"Mein 9. November": Joachim Rudolph

03.11.2009
Joachim Rudolph, Jahrgang 1950, stammt aus einer Pfarrersfamilie, die lange Jahre in Leipzig lebte. Er studierte katholische Theologie. Zu DDR-Zeiten leitete er zwei große Altenheime in Görlitz und Umgebung. Während dieser Zeit kümmerte er sich auch um zahlreiche DDR-Bürger, die nach der Bewilligung ihres Ausreiseantrages und noch vor der Ausreisegenehmigung ohne Job und Wohnung dastanden. Er gab ihnen Beschäftigung und nahm ihre Möbel auf. Heute leitet er eine Freizeit- und Familieneinrichtung der Caritas in Jauernick bei Görlitz.
Ich bin in so einer Atmosphäre schon aufgewachsen, deshalb war immer die Sehnsucht, wenn es doch einmal gelänge, dass wir wieder eins werden. Und das war der Befreiungsschlag.

Wir haben das umso stärker hier gespürt, weil wir in dieser damaligen Grenzstadt an der äußersten Ecke wirklich auch ein Stück Verlassenheit spüren. An der Grenze der Fluss, wir durften nicht mal wegen Solidarnosc nach Polen rüber. Dann hatte man wegen der Fluchtbewegungen auch noch die Wege in die Tschechei – damals hieß das ja noch Tschechei – verriegelt, wir durften nicht mal mehr dorthin fahren. Das bedeutete, man kommt auch nicht nach Ungarn. Wir waren wirklich wie eingesperrt, eine ganz bedrückende Situation.

Dann kam noch dazu, dass wir ohnehin das berühmte Tal der Ahnungslosen waren, die nicht mal West-Fernsehen hatten. Wenn man sich das alles zusammen vorstellt, in einer Stadt, die als eine sterbende Stadt bezeichnet wurde, weil der Häuserverfall so krass gewesen ist, dann war die Wende für uns umso mehr eine wirkliche Befreiung und der Fall der Mauer natürlich ganz entscheidend.