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26.07.2013
Feridun Zaimoglu legt einen Roman vor, in dem er als Meister der Verknappung brilliert: Auf 136 Seiten erzählt er die Geschichte eines verkannten Malers und seiner Mäzenin - andere Autoren hätten mehr Seiten gebraucht. Sprachlich mischt der Autor Lyrik und Prosa mit wuchtigen Sätzen voller Übertreibung.
Man kann nicht behaupten, Feridun Zaimoglu hätte nichts zu tun. Er schreibt für Literatur und Film ebenso wie fürs Theater - erst kürzlich zeigte er seine Fassung der Moses-Geschichte auf der Bühne des Oberammergauers Passionstheaters. Doch dazwischen ist offenbar auch noch Zeit für kleine Preziosen wie den Roman "Der Mietmaler", den man aufgrund seiner überschaubaren Länge und seiner griffigen Dramaturgie wohl besser Erzählung nennen sollte.

Was Zaimoglu hier vorlegt ist ein kleines, feines, überraschendes Stück deutscher Literatur, das mit viel Witz und Situationsfreude die Geschichte von Abstoßung und anschließender Annäherung erzählt, die Geschichte eines sich verkannt geglaubten Malers und einer reichen Auftraggeberin. Was von der Konstellation her zunächst nach Klischee aussieht - reiche Frau beauftragt verarmten Künstler und kommt ihm näher -, findet in der literarischen Wirklichkeit viele überraschende, zuweilen auch absurde und komische Wendungen, für die andere Schriftsteller mindestens 300 Seiten mehr gebraucht hätten.

Katz- und Maus-Spiel
Zaimoglu zeigt sich als Meister der Verknappung, ihm reichen 136. Dabei bekommt er sogar noch ein paar eigene Frauenporträts unter. Bilder, die der Auftraggeberin des "Mietmalers" vermutlich nicht gefallen hätten. Die Geschichte ist die: Ein Künstler Ende 30 mit unmotiviertem Galeristen und leerem Bankkonto wird schnell mit einer reichen, einzelgängerischen Witwe in einer anderen Stadt handelseinig. Sie will ein Porträt von ihm. Allerdings, wie sich herausstellt, "keine Verzeichnung, kein modernes Qualgesicht", wie der Künstler als Ich-Erzähler ihre Wünsche beschreibt. Sondern: "Sie sollte sich in dem Bild erkennen können". Oder wie die Auftraggeberin nach den ersten misslungenen Versuchen bei Vor-Ort-Studien in ihrem Haus es selbst ausdrückt: "Sie sollen mich einfach abbilden, stattdessen wollen Sie mich ergründen. Das sind nicht meine Augen."
Aus einer reinen Geschäftsbeziehung wird ein Katz- und Maus-Spiel, ein Geschlechterkampf mit offenem Ausgang, ein Abstoßen und Anziehen zwischen einem Künstler, der viel auf seine Unabhängigkeit gibt und einer sich bürgerlich verstehenden Kleinstadt-Königin mit mäzenatenhaftem Habitus und viel Sozialstolz. Nebenher tauchen noch zahlreiche Ex-Freundinnen des "Mietmalers" auf, ebenso Verehrer der Auftraggeberin. Auf beiden Seiten geht es nicht zimperlich zu, es wird auch schon mit Fäusten gedroht, nur um diese fragile und einmalige Beziehung nicht zu gefährden - was sich natürlich keiner der beiden eingestehen will.
Feridun Zaimoglu legt eine hingebungsvolles Buch vor, zuweilen sprachlich eine Mischform aus Lyrik und Prosa - mit wuchtigen, hingerammten Sätzen, glühender Übertreibung und viel gekonnter Adjektiv-Schwere. Zaimoglu ist geradezu ein Macho der Metaphorik. Was im "Mietmaler" steht, ist ein Sound, den man in der weit verbreiteten künstlich-leichten Handwerks-Prosa anderenorts nicht mehr bekommt. Bravo!

Besprochen von Vladimir Balzer

Feridun Zaimoglu: Der Mietmaler
Verlag Langen Müller, München 2013
136 Seiten, 19,99 Euro