Medienpädagogik bei der Republica

Wie sich Games und Politik gegenseitig verändern

Ein Computerspieler auf der "Gamescom" in Köln.
Krieg, Migration, Überwachung und Umweltschutz: Viele aktuelle politische Themen fließen in Computer- und Videospielen ein. © picture alliance / dpa / Foto: Oliver Berg
Von Teresa Sickert · 02.05.2016
Games sind politisch! Doch das Potenzial von Computer- und Videospielen, zum Beispiel für die politische Bildungsarbeit, wurde nicht immer erkannt. Auf der Republica in Berlin blickt man nun auf zehn Jahre medienpädagogische Arbeit mit Games zurück - und zieht Bilanz.
"Jeden Vollmond zieht die wilde Jagd über den Himmel. Sie entführen unsere Kinder ins Unbekannte. Manche künden von einer zweiten Konjunktion."
The Witcher 3 - eines der beliebtesten Spiele des vergangenen Jahres spielt in einer mittelalterlichen Fantasywelt, die droht im Chaos zu versinken. Eine blutige Geschichte in einer kriegsgebeutelten Welt. The Witcher 3 ist Entertainment, besticht mit einer brillianten Grafik und einer komplexen Spielwelt - und ist politisch. In jedem Game steckt ein Stück Politik. So lautet zumindest eine der Thesen zur medienpädagogischen Arbeit mit Games, die die MedienpädagogInnen Anne Sauer und Tobias Miller aufgestellt haben.
Tobias Miller: "Denn die werden ja von irgendjemandem entworfen und diejenigen haben auch politische Ansichten und lassen das da mehr oder weniger auch mit einfließen und sie setzen uns Themen vor, die da heißen: Krieg, Migration, Überwachung, Umweltschutz. Und das sind alles politische Themen und auch sehr aktuelle Themen. Das findet sich in den Games wieder."

Spieler wollen vor allem gewinnen

Doch was bedeutet das? Das Aufgreifen eines aktuellen Themas - zum Beispiel Krieg - führt nicht zwangsläufig zu einer tieferen Auseinandersetzung. Spieler wollen vor allem eins: vorankommen und gewinnen. Die moralischen und gesellschaftlichen Aspekte des Krieges spielen eine untergeordnete Rolle. Selbst politische Games machen nicht automatisch politisch. So lautet eine weitere These von Tobias Miller:
"In einem Shooter gewinne ich dann, wenn viel schieße und möglichst viel treffe. Das ist so das rein Funktionale und das hat nichts mit Bedeutung zu tun. Wenn ich darüber hinaus eine Story habe, dann kann ich die natürlich wahrnehmen. Muss es aber nicht. Das ist so ein bisschen der Unterschied. Wenn ich mich in einen Roman vertiefe, dann habe ich natürlich einen anderen Zugang.
Die Debatte um Gewalt in Spielen hat zu einer Politisierung von Gamern und Politikern geführt. Spieler und Spielerinnen fühlten sich stigmatisiert: Gewaltspiele und Amokläufer wurden in engen Zusammenhang gesetzt.
Die Gamer-Community protestierte gegen die negative Darstellung. Die Politik ihrerseits sah sich gezwungen, das Thema auf die Agenda zu heben. Games seien damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ihre Probleme würden auch im Kontext von Spielen besprochen, sagt Tobias Miller:
"Was wir beobachtet haben - auch teilweise unangenehm, weil es sehr mit Hatespeech verbunden war - ist, dass gesellschaftspolitische Themen wie rassistische oder frauenfeindliche Stereotype dann im Zusammenhang mit Games diskutiert wurden. Zum einen, weil sie Inhalte von Spielen waren. Aber auch weil danach auf den Gamingplattformen weiterdiskutiert wurde."

Gesellschaft und Spiele haben viele Parallelen

Themen, die von Gamern besprochen werden sind gesellschaftliche Themen. Immerhin spielen laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom aus dem letzten Jahr, 42 Prozent der Deutschen Computer- oder Videospiele. Und es werden immer mehr.
Es ist also nicht überraschend, dass Tobias Miller und Anne Sauer ihre gesammelten Thesen zu "Politik und Games” auf der Republica präsentieren. Die Konferenz ist wie die Gamercommunity aus der Nische heraus zu gesellschaftlicher Relevanz herangewachsen. Und Gesellschaft und Spiele haben viele Parallelen.
Anne Sauer: "Spiele geben ja bestimmte Regeln vor. Da beginnt es schon. Wir haben im Spiel genauso Regeln wie in der Gesellschaft auch. Entweder wir folgen diesen Regeln, dann können wir in diesem Spiel erfolgreich sein oder wir folgen den Regeln nicht. Dann finden wir womöglich tolle andere Inhalte des Spiels oder wir können das Spiel eben nicht bestehen."
Diese Analogie nutzen Anne Sauer und Tobias Miller in der medienpädagogischen Praxis. Mithilfe von Spielen kommen sie ins Gespräch über politische Themen. Mit den Games als Vehikel erreichen sie Menschen, die sich sonst nicht für Politik interessieren. Sie holen die Leute mit dem ab, was sie gerne tun: Zocken!
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