"Mein 9. November": Kai Langer

04.11.2009
Kai Langer, Jahrgang 1969, war 1989 Wehrdienstleistender in der Volksmarine. Von 1990 bis 1996 studierte er Geschichte und Germanistik in Rostock, promovierte anschließend im Fach Zeitgeschichte. Er hat mehrere Bücher über die Geschichte der "demokratischen Wende" veröffentlicht. Seit Anfang des Jahres leitet er die Gedenkstätte "Deutsche Teilung in Marienborn".
Ich bin mit der Teilung großgeworden und hab mir auch kein einheitliches Deutschland als realistische Perspektive vorstellen können. Ich hab es mir auch nicht gewünscht. Ich habe den Sozialismus schon im Grundsatz für das bessere System gehalten, aber nicht den "real existierenden" Sozialismus, sondern einen imaginären, demokratischen Sozialismus, wie ihn sich vielleicht die Leute im Prager Frühling vorgestellt haben. Den sah ich kommen.

Und eigentlich dämmerte mir auch so ein paar Tage nach dem Mauerfall, dass das jetzt in Richtung Einheit gehen würde. Das war schon etwas, was mich sehr besorgt gemacht hat, weil ich war ja DDR-Bürger, wollte DDR-Bürger bleiben und wollte nicht kollektiv ausreisen, wie es dann nachher doch gekommen ist.

Es hat sehr lange bei mir gebraucht, bis ich dann auch mit diesem Prozess dann eigentlich einverstanden war. Mir ging das eigentlich alles viel zu schnell. Und ich hätte es auch besser gefunden, wenn zwei souveräne Staaten sich vereinigt hätten, wo man dann vielleicht auch noch über die gemeinsame Verfassung gestritten hätte. Nichts gegen das Grundgesetz, aber es hätte einfach - denke ich auch im Nachhinein betrachtet - den ehemaligen DDR-Bürgern mehr Stolz und Würde verliehen, sodass man also aufrechten Hauptes und nicht als der arme Verwandte sozusagen im neuen Deutschland aufgenommen wird.