Meister des Gruselfilmklangs

Von Dietmar Polaczek · 07.07.2011
Der italienisch-amerikanische Komponist Gian Carlo Menotti wurde schon mit seinen frühesten Werken von Erfolg verwöhnt. Seine Oper "Das Medium" war eine der meistgespielten des vorigen Jahrhunderts. In Europa wurde er zum Begriff, als er 1957 das "Festival dei Due Mondi" in Spoleto gründete.
Ja, crazy, verrückt sei es gewesen, im Jahr 1938 seine Kurzoper "Amelia geht zum Ball" an der Metroplitan Opera in New York herauszubringen und mit einem Meisterwerk von Milhaud zu koppeln. Die Oper eines unbekannten, 26 Jahre alten Musikstudenten des Curtis Institute of Music in Philadelphia. Und zu allem Überfluss noch ein Ausländer, ein Italiener!

Der Italiener war ein Kaufmannssohn und hieß Gian Carlo Menotti. Den Stolz auf den frühen Erfolg merkte man ihm noch an, als er mit 88 Jahren darüber sprach.

Menotti wurde am 7. Juli 1911 in Cadegliano geboren, nicht weit vom Luganersee. Schon mit dreizehn kam er ans Mailänder Konservatorium, mit sechzehn ging er in die USA und studierte bei Rosario Scalero, zusammen mit dem gleich alten Nino Rota und dem ein Jahr älteren Samuel Barber. Mit Barber war er bald eng befreundet, sie lebten zusammen bis zu dessen Tod 1981.

Beide werden oft als sentimentale Nachfahren Puccinis abgetan, aber Menotti wird man damit nicht gerecht. Er war ein gebildeter, belesener und vielseitiger Künstler, der fast alle seine Opernlibretti selber schrieb, Regie führte und manchmal, wie Hitchcock, in seinen eigenen Inszenierungen als Statist auftrat.

Er war ein "sophisticated composer", wie zum Beispiel dieser aus dem Mittelalter übernommene Hoquetus-Rhythmus in seiner Oper "Das Medium" von 1947 zeigt. Wenn hingegen das Medium, die besoffene Baba, mit ihren Helfern die Erscheinungen der Verstorbenen vorschwindelt, erfindet Menotti Klänge, von denen noch ganze Generationen von Gruselfilmkomponisten profitierten.

Menotti komponierte gut zwei Dutzend Bühnenwerke, aber an den Erfolg der Opern "Das Medium" und "Der Konsul" kam er nicht mehr heran. Die Kritiker und Komponistenkollegen ließen besonders an seinen späteren Werken kein gutes Haar, ja Luigi Nono weigerte sich gar, seine Werke zusammen mit denen Menottis auf ein Programm setzen zu lassen. Dabei kommt Menottis Musik in ihrer Dichte und dramatischen Expressivität bisweilen sogar Alban Berg nahe, besonders im "Konsul" von 1950:

Doch Menotti konnte auch eingängige Melodien schreiben, und Magdas Arie "To this we've come" aus dem "Konsul" ist vielleicht die bekannteste.

Noch bekannter ist aber das Musikfestival, das er 1957 geschaffen und lange selbst finanziert hat, das "Festival dei Due Mondi" in Spoleto. Menotti erweckte damit das verschlafene Städtchen in Umbrien zu neuer Blüte, und in den USA und Australien entstanden Ableger. Menotti machte seinen Adoptivsohn Francis in Spoleto zum Direktor, um sein Erbe gepflegt zu sehen, aber nach seinem Tod im Jahr 2007 stellte die Festivalstiftung in den Händen der italienischen Ministerialbürokratie den Sohn kalt. Das Festival verlor die Bedeutung von einst. Ein dissonanter Schlussakkord eines langen Komponistenlebens, dissonant wie im "Konsul".