Menschenrechtsbeauftragter gegen Boykott der Fußball-EM

Moderation: Hans-Joachim Wiese · 26.04.2012
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hält nichts von einem Boykott der Fußball-EM in der Ukraine. Stattdessen müsse der politische Druck auf das Land erhöht werden, sagt Markus Löning.
Hans-Joachim Wiese: Am Telefon ist jetzt der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning. Schönen guten Tag, Herr Löning!

Markus Löning: Guten Tag!

Wiese: Sie waren erst kürzlich in der Ukraine, mit welcher Absicht denn?

Löning: Ich bin vorletzte Woche dort gewesen, um mir ein eigenes Bild zu machen. Ich hab mit Regierungsvertretern gesprochen, ich hab mit Bürgerrechtsaktivisten gesprochen, und ich konnte den ehemaligen Innenminister von Frau Timoschenko, den Juri Luzenko, im Gefängniskrankenhaus besuchen und hab ein langes Gespräch mit ihm geführt über die Situation, über seine persönliche Situation, aber auch über die politische Situation in der Ukraine.

Wiese: Und wie würden Sie die Menschenrechtslage in der Ukraine auch jetzt gerade im Fall Timoschenko beschreiben?

Löning: Das Problem ist, dass wir mit der Ukraine so große Hoffnungen verbunden haben. Nach der Orangenen Revolution gab es große Freiheiten. Die Pressefreiheit war gegeben, die Meinungsfreiheit war gegeben, die Leute sind auf die Straße gegangen, also die Ukraine hat sich zu einem wirklich freien Land entwickelt. Und umso größer ist eben jetzt die Enttäuschung darüber, dass das Schritt für Schritt von Präsident Janukowitsch eben wieder zurückgenommen wird, und allem sozusagen setzt es oben drauf diese politisch motivierten Proteste gegen Frau Timoschenko und gegen die anderen Mitglieder ihrer Regierung. Das ist wirklich unerträglich bei einem Land, was Mitglied im Europarat ist, was die europäische Menschenrechtskonvention gezeichnet hat. Das ist schlicht inakzeptabel, was dort passiert zurzeit.

Wiese: Nun hat also Bundespräsident Gauck, wir haben es gerade gehört, die Teilnahme an einem Präsidententreffen in Jalta abgesagt - was halten Sie davon?

Löning: Ich finde das ein bewundernswürdiges klares Zeichen von Joachim Gauck, was er da gesetzt hat. Ich kann nur sagen, Hut ab davor, dass er so klar hier Position bezieht. Das finde ich ganz toll.

Wiese: Aber reicht so eine Absage wie die jetzt von Gauck oder müssen nicht noch härtere Sanktionen her, etwa die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU?

Löning: Das Assoziierungsabkommen ist ja nur paraphiert, es wird zurzeit nicht unterschrieben, und die EU hat sehr klar gesagt, wir erwarten von der Ukraine zwei Dinge: Zum einen, dass die Prozesse, die es gegeben hat, entweder wiederholt werden, und zwar unter fairen rechtsstaatlichen Bedingungen, oder dass die Leute entsprechend, die aufgrund der unfairen Prozesse jetzt im Gefängnis sitzen, entlassen werden, und wir erwarten im Oktober eine faire und freie Wahl. Und wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, dann wird man im Spätherbst sicher sehen, ob und wie das mit dem Assoziierungsabkommen weitergeht. Und darüber hinaus wird natürlich auf allen diplomatischen Kanälen Druck auf die Ukraine aufgebaut, und auch meine Botschaft an die ukrainische Regierung bei meinem Besuch ist ja genau das gewesen: Ihr müsst, wenn ihr verhindern wollt, dass in der Europameisterschaft 2012 nur auf diese Dinge geschaut wird, bitte lasst die Leute jetzt aus humanitären Gründen aus dem Gefängnis und sorgt dafür, dass sie vernünftig medizinisch versorgt werden.

Wiese: Sie geben mir das Stichwort, Herr Löning: Fußball-Europameisterschaft. Was halten Sie von einem Boykott, würde der Janukowitsch nicht ganz besonders hart treffen?

Löning: Ich glaube, dass, wenn wir jetzt eine Boykottdiskussion beginnen würden, Herr Janukowitsch sich in einer Opferrolle fühlt und das dann zelebrieren wird. Ich halte es für richtiger, den Druck auf ihn aufrechtzuerhalten, weiter zu erhöhen, und zwar den politischen Druck, so wie der Bundespräsident es jetzt vorgemacht hat und so wie es ja auch aus den Äußerungen anderer europäischer Staats- und Regierungschefs klargeworden ist oder wie es aus den Äußerungen der Bundesregierung jetzt auch klar ist. Starken politischen Druck müssen wir jetzt ausüben, immer in der Hoffnung, dass die Situation mit den Leuten, die jetzt dort unrechtmäßig im Gefängnis sind, bereinigt wird vor dem Beginn der Euro 2012.

Wiese: Wie sollten sich denn die deutschen Fußballer verhalten? Die spielen ja am 13. Juni gegen die Niederlande ganz in der Nähe der Strafkolonie, in der Timoschenko festgehalten wird. Was empfehlen Sie denen?

Löning: Ich hatte ein wirklich bemerkenswertes Gespräch mit Herrn Niersbach, dem Präsidenten des DFB, in der vorletzten Woche, direkt nach meiner Rückkehr aus der Ukraine. Und ich finde, dass sich der Deutsche Fußball-Bund da wirklich vorbildlich verhält. Herr Niersbach hat ein sehr klares Bekenntnis des Deutschen Fußball-Bundes zu Menschenrechten, zu Meinungsfreiheit und zu Rechtsstaatlichkeit öffentlich abgelegt. Das finde ich ganz anders, als der Deutsche Fußball-Bund das noch vor 20, 30 Jahren gemacht hat, das ist ein großer Fortschritt, dass hier die gesellschaftliche Verantwortung der Fußballer wahrgenommen wird. Natürlich ist der DFB kein politischer Kampfverband, aber er ist Teil der Gesellschaft und als solcher äußert er sich sehr klar. Das finde ich wunderbar, und ich erwarte mir eigentlich vom Präsidenten des Europäischen Fußballverbandes, dass er es ähnlich tut. Auch er vertritt viele Millionen Fußballer, und ich finde, auch er hat die Verantwortung gegenüber Herrn Janukowitsch, hier klare Worte zu finden. Also die Fußballer, die deutschen Fußballer, finde ich, haben da ein sehr gutes und sehr deutliches Zeichen gesetzt.

Wiese: Das war der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning. Herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Mehr zum Thema bei dradio.de:
Innenminister Friedrich gegen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine
Grünen-Politikerin fordert klare politische Signale an die Ukraine
Kommentar: Sport war und ist politisch