Meereswissenschaft

Das modernste Forschungsschiff der Welt

Das Tiefseeforschungsschiff "Sonne" liegt während seiner offiziellen Indienststellung am Bontekai in seinem Heimathafen Wilhelmshaven.
Das Tiefseeforschungsschiff "Sonne" © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Von Dietrich Mohaupt · 28.11.2014
116 Meter lang und 124 Millionen Euro teuer - das sind die Eckdaten des neuen Forschungsschiffs "Sonne". Sein Ziel wird es sein, die Meeresböden der Welt zu erkunden. Darüber ist nämlich bislang weniger bekannt als über die Rückseite des Mondes.
Es herrscht dichtes Gedränge auf der Brücke der "Sonne" – mitten im Gewusel steckt Peter Herzig. Der Chef des Kieler GEOMAR-Instituts für Ozeanforschung ist ein ganz bisschen neidisch auf die Wissenschaftler, die künftig auf der "Sonne" arbeiten dürfen. Er selber war jahrelang mit der alten "Sonne" auf den Weltmeeren unterwegs – ein tolles Schiff war das, betont er, aber eben doch nicht zu vergleichen mit dem neuen Forschungsschiff.
"Die Zeiten auf der alten 'Sonne' waren nicht schlecht, das waren legendäre Zeiten, und ich glaube sogar, dass wir mit der alten 'Sonne' partiell auch Meeresforschungsgeschichte geschrieben haben – aber das behauptet möglicherweise jede Generation von sich und ich gebe zu, dass ich gerne auch mit rausfahren würde in den Atlantik. GEOMAR hat ja die erste wissenschaftliche Ausfahrt jetzt von Las Palmas aus am 15. Dezember, wir enden dann in der Dominikanischen Republik sechs Wochen später."
Von Rohstoffexploraton bis Tsunamiforschung
Aber einfach mal eben so sechs Wochen weg – das geht als GEOMAR-Direktor eben nicht. Etwas wehmütig lässt Peter Herzig also anderen Wissenschaftlern den Vortritt. Die sollen in den nächsten Jahren überwiegend im Pazifik mit der "Sonne" sprichwörtlich "Licht ins Dunkel der Tiefsee" bringen. Das neue Schiff ist größter als sein Vorgänger, mit modernster Technik ausgerüstet – alles ist auf die Erforschung der Tiefsee ausgelegt. Und wenn Peter Herzig Tiefsee sagt, dann meint er auch Tiefsee.
"Das sehen Sie daran, dass die Sonne eine Winde hat mit einem stahl-armierten Kabel von 12 Kilometer Länge – das heißt rein theoretisch könnten wir damit auch den Marianengraben untersuchen, der etwas mehr als 11.000 Meter tief ist."
Bleibt die Frage: was soll denn die "Sonne" konkret – vielleicht nicht gerade in 11.000 Metern Tiefe – aber eben doch in der Tiefsee erforschen? Das Spektrum ist weit gespannt – es reicht von der Rohstoffexploration bis hin zur Tsunamiforschung.
"Wir untersuchen Manganknollen in den sedimentbedeckten Tiefseeebenen im Pazifik, wir beschäftigen uns mit Gashydraten die an den Kontinent-Rändern aber auch in den entsprechenden Tiefen auftreten, Schutz von Küstenregionen vor Naturgefahren – Stichwort Tsunamis. Die Tsunamis werden nicht direkt vor der Küste in der Regel ausgelöst sondern in tieferen Bereichen vor der Küste."
Fakt ist: die Menschheit weiß über die Tiefsee nicht annähernd so viel wie z.B. über unseren nächsten Nachbarn im All, den Mond. Genau darum ist die Tiefseeforschung auch für die Geophysikerin Heidrun Kopp immer wieder extrem spannend.
"Man muss sich klar machen: 70 Prozent der Erdoberfläche ist von Ozeanen bedeckt – wir wissen aber gar nicht, was am Meeresboden ist, was in der Tiefsee ist, das ist wirklich Neuland für sämtliche Forscher. Und zwar so extrem, dass wir u.a. die Rückseite des Mondes sehr viel besser kennen als die Meeresböden."
Es wird also wirklich Zeit, da mal Licht ins Dunkel zu bringen. An Bord der „Sonne" geschieht das u.a. im hydro-akustischen Labor tief unten im Bauch des Schiffes. Der Raum steht voll mit Computermonitoren – sie zeigen in verschiedenen Auflösungen und bunten Farben dreidimensionale Bilder vom Meeresboden, produziert von einem sogenannten Fächer-Echolot, das – anders als herkömmliche Systeme – breite Streifen am Meeresboden erfassen kann.
"Die Funktionsweise ist im Grunde genommen noch identisch – das sind Schallwellen, die man aussendet, hier aber nicht mehr ein einzelner Strahl, sondern es werden 152 Strahlen ausgesandt die am Meeresboden dann reflektiert werden und zurücklaufen in die Echolotzentrale des Schiffs."
2015 soll das Schiff den Pazifik erreichen
So kann zum Beispiel der Meeresboden in drei Kilometern Tiefe auf einer Breite von bis zu sechs Kilometern in einem Zug kartiert werden – und dabei werden noch einzelne Strukturen mit einer Kantenlänge von etwa 30 mal 30 Metern sichtbar. Noch genauer können sich die Wissenschaftler den Meeresboden bis 6000 Meter Tiefe – und alles was in der Tiefsee so kreucht und fleucht – mit einem ROV anschauen, einem Tauchroboter, für den Fritz Abegg verantwortlich ist.
"Das ROV – englisch 'remotely operated vehicle', das ferngesteuerte Tauchfahrzeug. Das bedeutet, das Gerät hängt an einem Draht – wobei ich mich selber korrigieren muss: Es hängt nicht, sondern dieser Draht ist nur eine Versorgung für Strom und Datenleitung. Das vehicel fährt selber aktiv runter mit elektrischen Motoren und wird von uns von einem Container von Deck aus gesteuert."
Das ROV verfügt über zwei hochauflösende Kameras und zwei Greifarme – Augen und Hände der Forscher in der Tiefsee. Geradezu ideale Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen wie Heidrun Kopp. Bedingungen, die das wochenlange Leben auf hoher See erträglich machen, auch wenn solche Forschungsreisen nicht unbedingt Kreuzfahrtflair verströmen – obwohl sie immer wieder in die schönsten Gegenden der Welt führen.
"Die Sonne ist ja kein Kreuzfahrtschiff – die Arbeiten laufen natürlich rund um die Uhr, weil wir wirklich jede Sekunde, jede Minute nutzen wollen, die wir an Bord hier zur Verfügung haben. Also – langweilig wird uns nicht, Abwechslung haben wir zu Hauf, und es ist für uns natürlich spannend, Gegenden am Meeresboden zu erkunden, die man vorher noch nicht gesehen hat und einfach zu erkennen, was gibt es da spannendes."
Anfang 2015 soll die "Sonne" ihr eigentliches Arbeitsgebiet erreichen – den pazifischen Ozean. Dort wird sie auf absehbare Zeit bleiben – in deutschen Häfen wird man das modernste Forschungsschiff der Welt in den nächsten Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen.
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