Merkels Türkei-Besuch

Nicht wieder einen Fehler machen!

Plakate in Gaziantep zeigen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu.
Plakate in Gaziantep zeigen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu. © Uygar Onder Simsek/ MOKU
Von Thomas Bormann · 24.04.2016
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor ihrer Abreise in die Türkei eingestanden, einen Fehler begangen zu haben: Es ging um die Bewertung des Erdoğan-Gedichts von Satiriker Jan Böhmermann. Sie solle nun auch in der Türkei ein Zeichen für Freiheit und Menschenrechte setzen, kommentiert Thomas Bormann. Damit ihr nicht wieder ein Fehler passiert.
Das dürfte der Kanzlerin peinlich sein: Überall in der türkischen Stadt Gaziantep hängen große Plakate, die eine strahlende Angela Merkel zeigen – dazu in deutscher Sprache der Slogan "Solidarität mit Flüchtlingen" – das ist ja noch okay. Darunter aber, ebenfalls in deutscher Sprache, der Satz: "Wir sind stolz auf unsere Kanzlerin Frau Angela Merkel und unseren Ministerpräsidenten Herrn Ahmet Davutoğlu."
Merkel und Davutoğlu – zwei wie Pech und Schwefel, zwei, die für dieselbe Politik stehen.
Das ist die Botschaft dieser Plakate. Die türkische Regierung sonnt sich in dem Ruhm, besonders gut und eng mit der deutschen Kanzlerin zusammenzuarbeiten.
Für Angela Merkel selbst ist diese Nähe längst eine Belastung. Umfragewerte in Deutschland beweisen das: Eine deutliche Mehrheit findet, die Kanzlerin nehme viel zu viel Rücksicht auf die türkische Regierung.
Mahnungen prallen an Erdogan ab
Es ist zwar richtig und wichtig, dass Merkel das Flüchtlingslager Nizip bei Gaziantep besucht. Es ist auch richtig, dass die EU drei Milliarden Euro, letztlich sogar sechs Milliarden Euro an die Türkei überweisen wird, damit syrische Flüchtlinge in der Türkei besser versorgt werden, damit Schulen für Flüchtlingskinder gebaut werden. Das alles ist gut und richtig, denn das dient dazu, dass es den Flüchtlingen in der Türkei besser geht, dass sie sich nicht mehr auf den lebensgefährlichen Weg machen und weiterflüchten in Richtung Deutschland oder Schweden.
Die Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik darf sich Kanzlerin Merkel aber nicht damit erkaufen, dass sie die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei nur halbherzig anspricht.
Es reicht nicht, wenn sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu anmahnt, die Türkei müsse die Meinungsfreiheit wahren; sie dürfe kritische Journalisten nicht vor Gericht stellen. Solche Mahnungen prallen an Davutoglu oder Erdoğan ab.
Nicht nur fröhlich Hände schütteln
Nein, Kanzlerin Merkel muss bei ihrem nächsten Türkei-Besuch ein deutliches Zeichen setzen, und nicht nur mit Erdogan und Davutoglu fröhlich Hände schütteln, sondern auch mit Oppositionspolitikern in der Türkei zusammenkommen, mit kritischen Journalisten.
Sie sollte sich mit dem Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas verabreden. Demirtas könnte der Kanzlerin schildern, wie die türkische Armee bei ihrem Kampf gegen die PKK in kurdischen Städten die Zivilbevölkerung gleich mit unter Beschuss nimmt.
Angela Merkel sollte dann den Journalisten Can Dündar treffen. Dündar kann der Kanzlerin erzählen, wie es sich mit der Bedrohung lebt, zu lebenslanger Haft verurteilt zu werden, bloß weil er regierungskritische Artikel geschrieben hat.
Merkel hatte vor ihrer Abreise in die Türkei mutig eingestanden, mit der Bewertung des Böhmermann-Gedichts einen Fehler begangen zu haben.
Sie sollte nun auch in der Türkei ein Zeichen für Freiheit und Menschenrechte setzen, damit sie sich nicht vollends von der Selbstdarstellungspropaganda der türkischen Regierung vereinnahmen lässt. Das wäre nämlich auch ein Fehler.
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