Metzger klagt über Aktionismus in der Politik

Oswald Metzger im Gespräch mit Marietta Schwarz · 27.05.2009
Der Politikberater Oswald Metzger hat den Druck zum Aktionismus in der Politik beklagt. Wer ehrliche Politik machen wolle, müsse den Bürgern auch in Wahlkampfzeiten sagen, dass die Zinsen für die hohe Staatsverschuldung eines Tages bezahlt werden müssten, kritisierte der frühere Finanzpolitiker der Grünen/Bündnis 90, der heute CDU-Mitglied ist.
Marietta Schwarz: Zwei Konjunkturpakete gibt es bereits. Die Bundesregierung stockt sie jetzt noch einmal auf. Es geht um Steuerentlastungen in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro - für protestierende Bauern, kleinere Unternehmen und Arbeitnehmer. Heute verabschiedet das Kabinett in Berlin den zweiten Nachtragshaushalt. Die Neuverschuldung wird dann noch mal um 10,7 auf 47,6 Milliarden Euro steigen. Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik zeigt ihr Gesicht mit Schwindel erregenden Minusbeträgen, die man sich gar nicht mehr vorstellen kann. Und doch versprechen die Parteien im Jahr des Wahlkampfs ihren Wählern das Blaue vom Himmel - auch die Partei, der der ehemalige Grünen-Politiker Oswald Metzger jetzt angehört, die CDU. Gestern war Metzger, der sich selbst augenzwinkernd als freiberuflichen Politiker bezeichnet, zu Gast bei uns im Studio. Und ich habe ihn zunächst gefragt: Können wir uns diese Steuergeschenke wirklich leisten?

Oswald Metzger: Wer ehrlich Politik machen will, muss auch in Zeiten von Bundestagswahlkämpfen den Leuten sagen, die Zinsen für diese gigantische Kreditausweitung in der Krise werden dem Bürger und der Bürgerin präsentiert. Das heißt, eine Netto-Entlastung in großem Stil wird ein ehrlicher Politiker in einem Wahlkampf nicht vertreten können.

Schwarz: Könnte so ein Wahlversprechen unter Umständen auch nach hinten losgehen?

Metzger: Also der Staat kann nicht mehr Leistungen versprechen und weniger Steuern. Wenn ich in ein Lokal gehe und bestelle etwas, weiß ich auch als ungebildetester Mensch in unserem Land, wenn ich bestelle, muss ich bezahlen. Wenn ich als Staatsbürger bei der Politik bestelle, dann habe ich offensichtlich den Eindruck, der Staat ist eine Eier legende Wollmilchsau, das hat mit mir nichts zu tun. Also die Zeiten werden relativ rau für den Steuer- und den Sozialversicherungsbeitragszahler in den nächsten Jahren.

Schwarz: Die Talsohle dieser Krise, sagen die Experten, ist ja noch nicht erreicht. Wenn erst mal die Arbeitslosenzahlen steigen, dann reißen diese Abgaben noch tiefere Löcher in den Haushalt. Und da setzen die Grünen, also Ihre Ex-Partei, ganz auf Nachhaltigkeit, auf den grünen New Deal, mit dem man auch Arbeitsplätze schaffen kann. Das klingt doch eigentlich gar nicht so schlecht.

Metzger: Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, ein New Deal bestünde darin, dass der Staat kreditfinanzierte gigantische Ausgabenprogramme auflegt und dann übrigens auch noch, das ist auch Programmlage der Grünen, gigantische Erhöhungen auch der sozialen Transferleistungen beschließt. Und das alles würde sozusagen in eine selbst erfüllende dann Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme ausarten. Das wird so auch nicht funktionieren. Man hat ein bisschen den Eindruck, wir leben zurzeit in einem Land, wo ganz im Kontrast zu dieser Wirtschaftskrise eine Art billige Jakob-Haltung gilt. Also wer bietet mehr? Da haben wir eine Linkspartei, die ordentlich bietet, vor allem bei Sozialleistungen, aber auch bei Rente mit 60 ohne Abschlag. Dann kommen die Grünen, dann kommen die Sozialdemokraten. Die Union ist unter Druck natürlich. Wenn Sie jetzt an die Entscheidung von Anfang der Woche denken, dass man beim Agrardiesel jetzt doch den Bauern auch was geben muss, weil man hat’s nicht gern, wenn eine wichtige Wählergruppe quasi so auf dem Tisch steht. Aber dass die Zeche irgendwann bezahlt werden muss, und erfahrungsgemäß nach den Wahlen, ist auch klar.

Schwarz: Diese Konjunkturprogramme, die beschlossen worden sind, die sind ja weitgehend ohne den grünen Faktor beschlossen worden. Blutet Ihnen da eigentlich nicht ein grünes Herz, oder hatten Sie das vielleicht sogar nie?

