Mietsteigerung in Spanien

Bedrohte Cafés und Fachgeschäfte

Kulturcafe Cafe de las Horas in Valencia, Spanien
Spanische Kulturcafés, wie dieses in Valencia, fürchten um ihre Zukunft. © picture alliance / dpa / Foto: Robert B. Fishman
Gregor Ziolkowski · 14.12.2014
In Spanien endet ein Mieterschutzgesetz, und ab Januar können Immobilienbesitzer Mieten neu verhandeln. Vor allem innerstädtische Fachgeschäfte, Cafés und Buchläden, die bisher günstige Verträge hatten, sind jetzt von Verdrängung bedroht wie das "Café Central" in Madrid.
Abgesänge und nahende Abschiede erzeugen Wehmut, in diesem Fall ganz besonders: Das Madrider "Café Central", gelegen am Rand eines der schönsten Plätze der Altstadt, der Plaza Santa Ana, ist massiv von der Schließung bedroht. Der Mitbegründer und wesentlich fürs Programm zuständige Betreiber, Gerardo Pérez, schildert nüchtern die traurige Wahrheit.
"Die Lage ist im Prinzip so, dass wir im April dieses Jahres im Auftrag der Eigentümer des Lokals ein notarielles Schreiben erhalten haben, indem wir auf gefordert werden, zum 31.Dezember dieses Jahres das Lokal zu verlassen. Wir warten nun auf eine richterliche Entscheidung, die uns mitteilt, dass wir in der Tat gehen müssen."
Buntes Treiben hinter den großen Scheiben
Das "Café Central" ist nicht einfach nur ein überaus angenehmes Kaffeehaus, in dem man gut sitzt, durch große Scheiben dem Treiben draußen zusehen kann, auf eine ansprechende Küche trifft und freundlich behandelt wird. Begründet im Jahr 1982, gibt es hier allabendlich Live-Musik zu hören, genauer gesagt: Jazz. Der Ort hat sich einen Ruf erspielt.
"Die Zeitschrift ´Wire` hat vor einigen Jahren eine Sondernummer zum Thema ´Jazz in Europa` veröffentlicht, darin fand sich eine Liste mit den zehn wichtigsten Jazz-Bühnen auf dem Kontinent, und dort landeten wir auf dem achten Platz. Inzwischen würden wir wohl noch weiter vorn landen, weil vermutlich vier der sieben vor uns platzierten Clubs inzwischen dicht gemacht haben. Und die Jazz-Zeitschrift ´Down Beat`, die jährlich ein Ranking mit 100 Jazzclubs in der Welt veröffentlicht, listet für Spanien nur das ´Café Central` auf."
Mehr als 11.500 Konzerte haben in den vergangenen gut dreißig Jahren hier statt gefunden, die Bands oder Solisten werden jeweils für eine Woche verpflichtet. Eine kaum erhöhte Bühne, engster Kontakt zwischen Publikum und Künstlern, das erzeugt eine pure Klubatmosphäre, wie man sie immer seltener findet. Die verhältnismäßig langen Engagements der Künstler kommen nicht nur dem Publikum entgegen, sie nützen auch den Interpreten selbst.
Nach einer Woche des Zusammenspiels harmonieren oftmals die Ensembles so gut, dass sie gleich danach ins Plattenstudio ziehen, das "Central" ist nicht zuletzt ein Jazz-Laboratorium. Mit Eintrittspreisen für die abendlichen Konzerte zwischen zwölf und 18Euro – je nach Besetzung – und einem Mittagsmenü zwischen zwölf und 15 Euro ist das Lokal nicht wirklich billig, aber auch alles andere als überteuert. Musiker, Techniker, Küchen-und Servierpersonal, etwas Werbeaufwand – das alles will bezahlt werden.
"Unvorstellbare Summen"
"Wir bezahlen 5.000 Euro Miete, etwas mehr, das ist nicht gerade wenig. Nun sagt aber der Markt, dass für einen solchen Stan dort, in dieser Gegend der Stadt, ohne Weiteres zehn-oder sogar zwölftausend Euro Monatsmiete zu erzielen sind, unvorstellbare Summen, die wir niemals aufbringen können. Dass wir etwas mehr bezahlen können, wäre wohl vorstellbar, aber weit entfernt von einer Summe wie 12.000 Euro, die man mit dieser Art von Geschäft einfach nicht erwirtschaften kann."
Der drastische Mietanstieg wird möglich, weil zum Jahresende ein Gesetz erlischt, das in den vergangenen zwanzig Jahren Geschäftsinhaber vorsolchen Erhöhungen schützte. 1994 verabschiedet, legte es fest, dass im Verlauf von zwanzig Jahren Lokalmieten nicht erhöht werden dürfen, wenn ein Eigentümer, der seinen Mietvertrag vor 1985 abgeschlossen hat, nicht wechselt. Die Fristläuft ab, Etablissements wie das "Café Central" sind bedroht. Aber es sind beileibe nicht nur solche Spielstätten, deren Tage mutmaßlich gezählt sind.
Vom traditionellen Hutmacher über das alteingesessene Restaurant bis zum Buchladen müssen Geschäfte, die oft familiäre Kleinunternehmen sind, um ihre Existenz bangen. Es gibt Schätzungen, wo nach rund 200.000 solcher Lokale in ganz Spanien betroffen sein könnten. Eine kulturelle Substanz steht hier auf dem Spiel, in dem Markt und Finanz kraft die Regeln bestimmen. Und Mythen sind Mythen, weil sie nicht mehr am Leben sind. Aber man mag sich nicht vorstellen, dass man eines Tages vor dem "Central" stehen könnte, und es werden dort Buletten verkauft.