Matschie fordert Ende der "unnötigen" Diskussion

Christoph Matschie im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 14.07.2009
Der thüringische SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Christoph Matschie hat seine Partei aufgefordert, die Debatte über die umstrittene Rentengarantie zu beenden. Jetzt gehe es darum, dass alle zu der getroffenen Entscheidung stünden, sagte Matschie mit Blick auf die von Finanzminister Peer Steinbrück geäußerte Kritik.
Birgit Kolkmann: Wie sicher sind die Renten? Die alte Frage sorgt für neuen Streit im aktuellen Bundestagswahlkampf. Und weil Finanzminister Peer Steinbrück die gerade erst von Bundesregierung und Bundesrat auf den Weg gebrachte und beschlossene Rentengarantie schon wieder infrage stellt, gibt es neue Verunsicherung bei Rentnern und den Jüngeren, die irgendwann oder bald schon Rentner sein werden, und natürlich in der SPD, die sich elf Wochen vor der Wahl ein Eigentor schießt und ein Bild der Zerrissenheit abgibt. Christoph Matschie ist einer der jüngeren SPD-Politiker, Partei- und Fraktionschef in Thüringen, jetzt am Ortszeit-Telefon. Schönen guten Morgen!

Christoph Matschie: Guten Morgen, Frau Kolkmann!

Kolkmann: Herr Matschie, sorgt Peer Steinbrück gerade dafür, dass Angela Merkel die Wahl im Schlafwagen gewinnen kann, um ein Wort von Franz Müntefering zu variieren?

Matschie: Nein, das glaube ich nicht. Die Debatte, die hier geführt wird, ist ja eine Debatte, die auch in der Bevölkerung da ist, nämlich die Frage: Wie kriegen wir eine vernünftige Balance zwischen den Ansprüchen der älteren Generation und den Lasten, die die jüngere Generation im Arbeitsleben zu tragen hat? Ich sage aber auch, uns helfen hier keine aufgeregten Debatten. Peer Steinbrück hat die Rentengarantie mitgetragen im Kabinett, sie ist im Bundesrat beschlossen, damit kommt sie. Ich finde das sinnvoll, es ist ein Signal der Stabilität an die Rentnergeneration, auch gerade in der gegenwärtigen Konjunktursituation bei diesem Wirtschaftseinbruch ein wichtiges Signal: Die Renten sinken nicht, euch bleibt die Rente so erhalten, wie sie in diesem Jahr ist.

Kolkmann: Das klingt alles - Pardon, wenn ich Sie unterbreche - sehr ans Aktuelle gebunden. Das mag ja auch stimmen für dieses und fürs nächste und vielleicht auch fürs übernächste Jahr, aber was Peer Steinbrück doch wohl meint ist, dass das, was jetzt beschlossen wird - so eine Garantie - den späteren Generationen auf die Füße fällt. Das heißt: Wenn man zum Beispiel in 2025 in Rente gehen soll, das ist dann ungefähr auch Ihr Alter, Sie haben ja morgen Geburtstag und werde 48. Haben Sie da ein bisschen unsicheres Gefühl selbst?

Matschie: Zunächst mal: Ich würde Ihnen recht geben, wenn wir damit rechnen müssten, dass in den nächsten Jahren häufig die Einkommen sinken. Das ist aber nicht so, das wird die Ausnahme sein, wirklich die absolute Ausnahme, und deshalb ist es richtig, in dieser Konjunkturkrise zu sagen: Falls im nächsten Jahr die Einkommen sinken sollten, bleibt es trotzdem beim jetzigen Rentenzahlbetrag. Das ist ein richtiges Signal.

Eine andere Frage ist: Was passiert langfristig? Da hat die SPD durchgesetzt, dass der Renteneintritt sich verschiebt, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre schrittweise angehoben wird. Erreicht wird dieses Eintrittsalter dann im Jahre 2029, um die richtige Balance zwischen Älteren und Jüngeren zu finden. Denn sehen Sie, als ich geboren wurde 1961 bezogen Rentner im Durchschnitt zehn Jahre lang Rente. Heute beziehen sie im Durchschnitt 17 Jahre lang Rente. Gleichzeitig gibt es im Verhältnis von Rentnern und Erwerbstätigen eine deutliche Verschiebung, es gibt mehr Rentner, weniger Erwerbstätige. Darauf musste die Politik reagieren, und deshalb die Einführung der Rente mit 67, die ab 2012 dann beginnen soll, ab 2012 muss man dann 65 Jahre und einen Monat arbeiten, im darauffolgenden Jahr 65 Jahre und zwei Monate und so weiter.

