Meister der Aquatinta

Von Alexandra Gerlach · 16.02.2010
Lange waren seine Werke unter Verschluss und er geriet in Vergessenheit. Doch nun lässt sich der Dresdner Maler Hans Körnig (1905-1989) wiederentdecken, denn in seiner Heimatstadt wurde jetzt ein privates Museum eröffnet, das seine Werke ausstellt.
Im Dresdner Barockviertel an der Dreikönigskirche war Hans Körnig zuhause. Hier war sein Revier und sein Atelier, im Wallgäßchen 2. Genau hier, am historischen Ort richtet die Kunsthistorikerin und Körnig-Expertin Antje Rödel seit Monaten das neue Museum ein.

"Wir sind durch einen glücklichen Zufall wieder in dem Haus gelandet, wo er lange sein Atelier hatte, 26 Jahre lang. Dieses Wallgäßchen Nummer 2 war schon das Zentrum seines Einzugsgebietes, seines Reiches. Von hier aus ging er immer auf Pirsch und von hier aus dieser Gegend hat er auch viele Motive eingesammelt und in seinem Atelier verarbeitet."

Schöpfen kann sie aus einem großen Fundus von 110 Ölbildern und rund 1.300 Aquatintaradierungen. Möglich gemacht hat dies der Mäzen Rudolf Presl, ein erfolgreicher Kaufmann aus Niederbayern, der den gesamten Nachlass des Künstlers gekauft hat und mit dem heutigen Tag der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Rudolf Presl: "Auf die Frage, ob ich die Kunst sammele, kann ich gleich sagen: nein. Ich bin kunstinteressiert, aber Herr Körnig hat mich dazu gebracht, über das Kunstinteressierte hinaus zu gehen."

Ihn habe zunächst ein Faschingsbild von Körnig fasziniert, sagt Presl, und dann auch dessen Lebensweg. Der aus dem sächsischen Flöha stammende Hans Körnig war Jahrgang 1905. Von 1930 bis 33 studierte er an der Kunstakademie Dresden. Aus Protest gegen die Entlassung des jüdischen Akademieprofessors Otto Dix jedoch verließ er die Akademie vorzeitig. Nur wenige Stücke aus seinem frühen Werk sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Eine tiefe Zäsur erlebt der freischaffende Künstler durch den 2. Weltkrieg:

Antje Rödel: "Dann ist er ja '39 auch gleich eingezogen worden, da gibt es eine Zäsur von sechs Jahren. Was er in dieser Zeit in Russland gemalt oder gezeichnet hat, da gibt es ein paar Blätter, nicht viel, und das ist wie ein richtiger Strich. Er kam wieder, Bein war ab, die Bilder zum Glück erhalten, das Atelier wurde ja zum Glück nicht zerbombt. Und wir wissen auch nicht, was er schon alles selber vernichtet hat, hat er wohl einiges ..."

Körnig heiratet eine Kriegerwitwe mit zwei Töchtern, später wird noch eine gemeinsame Tochter geboren. Mangels passender Ausstellungsmöglichkeiten zeigt Körnig seine Werke im Atelier und ab 1955 zwei Mal auf einem Dachboden im Dresdner Wallgäßchen. Junge Künstler wie Georg Baselitz und Penck sowie auch Otto Dix kommen, um seine Bilder anzusehen.

Körnig gilt zu dieser Zeit bereits als "Meister der Aquatinta", doch zugleich malt er großformatige Ölgemälde, impressionistisch in teils knallbunten Farben, Zirkusszenen, Familienbilder, kubistische Porträts, hintersinnige Faschingsbilder, das Leben der kleinen Leute im Quartier und immer wieder seine kleine Tochter Margarete. Sozialistische Auftragsarbeiten sieht man bei ihm nicht:

Antje Rödel: "Er war ja immer ein unbequeme Person, er hat ja diese beiden Dachboden-Ausstellungen auch in Eigenregie inszeniert, bekam darauf schon Ärger mit dem Verband. Und 1958 wurde er endgültig auch ausgeschlossen, aufgrund einer kleinen Radierung 'Straße der Befreiung'. Dort gerät scheinbar unabsichtlich Hammer und Sichel einer Sowjetfahne, die abgebildet ist, unter die Hufe von einem Pferd von August dem Starken, also des Goldenen Reiters. Und das war Grund genug, ihn auszustoßen."

Ob diese Perspektive beabsichtigt war oder nicht, kann auch Körnig-Expertin Antje Rödel nicht mit Sicherheit sagen. Sein Ausschluss vom Künstlerverband kommt einem Berufsverbot gleich. 1961 beschließt Hans Körnig, als er sich auf einer nicht genehmigten Westreise nach Holland und Belgien befindet, der DDR den Rücken zu kehren. Seine Bilder werden vom Staat beschlagnahmt und wandern in die Depots. Körnig fängt in Bayern ganz neu an, wird aber das Heimweh nach Dresden nie wieder los. Seine Stieftochter Ursula Haun erinnert sich:

"Dass er ein sehr fleißiger, eigentlich immer zeichnender Mensch war, sehr famliennah. Er war ein sehr fröhlicher Mensch – früher – in den späteren Jahren nicht mehr, da war er depressiv geworden."

Körnig kann im Westen nicht mehr an seine Dresdner Erfolge anknüpfen, zudem ist sein Werk in der DDR unter Verschluss. Er sei verzweifelt gewesen, sagt die Körnig-Expertin Antje Rödel:

"Es war ein ziemlich radikaler Einschnitt. Also Dresden war wirklich seine Heimat und war auch seine Inspirationsquelle, also er war ein richtiger vigilanter Sachse also im besten Sinne des Wortes."

Als er in seinem niederbayerischen Domizil zu erblinden droht, setzt er seinem Leben im Oktober 1989 ein Ende, nur wenige Wochen vor der Wende. Der politische Umbruch jedoch sollte den Weg ebnen für die Freigabe und Rückübertragung seiner Werke an seine drei Töchter als Erbinnen. Stieftochter Ursula Haun ist daher besonders glücklich, dass es dank des bayerischen Kunstmäzens Rudolf Presl nun auch möglich ist, die Bilder ihres Stiefvaters der Öffentlichkeit zugänglich zu machen:

"Das ist eine riesengroße Freude für uns. Es war ja eigentlich ein schlimmer Schicksalsschlag, dass sie so lange verborgen waren und für ihn vor allen Dingen."

Und der Mäzen selbst? Der Kaufmann Rudolf Presl möchte eher im Hintergrund bleiben. Er ist Eigentümer der Bavaria-Kliniken und wünscht sich, dass Körnigs Werk dauerhaft ausgestellt und wissenschaftlich bearbeitet werden kann. Sein Credo lautet:

"Das, was dem Herrn Körnig selber verwehrt geblieben ist, die Wertschätzung zu erfahren, die ihm verwehrt geblieben ist, vielleicht doch irgendwann zu erreichen."