Medienpreis für Roberto Saviano

Merkel würdigt Anti-Mafia-Autor

Der italienische Journalist Roberto Saviano und Kanzlerin Angela Markel nach der Verleihung des M100 Medien-Awards 2016
Der italienische Journalist Roberto Saviano und Kanzlerin Angela Markel nach der Verleihung des M100 Medien-Awards 2016 © picture alliance / dpa /Ralf Hirschberger
Von Vanja Budde · 16.09.2016
In seinem Buch "Gomorrha" hat Roberto Saviano die engen Verflechtungen von Mafia und Politik enthüllt. Seit der Veröffentlichung versteckt er sich vor Auftragskillern. Für seine Arbeit erhielt er nun den Medienpreis M100. Die Kanzlerin würdigte bei der Verleihung Savianos Mut als beispielhaft.
Wie viele syrische Journalisten genau in den Folterkellern des Assad-Regimes sitzen, wissen wir nicht. Auch nicht, wie sie heißen und für wen sie gearbeitet haben. Bekannt ist, dass die türkische Regierung unter Präsident Erdogan seit dem Putschversuch Dutzende namhafte Autoren hat festnehmen lassen. Can Dündar, der ehemalige Fernsehmoderator und Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet" rief am Rande des illustren M100-Kolloquiums die deutschen Kollegen zur Solidarität auf.
Dündar: "Ich bitte darum: Nennen Sie diese Kollegen beim Namen, geben Sie ihnen Raum in ihren Zeitungen oder Radioprogrammen – und beobachten Sie ihre Fälle sorgfältig. Und wichtiger noch: Arbeiten Sie weiter an unseren Geschichten, die von der Zensur verhindert werden. Diese Solidarität wäre sehr effizient und sehr wichtig derzeit."

Sechs Jahre Haft für "Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen"

Can Dündar wurde schon im vergangenen Jahr wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen zu fast sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er hat Berufung eingelegt und seine Heimat verlassen.
Die Bundesregierung äußere sich zwar zur Situation in der Türkei, sagte der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", Christian Mihr, "aber was fast alle Stellungnahmen zur Pressefreiheit von den meisten Regierungsvertretern vermissen lassen, ist, dass man auch ganz konkret die Namen von verfolgten Journalisten nennt. Und wenn ein Regierungsvertreter sagen würde: Hier gibt es einen Can Dündar, hier gibt es einen Erzim Kosurucu und andere Journalisten, die hierzulande vielleicht weniger bekannt sind, und wenn die von deutschen Regierungsvertretern genannt würden ..."
Genau das tat wenig später Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hielt die Rede zur Verleihung des renommierten M100-Medienpreises. Der geht dieses Jahr an den italienischen Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano. Merkel hätte die Türkei nicht erwähnen und neuen Ärger mit Präsident Erdogan riskieren müssen. Doch die Kanzlerin sagte:

Merkel: Müssen Pressefreiheit auch in Europa verteidigen

"Wir müssen die Pressefreiheit immer wieder aufs Neue verteidigen und uns immer wieder daran erinnern, wie schnell sie in Gefahr geraten kann, auch bei uns in Europa. Da brauchen wir nicht allein an die Medien in der Türkei zu denken, deren Lage schwierig genug ist. Can Dündar, einer Ihrer Gäste hier in Potsdam, ist dafür ein Beispiel –ein sehr wichtiges."
Pressefreiheit verdiene diesen Namen nur, wenn sie auch gelebt werden kann, betonte Merkel.
"Das erfordert leider viel zu oft auch tatsächlich den Mut engagierter Journalistinnen und Journalisten, engagierter Autorinnen und Autorin. Sie, lieber Herr Saviano, verkörpern diesen Mut wie kaum ein Zweiter. Das macht Sie zu einem leuchtenden Beispiel und dafür gebühren Ihnen unser aller Dank und Respekt."

Von der Mafia mit dem Tod bedroht

Roberto Saviano hat vor zehn Jahren den inzwischen auch verfilmten internationalen Bestseller "Gomorrha" geschrieben. Darin beschreibt er minutiös die Verflechtung der italienischen Wirtschaft und Politik mit der Mafia. Für seinen Mut, deren Bosse beim Namen zu nennen, lebt Saviano seit zehn Jahren im Untergrund, von der Mafia mit dem Tode bedroht und auf Schritt und Tritt von Leibwächtern begleitet. Manchmal, sagt Saviano, wünschte er, das Buch damals nicht geschrieben zu haben. Gefragt, ob er seinen Artikel über türkische Waffenliegerungen an islamistische Terroristen noch einmal veröffentlichen würde, sagte Can Dündar:
"Natürlich. Es war meine, unsere Mission als Journalisten, die Wahrheit zu enthüllen. Ich tat meine Arbeit und sie war notwendig. Und die Regierung hat die Fakten nicht geleugnet, also stimmten sie. Und ich bin sehr glücklich, das getan zu haben."
Für gefährdete Autoren wie Can Dündar oder Roberto Saviano seien Auszeichnungen wie der M100-Medienpreis ein Stück Lebensversicherung, betonte der Chefredakteur der "Zeit", Giovanni di Lorenzo.
"Ich stehe hier", sagte Lorenzo, "weil ein Abend wie dieser dazu beiträgt, Saviano in seiner Heimat wieder ein Stück sicherer zu machen. Es ist nämlich ein großartiges Zeichen der Solidarität, das er hier in Potsdam erlebt durch die Anwesenheit von Ihnen allen und durch die Verleihung dieses Preises."
Saviano rief dazu auf, Nationalisten und Populisten die Stirn zu bieten, und die komplexen Probleme Europas nicht zu vereinfachen. Dann könne es gelingen, mit Empathie und Überzeugungskraft die Dinge zum Besseren zu wenden. Seinen Preis widmete Saviano verfolgten Kollegen in der Türkei.
(tmk)
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