Mein Name ist "Ame" ohne "lie"

Von Po Keung Cheung · 31.01.2011
Der neue E-Ausweis im Scheckkartenformat soll das Online-Shopping sicherer machen. Doch ob das klappt, steht noch in den Sternen. Wie ein Berliner Bürgeramt sich durch die Probleme mit der Ausweis-Elektronik kämpft.
"Hallo, schönen guten Tag. Ich möchte gerne einen Personalausweis beantragen. Ihren alten Ausweis bitte!"

Das Bürgeramt Charlottenburg-Wilmersdorf, zuständig für einen Berliner Stadtteil mit 316.000 Einwohnern. Seit Einführung des elektronischen Personalausweises am 1. November 2010 ist einiges anders. Für die Mitarbeiter der Behörde ist das Verfahren zum lästigen Kraftakt geworden. Software-Probleme und Computer-Abstürze gehören zur Tagesordnung, ebenso das lange Warten bereits zu Dienstbeginn.

"Das ist jetzt die morgendliche Meldung, das heißt, ich muss mit einer Operatorkarte in das Gerät hineingehen, dann meine PIN eingeben. Und jetzt warte ich."

Geschlagene drei Minuten muss sich der Leiter des Bürgeramtes, Michael Meier, gedulden.

"Na, das wissen wir ja nun. Es ist… Ah, jetzt ist er fertig, wa?"

Diese zeitraubende Prozedur muss an allen 24 Geräten des Amtes vorgenommen werden. Nicht umsonst tragen sie inzwischen den Spitznamen "Lahme ÄNTE", abgeleitet von der Abkürzung: "ÄN-TE"mit "Ä", für "Änderungsterminal". Doch damit nicht genug. Im Alltag erweisen sich die Geräte, an denen sich nicht nur Behördenmitarbeiter einloggen, sondern auch Bürger beispielsweise die PIN des neuen Ausweises ändern, als wenig praxisgerecht. Eine USB-Verbindung zwischen Terminal und Behördenrechner sorgt oft für eine Zwangspause. Michael Meier, Bürgeramtsleiter:

"Drehen es Ihnen zu. Und jetzt sehen Sie schon hinten, dass sich die Kabel alle bewegen. Das heißt, wenn jetzt nur ein Millimeter verrutscht, ist das Gerät erst einmal lahmgelegt."

Und das bedeutet: Wieder warten, bis das System läuft. Das Berliner Bürgeramt ist kein Einzelfall. Bundesweit werden technische Probleme gemeldet, beklagen die Landesverbände des Städte- und Gemeindebundes. Dabei sollte der neue Ausweis alles einfacher machen. Stattdessen dauern Beantragung und Ausgabe nun jeweils 30 Minuten, dreimal länger als früher. Und nicht nur der Zeitaufwand habe sich wegen der Softwareprobleme verdreifacht, so Michael Meier.

"Wenn man hört, man arbeitet bald papierlos, freut man sich. Erst einmal fallen die Ordner weg, man muss nichts mehr ablegen, scannen, ausdrucken. Da wir aber jetzt mittlerweile ungefähr die dreifache Menge an Papier verbrauchen, ärgert einen das maßlos."

Maßlos ärgern dürfte sich der Bürger darüber, dass der elektronische Personalausweis auch noch gut dreimal soviel kostet, nämlich 28 Euro 50. Hinzu kommt die Verunsicherung, vor allem wegen der Sicherheitsprobleme bei der Software, der so genannten "AusweisApp", mit der sich der Nutzer am eigenen PC mit Kartenleser identifizieren soll. Mehrmals musste sie zurückgezogen und überarbeitet werden, nachdem angebliche Manipulationsmöglichkeiten bekannt wurden. Erst seit Anfang des Jahres ist sie wieder verfügbar.