Kolkmann: Und man muss immer länger arbeiten, um dann immer weniger Rente zu bekommen als die Rentner, die sich jetzt noch, im Durchschnitt jedenfalls, freuen können über eine Rente, für die sie da mal gearbeitet haben. Kommen wir aber einfach mal jetzt zum Zustand der SPD. Glaubwürdigkeit ist ja nun gefragt im Wahlkampf, so was ist auch wahlentscheidend. Was richtet denn diese Diskussion, glauben Sie, jetzt an? Sie wird ja auch als schwere Panne gewertet.

Matschie: Nun, zunächst einmal noch zu Ihrer Bemerkung, dass dann die Renten immer weiter sinken. Ich will noch mal auf den Zusammenhang hinweisen: Wie hoch die Rentenzahlungen tatsächlich sein werden, nicht in abstrakten Prozentzahlen, das wird von der Wirtschaftskraft abhängen, und deshalb muss es darum gehen, erstens Deutschland wirtschaftlich stark zu halten, und zweitens dafür auch zu sorgen, dass die Älteren auch länger im Arbeitsleben bleiben können. Heute scheiden noch zu viele Menschen früh aus.

Zur Debatte, die da geführt wird: Das ist eine Debatte, die in der Gesellschaft da ist, die viele Menschen umtreibt, die älteren genauso wie die jüngeren. Wie sicher ist das System, wie sind die Lasten verteilt? Diese Debatte wird auch öffentlich geführt, auch in der SPD. Natürlich wünsche ich mir, dass wir jetzt auch die Debatte wieder beenden, denn eine Entscheidung ist da und wenn sie gefallen ist, sollte man sie nicht nachträglich infrage stellen.

Kolkmann: Ist es eine schwere Panne gewesen, die Peer Steinbrück da angezettelt hat?

Matschie: Ich finde die Diskussion unnötig. Nachdem die Entscheidung getroffen worden ist, sollten alle auch zu dieser Entscheidung stehen.

Kolkmann: Wenn Sie die Diskussion unnötig finden, ist das eine Auffassung. Auf der anderen Seite dürfte diese Diskussion etwas anrichten, wenn es Sie sehr viele Wählerstimmen kostet, und Sie brauchen jede Stimme. Was bedeutet das dann für die SPD? Dass sie sich irgendwann auch nicht mehr in der Großen Koalition in Berlin wiederfindet, sondern auf der Oppositionsbank?

Matschie: Ich glaube nicht, dass diese Debatte zum jetzigen Zeitpunkt der SPD schadet, denn es ist eine Debatte, die auch in der Gesellschaft geführt wird und es wäre eher seltsam, wenn die Politik völlig schweigen würde zu diesem Thema. Ich finde aber, jetzt, wo die Entscheidung da ist - sie ist im Kabinett gefallen, einstimmig, sie ist vom Bundesrat bestätigt worden vor wenigen Tagen -, sollten alle auch sagen, das ist es jetzt, darauf könnt ihr euch verlassen.

Kolkmann: Würden Sie Ihren Finanzminister auch gerne ein bisschen zurückpfeifen?

Matschie: Es geht nicht um zurückpfeifen, sondern es geht darum, dass jetzt alle auch zu der getroffenen Entscheidung stehen.

Kolkmann: Nun hat ja der neue SPD-Chef in Bayern gestern gesagt, Peer Steinbrück solle lieber mal in Urlaub fahren. Das war ja wohl deutlich, die Ansage.

Matschie: Jeder muss selbst abschätzen, wie er damit umgeht. Ich glaube, wir sollten die Schärfe aus der Debatte herausnehmen. Wir wissen, dass es eine Diskussion ist, die unsere Gesellschaft beschäftigt. Wir haben aber auf der anderen Seite jetzt eine Entscheidung getroffen, und dabei sollte es bleiben, ohne dass man da Aufgeregtheit oder Schärfe hineinbringt.

Kolkmann: Christoph Matschie war das, SPD, Partei- und Fraktionschef in Thüringen, morgen hat er übrigens Geburtstag, wird 48, wir wünschen Ihnen jetzt schon mal eine gute Feier, einen guten Tag. Glückwünsche gibt es natürlich heute noch nicht, Herr Matschie! Vielen Dank für das Gespräch!

Matschie: Bitte schön!