Mehr Platz im neuen Libeskind-Kubus

Von Dorothea Jung · 11.05.2010
Der Erfolg des Jüdischen Museums in Berlin hat zu einem Platzproblem geführt. Vor allem die Bildungs- und Forschungsabteilungen des Museums leiden an räumlicher Not. Ein von Stararchitekt Daniel Libeskind entworfener Erweiterungsbau soll Abhilfe schaffen.
Eindringlich schilderte heute Programmdirektorin Cilly Kugelmann die Raumnot des Jüdischen Museums. Problem Nummer 1: Bibliothek und Archiv der Einrichtung haben keinen Zugang zur Straße. Deswegen müssten Wissenschaftler und Studierende durch das gesamte Museumsgebäude und seine Verwaltungsabteilung wandern, bis sie am Ziel sind. Und zweitens habe sich einst bei der Planung des Jüdischen Museums offenbar niemand vorstellen können, wie stark das Interesse von Schulen und Bildungseinrichtungen sein würde. Moderne Museumspädagogik sei unter diesen Bedingungen schwierig, klagte Cilly Kugelmann.

"Wenn wir Aktivitäten machen wollen, die über eine Führung in der Ausstellung hinausgehen, müssen die Schüler oder die Gruppen, die ins Museum kommen, in einem fensterlosen Stauraum im Untergeschoss des Gebäudes sitzen - oder der Kampf geht los zwischen der Bildungsabteilung und den Veranstaltern um die wenigen raren Räume, die wir haben."

Spätestens im Herbst 2011 soll mit derartigen Kämpfen Schluss sein. Dann öffnet der Erweiterungsbau des Jüdischen Museums seine Pforten. Der Bau wird den Namen "Akademie" tragen und die gesamte Bildungsabteilung der Institution beherbergen - mit Seminarräumen, Vortragssaal und Bühne; mit Bibliothek samt Lesesaal und Archiv sowie einer Reihe von Büros, die zurzeit noch im Stadtteil verstreut untergebracht sind.

Entstehen wird diese Akademie nach Plänen von Architekt Daniel Libeskind - und zwar in einer riesigen Halle, die gegenüber vom vorhandenen Museumsbau in der Berliner Lindenstraße liegt und in der im Moment noch der Berliner Blumengroßmarkt residiert. Die Gesamtkosten des Erweiterungsbaus belaufen sich laut Museumsdirektor Börries von Notz auf rund zehn Millionen Euro.

"Inklusive aller Planungskosten und Kosten drum herum. Sechs Millionen Euro stammen vom Bund und vier Millionen stammen von privaten Spendern."

Kann man einen Museumsbau, genauer gesagt eine Akademie, die jüdische Geschichte reflektiert, hineinpflanzen in eine profane dreischiffige Halle in Stahlbeton-Skelettbauweise? Daniel Libeskind befand: Man kann. Das versicherte heute jedenfalls sein Mitarbeiter Jochen Klein. Der Projektleiter der geplanten Akademie erklärte, Daniel Liebeskind sei sehr froh über den Standort.

"Daniel Libeskind freut sich immer über Kontext, über Geschichte an einem Ort. Und auch, wenn es sich auf den ersten Blick vielleicht nicht jedermann erschließt, ist diese Halle ein architektonisch sehr hochwertiges Gebäude. Die Architektur ist sehr, sehr pur: Sie sehen dieses blaue Tragwerk und obendrauf die Sheds, die nach Norden ausgerichtet sind in sehr filigraner Sichtbetonweise - also ein hoher Detaillierungsgrad, der jedenfalls das Herz des Architekten höher schlagen lässt."

Die Akademie des Jüdischen Museums betrachte Daniel Libeskind als einen Teil des Gesamtensembles, sagte Projektleiter Jochen Klein. Libeskind werde die Formensprache, die er vor Jahren für das Haupthaus des Museums entwickelt hat, aufgreifen und ein Thema variieren, das auch dort eine Rolle spielt: Die Figur des Kubus.

Hintergrund: Diese Form galt dem Architekten bislang nur als Symbol für Waggon, Koffer, Reise und Exil. Also für Assoziationsräume des Verlassens und des Verlustes. Aber mittlerweile spricht der Kubus noch von etwas anderem: Heute machen die Nachlässe von Juden, denen einst die Flucht ins Exil gelang, eine Reise zurück nach Deutschland. In Kisten verpackt erreichen sie das Jüdische Museum in Berlin und gelangen in das dortige Archiv. Deswegen soll die Form des Kubus auch im geplanten Erweiterungsbau eine Rolle spielen.

Wie Jochen Klein erläuterte, wird der erste Kubus mit schrägem Dach die Fassade der bestehenden Markthalle zur Hälfte durchdringen und den Eingangsbereich der Akademie darstellen.

"Diesen Kubus nennen wir Eingangskubus, weil er das Gebäude nach außen repräsentiert, und gleichzeitig den Eingang und den Ausgang darstellt; es gibt einen weiteren Kubus, der die Bibliothek beinhaltet, im Halleninnern und einen dritten Kubus, der den Vortragssaal beinhalten wird. Und alle drei Kuben sind im Grunde genommen konzipiert in der Art, dass wir sie als Haus-im-Haus-System in diese historische Halle hineinsetzen und die Kuben selber werden geneigt."

Auch die Neigung und die Schrägen gehören zur Formensprache des Ensembles. Sie symbolisieren die immer latent vorhandene Bedrohung der jüdischen Kultur.

Die Kuben werden die Markthalle allerdings nur etwa zur Hälfte ausfüllen. Wie das weitere Hallenareal genutzt werden kann, ist noch offen. Unter Umständen wird hier irgendwann eine Art biblischer Garten entstehen. Aber für dieses himmlische Projekt fehlt auf Erden im Moment noch das Geld.