb Amy Winehouse an einer Alkoholvergiftung in ihrem Haus in Camden.
Die Ausstellung "Amy Winehouse. Ein Familienporträt" ist noch bis 20. August im Jüdischen Museum in Wien zu sehen.