Mexiko

Tanzen in Veracruz

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Salsa-Universität in Veracruz © Mario Vázquez
Von Ellen Häring · 31.08.2016
In Veracruz, Mexiko, wird den ganzen Tag getanzt. Schon zum Frühstück im Café erklingen Marimba-Rhythmen. Mittags geht es im Fischrestaurant weiter. Und abends werden die öffentlichen Plätze von Tanzpaaren erobert.
Im holzgetäfelten Caféhaus der Altstadt stimmen sich drei Männer auf den Tag ein. Carlos, etwa 70, mit weißem Bürstenhaarschnitt, spielt zusammen mit seinem Sohn ein Holzxylophon, die Marimba. Sie steht auf langen Beinen, die beiden Männer lassen flink ihre Schlagklöppel über die Klangstäbe hüpfen. Ein jugendlicher Schlagzeuger gibt den Rhythmus vor.
Aus großen Kannen schenken Kellner im schwarzen Frack Café und Milch aus. Schnell soll es gehen, es ist 8.00 Uhr morgens. Der Obulus für die Marimba-Spieler beim Hinausgehen ist Ehrensache. Wir sind in Veracruz. Und wer will hier schon ohne Musik frühstücken?

Stahlblauer Himmel, es ist feucht und heiß

Draußen scheint die Sonne aus stahlblauem Himmel, es ist feucht und heiß. Ein paar Straßen weiter betreibt Miguel García ein winziges Café an einem winzigen Platz.
Drei Tische stehen draußen, ein paar ältere Männer spielen Schach. García ist um die 60 Jahre alt, ein kleiner, schmaler Mann mit Lachfalten im Gesicht. Er erfüllt sich in Veracruz einen Traum.
"Ich bin ein leidenschaftlicher Musikfan. Deshalb bin ich in meine Heimatstadt zurückgekommen und ich verbinde jetzt, was mich begeistert: Kaffee trinken und gute Musik hören. Nur deshalb gibt es dieses Lokal."
Abends wird der Platz vor dem Café zur Tanzfläche. Er zeigt hinüber auf eine Balustrade im Kolonialstil.
"Hier war ein Dominikanerkloster", erzählt er: "Und der kleine Platz hier war der Innenhof."
"Vor 15 Jahren habe ich diesen Platz hergerichtet und ich finde, mit dem was ich mache, spreche ich eine universelle Sprache, nämlich die der Musik."
Zusammen mit dem Wirt an der anderen Ecke des Platzes organisiert er vier Mal die Woche einen Tanzabend. Zu kubanischem Son, zu Salsa und Danzón lädt Miguel García für den Abend ein, und dass dann eine Live-Band spielen wird, ist selbstverständlich. Nirgendwo in Mexiko gibt es so viele gut ausgebildete Musiker wie in Veracruz – und nirgendwo so viele passionierte Tänzer.
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Die Gitarre immer dabei: Musiker in einer der seltenen Tanzpausen in Veracruz© Mario Vázquez
Mittags im türkisfarbenen Fischrestaurant stimmt man sich schon mal auf den Abend ein: Der Laden brummt, und auch wenn die Salsa-Musik vom Band kommt und es weder eine Bühne noch eine Tanzfläche gibt, drehen sich zwei Paare wild um die Tische herum. Ein Tänzchen, bevor es wieder zur Arbeit geht, warum nicht? Sie haben ja schon aufgegessen. Der Ober weicht ihnen aus, schnappt sich den Teller mit den Fischgräten und balanciert ihn geschickt davon.

Und was passt zu Fisch? Salsa natürlich

Kellner: "Veracruz hat ein tropisches Klima, und so sind eben auch die Leute hier, die verbreiten gute Stimmung. Es kommt natürlich auch auf das Essen an: Meeresfrüchte, Fleisch oder Käse, die Musik muss dazu passen."
"Und was passt zu Fisch?"
"Marimba, Música de Salsa …"
Salsa, klar. Passt eigentlich fast immer.
Gegen 20 Uhr ist der Tanzabend von Miguel Garcia in vollem Gange. Auf dem kleinen Platz stehen Holztische und Stühle, rund 150 Gäste sind gekommen, geschätztes Alter 50 plus. Vor der Balustrade spielen 8 Musiker - Trompeten, Gitarren, Congas.
Kaum setzt die Musik an, stürmen die Paare auf die Tanzfläche: Totschicke Männer mit weißen Hüten und Anzügen, andere in Jeans und mit Basecap. Frauen im engen Rock, andere mit Kittelschürze. Sie drehen sich rhythmisch zu Son, Salsa, Cha-Cha-Cha, Danzón. Mühsam eingeübte Tanzschritte und Drehungen – Fehlanzeige. Hier ist ausschließlich die Intuition gefragt.
Soldedad Domingo und ihr Mann, Ende 40, sind im Jogginganzug gekommen. Sie setzt sich außer Atem an den Tisch, nimmt einen Schluck Bier.
"Wir kommen Mittwoch, Donnerstag und Freitag, dreimal die Woche. Wir tanzen immer eine gute Stunde. Wir kommen her, um uns zu amüsieren und außerdem um Sport zu machen. Denn für uns ist das Sport. Wir arbeiten beide den ganzen Tag und dann treffen wir uns hier um zu tanzen."

Tanzen: Gut gegen Stress, gut für die Figur

Tanzen ist gut gegen Stress, gut für die Figur und macht fröhlich, meint sie noch und stürmt schon wieder los. So unscheinbar wie das Paar wirkt, wenn es am Tisch sitzt, so wunderbar geschmeidig und kokett fegen die beiden jetzt in ihren Sportklamotten über den Asphalt.
Miguel Garcia lehnt am Eingang seines winzigen Cafés, betrachtet die Szene und lächelt glücklich.
"Ich bin kein großer Tänzer", behauptet er.
"Ich tanze nur Son, Cumbia, und überhaupt die tropischen Rhythmen. Die liebe ich!"
Sagt es, nimmt seine Frau in den Arm und ist schon verschwunden zwischen tanzwütigen Paaren an einem ganz normalen Donnerstagabend in Veracruz.
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