Mathematiker Erhard Behrends

Finanzakteure waren "relativ blind"

Ansicht der DAX-Kurve auf der Anzeigetafel der Börse
Kursverlauf der DAX-Aktien an der Frankfurter Börse © dpa / Frank Rumpenhorst
Erhard Behrends im Gespräch mit Christian Rabhansl · 28.11.2015
Mathematik ist das Steuerungsinstrument unserer hochtechnisierten Welt. Ignorieren die Mathematiker die Risiken in Bezug auf die praktische Anwendung von Mathematik? Verweigern sie die Debatte? Der Mathematikprofessor Erhard Behrends weist diese Kritik zurück.
Der Mathematikprofessor Erhard Behrends weist die Kritik zurück, Vertreter seines Fachgebiets verweigerten sich der kritischen Debatte zu den Folgen ihrer Forschung.
Angesichts der Analyse des Journalisten Klaus Peter Weinert, Mathematiker würden sich keiner offenen Debatte über die Folgen ihrer Wissenschaft stellen, verwies Behrends im Deutschlandradio Kultur auf nachzulesende Antworten in den Kommentaren der Deutschen Mathematiker-Vereinigung zum Thema Verantwortung der Mathematik für die Finanzkrise. Dabei hätten die Mathematiker diese Rolle zurückgewiesen: "Und das ist eben so, dass sich die Finanzakteure relativ blind auf die mathematischen Modell verlassen haben. Wobei die Mathematiker immer gesagt haben, liebe Leute, das ist ein vereinfachtes Modell der Wirklichkeit. Wir verwenden die Normalverteilung und die Normalverteilung ist nicht gut dafür geschaffen, große extreme Abweichungen wahrscheinlichkeitstheoretisch zu modellieren", erklärte der Professor am Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin (FUB) mit dem Spezialgebiet Funktionsanalyse und Wahrscheinlichkeitstheorie.
Zum Vorwurf, Mathematiker stellten sich nicht ihrer ethischen Verantwortung für eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente unserer hochtechnisierten Welt, machten sich keine Gedanken über die gesellschaftlichen Folgen ihrer Arbeit, verwies Behrends darauf, dass gerade in der Mathematik Erkenntnisse oft ohne jeglichen konkreten Anwendungsbezug entstünden. So sei schlicht "nicht voraussagbar", welche Anwendungen oft erst Jahre oder sogar Jahrhunderte später konkret daraus entstünden: Das sei "ein Problem das man eigentlich für alle Grundlagenwissenschaften gleichermaßen sieht" , sagte Behrends. Zudem gebe es in der Regel sowohl positive wie negative Anwendungsmöglichkeiten, dabei sei die demokratische Gesellschaft gefragt, negativen Anwendungsmöglichkeiten zu begegnen.
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