"Mein 9. November": Jenny Reimann

07.11.2009
Jenny Reimann, Jahrgang 79, ist in Ost-Berlin geboren und zur Schule gegangen. Die Ereignisse am Abend des 9. November hat die damals 10-jährige mit den Eltern am Fernseher verfolgt. Am kommenden Tag ist sie - wie immer - zur Schule gegangen. Heute arbeitet sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin an der Berliner Charité.
Ja, da war ich aber alleine, ziemlich alleine. Ich hab meine Mutter auch noch mal gefragt, wie war das. Und sie meinte nur, dass ich ganz erschrocken nach Hause kam und ihr gesagt habe, Mama, da war keiner! Ich war vorbildlich in der Schule und es war keiner in der Schule.

Es ging ja bei uns nicht normal weiter, weil ja unser ganzes Schulsystem Stück für Stück geändert wurde. Wir durften nicht mehr unser rotes und blaues Halstuch tragen. Und "Seid bereit! Immer bereit!" kam auch nicht so gut an am Stundenanfang. Und wir mussten natürlich lernen, in verschiedenen Unterrichtssequenzen, wie z.B. im Erdkundeunterricht, dass es mehr gab als die Sowjetunion und dass dieses graue Etwas da auch Farbe hatte. Wir haben auf einmal ganz andere Landkarten gesehen.

Natürlich haben meine Eltern mir auch schon vermittelt, so habe ich das damals empfunden, dass sie auch so ein bisschen Angst haben, was passiert jetzt alles. Deswegen sind wir auch nicht zur Mauer gefahren oder zu dem Grenzübergang an diesem Abend, weil sie halt einfach Angst hatten.

Wir sind dann zwei Wochen danach, als der ganze Trubel vorbei war, rüber zum Zoologischen Garten. Ich weiß nur, es war unvorstellbar hell da, obwohl es Nacht war. Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir an diesem Zoologischen Garten standen und es funkelte. Es war alles so hell. Und dann habe ich auch gedacht, dass dieser goldene Westen daher kommt, dass die Lichter alle so gold sind. Bei uns waren sie ja eher bläulich hell. Und da waren die Lichter alle so warm-gelb. Daran kann ich mich erinnern. Es war ein schöner Abend, ein schöner Familienausflug.