"Menschenverachtende Äußerungen"

06.09.2010
Thilo Sarrazins Thesen bewegen sich in der Nähe des Nationalsozialismus, findet Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. Eine Umfrage, nach der 18 Prozent der Wähler für Sarrazin stimmen würden, ist für ihn nur eine Momentaufnahme.
Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin bewegt sich mit seinen integrationspolitischen Thesen nach Ansicht des Kölner Politikwissenschaftlers Christoph Butterwegge in der Nähe zum Nationalsozialismus. Im Deutschlandradio Kultur sagte Butterwegge am Montag: "Thilo Sarrazins Rassismus besteht ( ... ) sehr stark darin, Migranten und Menschen überhaupt nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit zu beurteilen." Weiter sagte er: "Wenn man anfängt auszurechnen, was erwirtschaftet ein Mensch und was kostet er uns, zum Beispiel durch Krankheit, durch Unfall, durch Behinderung, dann gerät man sofort in die Nähe des Nationalsozialismus."

Zu einer Umfrage, nach der 18 Prozent der Wähler für Sarrazin stimmen würden, sagte der Politikprofessor, dies sei nur eine Momentaufnahme. Butterwegge warf Sarrazin "menschenverachtende Äußerungen" vor. Zum möglichen Aufstieg eines Rechtspopulisten in Deutschland betonte er, dies hänge stark von den ökonomischen Perspektiven ab. Bei einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise und deutlich steigenden Arbeitslosenzahlen würde sich vor allem in der Mittelschicht die Angst vor dem sozialen Absturz verstärken. "Wenn diese Angst sich ausbreitet, ( ... ) wäre auch die Chance einer solchen Gruppierung größer als das bislang der Fall ist", sagte er.

Erfolgreich zu sein sei für eine rechtspopulistische Partei aber schwerer als in anderen Ländern. Der entscheidende Grund dafür sei die deutsche Vergangenheit. "In anderen Ländern wird jemand, der solche Positionen wie Herr Sarrazin vertritt, eben nicht gefragt: Wie hältst du es mit dem Nationalsozialismus?" Dies sei die "Gretchen-Frage" und Teil der politischen Kultur in Deutschland. Butterwegge empfahl den etablierten Parteien, sich deutlich von Sarrazin abzugrenzen. Zugleich müsse die Politik den Zuwanderern klar machen, dass diese willkommen seien.

Das vollständige Gespräch mit Christoph Butterwegge können Sie in unserem Audio-on-Demand-Angebot als MP3-Audio bis zum 6. Februar hören.