Wenige Kilometer vom Bürgeramt Charlottenburg-Wilmersdorf entfernt, befindet sich das "Test- und Demonstrationszentrum Neuer Personalausweis" des Fraunhofer-Instituts. Dessen Leiter Jens Fromm kann die Kritik verstehen, wehrt sich aber gegen eine pauschale Verurteilung. Jens Fromm Projektleiter Fraunhofer FOKUS:

"Ich denke aber auch, dass wir neben der Kritik auch durchaus auch sagen sollen, was kann eigentlich durch den neuen Personalausweis erreicht werden. Und das fehlt mir leider ein bisschen in der Debatte und das sehe ich auch ein bisschen als meine Aufgabe hier durchaus auch ein bisschen Begeisterung zu wecken für die verschiedenen elektronischen Funktionen."

Jens Fromm, seit Jahren an der Entwicklung beteiligt, will die Möglichkeiten zeigen, die im versteckten Funkchip schlummern und öffnet mit seinem Dienstausweis, der ebenfalls kontaktlos ausgelesen wird, eine elektronisch gesicherte Stahltür

"Wir sind jetzt also hier im Präsentationsraum und hier präsentieren wir im Endeffekt ganz vielen Besuchern die Software und den Personalausweis."

Verschiedene Computer und Terminals mit neuen Anwendungen. Etwa die Altersprüfung einer Internet-Videothek, die Online-Auto-Ummeldung oder auch eine Zugangskontrolle fürs Parkhaus – dargestellt mit Armaturenbrett-Modell und Schranke in Originalgröße. Jens Fromm:

"Dafür legen wir unseren Personalausweis auf den Kartenleser im Auto und wir können hier den Ausleseprozess starten, indem wir unsere sechsstellige PIN eingeben – und wenn ich wieder den Ausweis runternehmen, dann schließt sich die Schranke."

Im nahen Bürgeramt beschäftigten sich die Mitarbeiter dagegen weniger mit Zukunftsmusik, sondern mit den Problemen von heute. Manchmal seien es kleine Dinge, die die Arbeit schwer machten, sagt Behördenleiter Michael Meier und nennt die Fälle mit den so genannten "diakritischen Zeichen" Buchstaben, die mit Punkten, Strichen oder Häkchen versehen seien, etwa der "accent aigu" beim Namen "Amélie". Michael Meier:

"Da wurden also Namen oder Vornamen, die ein diakritisches Zeichen enthielten, ab diesem Buchstaben nicht mehr im Chip abgebildet auf dem PC."

Aus Amélie wurde also "Amé", ohne "lie". Manchmal wurden die Chips sogar versehentlich leer gelassen. Aus diesem Grund prüft Michael Meier jeden einzelnen der neu gelieferten Ausweise. Fehler müssen innerhalb von zwei Wochen an die Bundesdruckerei gemeldet werden, sonst bleibt das Bürgeramt auf den Kosten für eine Neuausstellung sitzen. Man hangele sich von Update zu Update, die Verwaltungsmitarbeiter würden unfreiwillig zu IT-Leuten, klagt der Stadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf Joachim Krüger:

"Eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass es ein großer Fortschritt ist, dass man mit diesem Ausweis doch sehr viel mehr an Dienstleistung abfordern und auch sicher gewährleisten kann, aber wir sind immer noch in einer Phase von großen Übergangsschwierigkeiten, die es weder für unsere Mitarbeiter noch für die Bürger leicht machen, mit dem neuen Ausweis umzugehen."

Wie lange die Probleme noch andauern werden, ist unklar. Die Bundesdruckerei hält sich bedeckt und will sich auch öffentlich nicht zu den Problemen äußern. Für Michael Meier und seine Mitarbeiter im Berliner Bürgeramt geht somit der alltägliche Kampf gegen die Tücken der Technik vorerst weiter. Michael Meier:

"Oh, beim Authentifizieren der Karte trat folgender Fehler auf: Fehler, Dokument entnehmen! Schreibt aber nicht, warum, wieso, weshalb…"