Medizinethik

Sollen Ärzte beim Suizid helfen dürfen?

Ein jüngerer Mensch umfasst das Armgelenk einer älteren Person, die im Krankenbett liegt.
Ein jüngerer Mensch umfasst das Armgelenk einer älteren Person, die im Krankenbett liegt. © picture alliance / dpa / Jm Niester
Moderation: Klaus Pokatzky · 25.10.2014
Die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein lehnt einen ärztlich assistierten Suizid ab: Patienten sollten stattdessen besser über Schmerztherapien aufgeklärt werden. Wolfgang Putz, Anwalt für Medizinrecht, betont dagegen das Recht auf Selbstbestimmung.
Sollen Ärzte ihren Patienten beim Suizid helfen dürfen? Diese Frage wird nicht erst nach dem Selbstmord des ehemaligen MDR-Intendanten Udo Reiter heftig diskutiert. Am 13. November will der Bundestag erneut über eine mögliche gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe beraten.
2015 sollen die Abgeordneten darüber abstimmen – rein nach ihrem Gewissen, ohne Fraktionszwang. Fragt man die Bürger, ist die Entscheidung klar: In einer aktuellen Emnid-Umfrage sprachen sich 77 Prozent der Bundesbürger für diese ärztliche Beihilfe zum Suizid aus, nur 17 Prozent dagegen. 70 Prozent würden selbst davon Gebrauch machen, wenn sie unheilbar krank wären.
"Ich würde dieser Bitte nicht entsprechen. Ich würde aber versuchen herauszufinden, warum es zu dieser Bitte kommt", sagt Prof. Dr. Claudia Bausewein, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin am Klinikum der Universität München.
"Ich bin seit über 25 Jahren in der Hospizarbeit tätig, seit 15 Jahren in der Palliativmedizin. Meine Erfahrung ist, dass die Fälle, über die wir jetzt reden - Patienten mit starken Schmerzen, mit einem unerträglichen Leiden -, dass wir für diese Menschen Alternativen haben. Dass wir durch Schmerztherapie und Symptomkontrolle gute Angebote haben. Und ich würde mit dem Patienten darüber sprechen, dass ein erster Schritt wäre, alle Maßnahmen zur Verlängerung seines Lebens zu unterlassen." Die Ärztin gehört zu einer Gruppe von Palliativmedizinern, die sich öffentlich gegen einen ärztlich assistierten Suizid aussprechen.
Beihilfe zum Suizid sei keine ärztliche Aufgabe: "Palliativmedizinische Betreuung bedeutet 'Sterbebegleitung', nicht Sterbehilfe, denn es ist eine Hilfe beim Sterben - und nicht eine Hilfe zum Sterben." Sie habe großen Respekt vor der einzelnen Entscheidung eines Menschen. "Aber ich fürchte einen Dammbruch." Wer garantiere, dass nicht irgendwann auch Druck auf alte unheilbar Kranke ausgeübt wird, ihr Leben mit ärztlicher Hilfe zu beenden?
"In solchen Fällen bin ich dafür, zu helfen"
"Der Fall von Herrn Reiter hat mich sehr bewegt", sagt Wolfgang Putz, einer der renommiertesten Anwälte für Medizinrecht in Deutschland. "Er hat so etwas von überzeugend gesagt, 'Mir kann niemand helfen, mit dem, was ich habe'. In solchen Fällen bin ich dafür, zu helfen."
Der Jurist beschäftigt sich seit langem mit Fragen rund um die Selbstbestimmung am Ende des Lebens; er berät seine Mandanten beim Verfassen von Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten, hat darüber auch Bücher geschrieben; eines seiner letzten Bücher trägt den Titel: "Sterben dürfen". Darüber hinaus lehrt er Medizinrecht und Medizinethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und berät Hospizvereine und Krankenhäuser.
"Es wird ja eh schon so gehandhabt, und es gibt eine große Dunkelziffer. Ich fände es besser, es würde ins Licht gestellt, als dass es weiter vertuscht wird."
Im Übrigen sei es Ärzten auch jetzt vom Gesetz her nicht verboten, ihren schwerstkranken Patienten beim Suizid beizustehen; es sei nur standesrechtlich verboten seitens der Bundesärztekammer.
So habe er auch im Fall eines unheilbar kranken Patienten beraten: "Wenn klar ist, dass der Mann nicht psychisch krank ist, sondern freiverantwortlich aus dem Leben gehen will, darf ein Arzt ihm ein Mittel bringen, er darf bei ihm bleiben, er darf ihm auch ein Beruhigungsmittel geben. Er muss ihn nicht retten, das ist ein verbreiteter Irrtum. Er darf ihn nur nicht töten, auch nicht auf seinen Wunsch. Der Mensch muss den letzten Schritt, der zum Tod führt, selbst machen."
Wolfgang Putz geht es dabei auch um die Menschenwürde: "Das Oberste ist, was seine Werte sind, was seine Würde ist." Und das könne nur jeder selbst bestimmen.

„Sollen Ärzte ihren Patienten helfen dürfen, sich selbst zu töten?"
Darüber diskutiert Klaus Pokatzky am Samstag von 9.05 bis 11 Uhr mit der Palliativmedizinerin Claudia Bausewein und dem Medizinrechtler Wolfgang Putz. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.

Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Claudia Bausewein
Über Wolfgang Putz
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