Mein Avatar und ich

Von Michael Engel · 04.12.2012
Kein juristisches Gebiet verändert sich so schnell wie das IT-Recht. Es gibt Regelungen für die elektronische Unterschrift, für den Internet-Handel, für die E-Mail-Kommunikation. Dennoch wissen viele Menschen, die sich mit Internet vertraut fühlen, immer noch recht wenig über IT-Gesetze.
Was ein Avatar ist, muss man den Mitgliedern von Computerforen wohl nicht mehr erklären. Dass man aber nicht irgendwelche Profilbilder nehmen darf, um sich zu präsentieren, sicher schon. Viele User greifen wie selbstverständlich zu bekannten Comic-Figuren oder verwenden Portraits von Schauspielern. Nikolaus Forgo vom Institut für Rechtsinformatik der Uni Hannover kann da nur warnen: .

"Eine Comic-Figur ist ganz sicher ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Und wenn Sie das online stellen, dann greifen Sie in Verwertungsrechte der Urheber ein. Und wenn Sie Schauspieler-Bilder nehmen, dann greifen Sie zumindest prinzipiell in deren Recht am eigenen Bild ein. Jeder von uns hat ja das Recht, nicht einfach so in der Öffentlichkeit ohne Grund und ohne Zustimmung bloß gestellt zu werden. Und da mag das dazu gehören. Insbesondere wenn es Bilder sind, bei denen jemand sozusagen lustig oder peinlich dargestellt wird."

Problematisch, so der IT-Jurist, sei auch das Hochladen von Fotografien, wenn noch andere Personen auf dem Bild sind. Wer Fotos zum Beispiel bei Facebook einstellt, die auch Freunde, Bekannte oder zufällig anwesende Menschen zeigen, muss zuvor die Zustimmung all dieser Personen einholen.

"Das Hochladen von Fotos, auf denen Personen erkennbar sind, ist ein datenschutzrechtlich relevanter Vorgang. Also nicht nur Recht am eigenen Bild, sondern auch noch Datenschutzrecht. Und im Datenschutzrecht gilt eigentlich in Deutschland seit 20 Jahren eine ziemlich klare Regel, nämlich die Verarbeitung Personen bezogener Daten ist verboten. Es sei denn, es gibt eine spezielle, gesetzliche Grundlage oder es gibt die Einwilligung. Und die Einwilligung gibt es eben bei sehr vielen dieser Fotos nicht. Also der bloße Umstand, dass jemand nichts tut, ist nicht als Einwilligung in die Veröffentlichung zu qualifizieren."

Früher war die eigenhändige Unterschrift das offenkundige, authentische und nachprüfbare Zeichen einer Willenserklärung. Heute, im Zeitalter von Internet, eBay und Amazon, genügt ein virtuelles Häkchen, um den Vertrag zu schließen. Gesetzliche Regelungen decken zwar diese Praxis, doch Streitigkeiten sind programmiert, wenn zum Beispiel der Käufer erklärt, dass er den Mausklick gar nicht gemacht hat. Die sogenannte "DE-Mail" soll hier mehr Verbindlichkeit bringen, erklärt Prof. Axel Metzger - Rechtsinformatiker der Uni Hannover

"DE-Mail soll einen neuen, sicheren Standard des elektronischen Postversandes bringen. Das heißt, bei gmx, T-Online oder wer der Provider ist, den man wählt, soll man einen DE-Mail-Account eröffnen und Teile der Kommunikation werden dann mit Signatur verschlüsselt verschickt. Das wird eine erhöhte Beweissicherung bringen. Frage wird da aber am Ende auch sein, setzt es sich am Markt durch? Sind die Verbraucher bereit, die erhöhten Kosten und das kompliziertere Verfahren auch zu wählen.

Die elektronische Post wird von jedem Gericht genauso anerkannt wie ein Einschreiben mit Rückschein. Wer also noch schnell vor 24 Uhr seine Wohnung fristgerecht kündigen oder in letzter Minute einen Widerspruch einlegen möchte, ist mit dem DE-Mail-Dienst bestens beraten. Details regelt ein eigenes DE-Mail-Gesetz."

Heute gibt es Roboter, die unterschreiben können, als hätte die betreffende Person höchst persönlich den Füllfederhalter geführt. Was ist da noch echt? Was authentisch? Im digitalen Zeitalter verschwimmen die Grenzen - für Juristen eine Horrorvision.

"In puncto Fälschungssicherheit ist es durchaus denkbar, dass auch Kryptographie-Technologien in Zukunft die Hand geschriebene Unterschrift überholen werden. Einstweilen sind wir dort noch nicht. Aber in der Tat. Da ist die technologische Entwicklung offen."

Keine andere Erfindung hat unser soziales Miteinander so massiv beeinflusst wie der Computer: Rechner handeln mit Wertpapieren an der Börse, unterstützen Oppositionsbewegungen in aller Welt, regeln unser Alltagsleben. Doch für Vieles, was da im Netz passiert, gibt es noch keine Gesetze. Da fehlt zum Beispiel ein Paragraph, der es Arbeitgebern verbietet, bei Facebook und Co. nach kompromittierenden Fotos zu suchen, wenn eine Bewerbermappe auf dem Tisch liegt. Was in solchen Fällen bleibt, so Alexander Forgo aus Hannover, sind Empfehlungen, die sich einfach nur an den gesunden Menschenverstand richten:

"Die Aufforderung an die Arbeitgeber wäre zu sagen, dass man diesen kulturellen Umbruch, in dem wir uns gerade befinden, auch in der Bewertung von Kandidaten und Kandidatinnen mit herein holen muss. Also nur der Umstand, dass jemand auf einem halblustigen Foto abgebildet ist, diskreditiert jemanden möglicherweise noch nicht für die Position. Denn halblustige Fotos gibt es von jedem von uns. Der Unterschied ist nur, dass sie mittlerweile häufiger im Netz landen als noch vor 20 Jahren."
Ortungsdienste, Web-Cam-Überwachung, Cybermobbing: Das Digitale in der Welt schreitet mit Siebenmeilenstiefeln voran. Gesetzliche Regelungen halten da kaum noch Schritt. Für Fachanwälte ist das ein lohnendes Terrain. Kein Wunder: Kanzleien für IT-Recht sprießen derzeit wie Pilze aus dem Boden.
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