Metzger: Ich bin aus ökologischen Gründen damals wegen der Atomkraft bei den Grünen eingestiegen. Also, nee, nee, nee, Ökologie war ein Thema. Dass eine Abwrackprämie beschlossen wurde von dieser Regierung, das habe ich von Anfang an für absolut grotesk gehalten und den Preis werden wir im nächsten Jahr bezahlen: die ganzen Autohändler, die die Vorzieheffekte dann bitter büßen werden durch eine Nachfragelücke, und der Steuerzahler, der natürlich diese Alimentierung einer Branche auch bitter bezahlen wird. Aber da merken Sie mal, unter welchem Aktionismusdruck eine Politik steht. Trotzdem, es ist eine so herkulische Aufgabe, den Wegfall der Auslandsnachfrage aufzufangen, dass es natürlich blauäugig wäre, den Eindruck zu erwecken, jetzt drehen wir nur den Schalter in Richtung auf ökologische Nachhaltigkeit und dann kompensieren wir die drohenden Arbeitsplatzverluste in den traditionellen Exportbranchen. Das geht leider so nicht. Trotzdem ist nachhaltige Politik natürlich in jeder Form zu unterstützen und zu begrüßen, die dazu beiträgt, dass wir die Energieeffizienz verbessern und mit dem Know-how, das wir als Volkswirtschaft in diesem Bereich haben, auch natürlich Geschäfte machen mit dem Rest der Welt.

Schwarz: Halten Sie denn die Konjunkturprogramme mit dieser Neuverschuldung, die dann auf uns zukommt, für effizient?

Metzger: Also ich glaube, dass wir zurzeit den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, also Teufel quasi Wirtschaftskrise, mit dem Beelzebub der überbordenden Staatsverschuldung. Natürlich sagt man, und das sage auch ich als Finanzpolitiker, jetzt in die Krise hinein sparen, also indem ich jetzt wirklich Ausgaben des Staates begrenze, also Leistungsgesetze reduziere, das geht nicht, das wäre kontraproduktiv. Aber müssen wir alle Dämme brechen, müssen wir zurzeit praktisch den Leuten beibringen, dass aus Millionenbeträgen Milliardenbeträge werden, mit denen man jongliert und dass quasi Geld keine Rolle mehr spielt? Was glauben Sie, wie viele Prozent wirtschaftliches Wachstum der nächsten Jahre wir allein dafür brauchen, den Zinseszinseffekt der gigantischen Staatsverschuldung zu bedienen. Was glauben Sie, was effektiv für die dringend notwendigen Investitionen in die Köpfe unserer doch saturierten Gesellschaft übrig bleibt? Bessere Bildungschancen für die breite Masse, wo man Geld in die Hand nehmen müsste. Wenn man immer mehr künftig, wie wir’s schon aus den letzten Jahrzehnten ja gewohnt sind, die Staatsverschuldung ist ja keine Erfindung der Neuzeit, sondern hat leider schon ne lange Vorgeschichte, wie viel an Verdrängungseffekten stattfindet dadurch, dass wir Zinsen bezahlen müssen aus unseren Steuermitteln, die wir nicht in sinnvolle Infrastruktur oder Bildung stecken können.

Schwarz: Was also wäre das Metzger-Konzept?

Metzger: Mein Konzept wäre eindeutig, den Staat quasi so organisieren, dass die Geschäftsgrundlage unserer Volkswirtschaft, die Leistungsbereitschaft der Menschen, die arbeiten, gestärkt wird dadurch, dass sie weniger Grenzsteuersätze bezahlen und vor allem weniger Sozialabgaben. Wir müssten beispielsweise die Krankenversicherung entkoppeln von den Arbeitskosten, also ein Prämienmodell machen, wie es die Schweizer haben. Es gab schon mal eine Beschlussfassung meiner Partei, da hieß das noch Kopfpauschale, das war ein schlechtes Wort für eine konzeptionell richtige Geschichte. Bei der Einkommensteuer, darüber haben wir diskutiert, eine Flat-Tax praktisch, abschaffende Ausnahmen wäre so eine Maßnahme. Und ansonsten ein Ratschlag: Haftung und Verantwortung zusammenbinden. Wenn Firmen sich verspekulieren, auch wenn’s große Banken sind, dann sollen sie haften, auch ihre Aktionäre, und nicht der Steuerzahler den Ausputzer spielen.

Schwarz: Oswald Metzger, Ex-SPD-, Ex-Grünen- und aktuell CDU-Mitglied, vielen Dank für das Gespräch!

Metzger: Bitte, bitte!