Medizin

Auf Tuchfühlung mit dem neuen Knie

Bei einer Operation wird ein künstliches Kniegelenk eingesetzt.
Die Knie-Operation ist Routine für die Ärzte, bedeutet aber sehr viel Aufregung für die Patienten. © picture-alliance/ dpa / Klaus Rose
Von Elmar Krämer · 10.04.2014
Knieschmerzen machen jede Bewegung zur Qual. In manchen Fällen hilft nur noch eine Prothese. Einige Patienten scheuen sich trotzdem. Mit Führungen durch den Operationstrakt versuchen Kliniken, die Angst abzubauen.
"So, die Herren gehen mit mir, die Damen mit Frau Doktor, und wir treffen uns dann drinnen."
"Gehen sie ruhig durch."
Im Umkleideraum vor der Schleuse in den OP-Bereich: Schmale Schränke, eine lange Bank. Erinnert an die Umkleide beim Schulsport, wären da nicht Regale, in denen grüne Hosen und Hemden, Kopfhauben, Mundschützer und grüne Gummischlappen bereitliegen. Für die Straßenkleidung ist hier nämlich die Führung zu Ende:
"So, was sollen wir jetzt anziehen? Erst ausziehen, was sie dann anziehen das zeige ich ihnen, das ist der nächste Schritt."
"Da wird noch einiges an Überraschungen heute kommen, glaube ich."
Dr. Johannes Knipprath, Chefchirurg der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie im Marien-Krankenhaus Berlin und sein Kollege Dr. Lemin leiten den Rundgang: sieben Patienten, drei Frauen, vier Männer, alle mit erheblichen Knieproblemen, spielen mit dem Gedanken, sich operieren zu lassen. Die jüngsten sind Anfang Fünfzig, der älteste Anfang Siebzig. Die meisten haben Operationserfahrungen und sich im Internet informiert, was beim Einbau einer Knieprothese auf sie zukommt. Ihre sportlichen Hobbies haben sie schmerzbedingt an den Nagel gehängt:
"Ich hoffe, dass ich nachher problemlos wieder Sport treiben kann."
"Gehen wir? Ja! Dann mal los."
Der Weg in den Operationssaal führt durch den Einleitungsraum, in dem der Narkosearzt den Patienten für die Operation vorbereitet. Es riecht nach Desinfektionsmitteln. In grüner OP-Kleidung geht die Gruppe hinein.
"Gehen sie ruhig durch, da ist ja jetzt keiner."
Sägen, Feilen, Schraubendreher
Auf dem OP-Tisch liegen, neben einem Modellbein aus Kunststoff, unterschiedlich große hochglanzpolierte Knie-Prothesen. Diese bestehen aus drei Teilen: einer gewölbten Überkronung für den Gelenkkopf des Oberschenkels, einem flachen Gegenstück für den Schienbeinkopf (beide aus Metall) und darauf aufliegend einem künstlichen Meniskus aus Kunststoff. Neben dem großen OP Tisch: Zwei kleinere Tische.
"Was sie hier sehen, das sind die Instrumententische."
Darauf: Sägen, Feilen, Schraubendreher - das Werkzeug für den letzten Schritt gegen die Knieschmerzen bei fortgeschrittener Arthrose.
"Wenn jemand eine Arthrose hat, dann ist der Knorpelüberzug des Oberschenkelknochens und des Unterschenkelknochens und oft auch der der Kniescheibe weg."
Was folgt ist nicht selten eine Kettenreaktion, erklärt der Arzt: Knochen reibt auf Knochen, Entzündungen an der Gelenkhaut entstehen und der Körper versucht das Knie zu versteifen, um schmerzhafte Bewegungen zu verhindern. Die potentiellen Patienten gucken besorgt, aber auch neugierig.
"Also so bin ich ein bisschen überrascht, dass hier so viele Geräte in dem OP-Raum stehen."
Eines dieser Geräte ist ein roboterartiger Computerrollwagen, der neben dem OP-Tisch steht. Auf dem Monitor ist ein digitales Bild des Knies zu sehen. Rote und blaue Kurven zeigen die ideale und die tatsächliche Beweglichkeit des Gelenks an. Der Arzt streckt und beugt das Kunstbein - der Computer zeichnet die Bewegungen auf und berechnet Schnitttiefen und Winkel. So können in der Operation auch O- oder X-Beinstellungen beseitigt werden erklärt Dr. Lemin.
"Was sie jetzt sehen, da steht 1° valgus, d.h. er gibt mir jetzt vor, ist das ein O- oder ein X-Bein und was ich jetzt hier machen kann, ist das ich dadurch, dass ich an einem Rädchen drehe mit eine Schraubenzieher um 0.5° weise ihr Knie so einstellen kann, wie ich es möchte, nämlich auf null Grad. Wenn das der Fall ist übernehme ich den Wert (Atmo Piep) und dann ist hier in dem Schneideblock ein Sägeschlitz, durch den mein Sägeblatt passt."
Patient: "Sie haben vorhin so Messpunkte hier unten abgenommen. Ich habe ein versteiftes Fußgelenk also Nägel und Schrauben drinne - hat das Einfluss?"
Arzt: "Nee."
Patient: "Bei der OP auch nicht?"
Arzt: "Nein, weil ihre Beinachse ist wie ihr Bein."
Patient: "Aha, OK."
Arzt: "Wir orientieren uns ja an Ihnen und nicht an einem Modell."
Mit der Leichtigkeit eines Kindes, das Legosteine zusammensetzt
Am Modell entfernt der Arzt die schadhaften Teile und passt die Prothese an, d.h. er wählt die richtige Größe aus. Das hat etwas von der Leichtigkeit, mit der Kinder Legosteine zusammensetzen. In einer echten OP ist das natürlich nicht ganz so einfach - durch die sogenannte computergestützte Operationstechnik aber dennoch ähnlich präzise. Das macht Hoffnungen, kann aber nicht alle Ängste nehmen:
Patient: "Ich hab Bammel davor, ich sag's ganz klar."
Arzt: "Das ist normal, dass man Bammel davor hat. Man muss gegeneinander abwägen, die Situation wie es jetzt ist mit dem Kniegelenk, gegen die Unannehmlichkeiten einer Operation - keiner lässt sich gerne operieren."
Aber wenn schon, dann bestmöglich Informiert - das finden die Besucher der Führung. Und Dr. Johannes Knippratz und sein Team wollen Vertrauen schaffen und natürlich auch Patienten auf die Angebote des Krankenhauses aufmerksam machen.
"Und wenn das fertig ist, dann haben sie ihr neues Knie, dann wird noch zugenäht und dann war's das."
Nach knapp 1,5 Stunden ist die Führung zu Ende. Etwas kürzer dauert die echte Operation. Und da folgt dann nicht eine Tasse Kaffee, sondern zehn Tage im Krankenhaus und ca. drei Wochen Reha. Die Gruppe trennt sich vor den Umkleiden und der Schleuse und die meisten sind sich sicher, dass es nicht mehr lange dauert, bis sie wieder in einen OP-Saal kommen - dann aber auf der Liege.
"Jetzt wo man weiß, was passiert und wie es passiert ist es beruhigender - ich werde mich in absehbarer Zeit operieren lassen."
"Damen dort, Herren dort entlang."
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