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Total "verarscht"

Manches Praktikum bringt für den Praktikanten außer Ärger wenig. Viel Arbeit, stupide Arbeiten, kein Geld oder unangemessene Bezahlung. Da scheint der Praktikant manchmal nur billige Arbeitskraft zu sein. Geprellte Praktikanten berichten.

Von Jens P. Rosbach | 30.10.2004
    Katja: Irgendwann war ich so wütend, dass ich nicht mehr konnte. Und ich merkte, wie es in mir gebrodelt hat. Ich war wütend, ich hab mich ausgenutzt gefühlt, ich hatte kein Geld und hab auch nichts gelernt.

    Am Anfang klang alles super. Ein Praktikum in einer PR-Agentur mit Schwerpunkt Politikberatung! Spannende Kontakte zu Parteien und Verbänden! Brisante Lobbyarbeit! Doch dann kam die Ernüchterung für Katja. Die 27jährige Wirtschafts-Studentin hatte bloß Adressen in den Computer einzugeben, wochenlang.

    Das ist für mich kein Praktikum, wo man was lernt, das ist irgendwann stupide Arbeit.

    Eigentlich sollte Katjas Praktikum drei Monate lang dauern - so wie es ihre Fachhochschule verlangt. Doch als die Hälfte der Zeit um war, hatte sie genug.

    Katja: Ich hab dann meine Sachen zusammengepackt, hab auch die Projekte, die ich dann angefangen hatte, alle Daten, alles was ich fertig gemacht habe, ordentlich übergeben, und bin dann gegangen und hab mich wirklich frei gefühlt. Ich bin rausgegangen, hab wirklich einen Jubelschrei losgelassen und wusste, das es richtig war, einfach zu sagen: Nö, das mach ich nicht!

    Wolfgang: Ich fühlte mich total ausgebeutet und auch total gedemütigt.

    Auch Wolfgang musste böse Erfahrungen machen. Der Design-Absolvent hat kürzlich ein Praktikum bei einer neuen Zeitschrift gemacht – und wurde regelrecht übers Ohr gehauen.


    Wolfgang: Es war verabredet, dass ich 600 Euro kriege pro Monat und ich hab gar nichts gekriegt. Und ich´ hab halt zu ihm gesagt: finden sie das nicht selbst traurig? Das hat er dann auch ganz freimütig zugegeben: Ja, er findet das auch bedauerlich, aber er kann`s mir jetzt einfach im Moment nicht bezahlen. Ja, toll!

    Fabian: Die Begründung ist ja immer: Aaach uns geht’s ja auch grade gar nicht gut und hin und her, aber sie haben irgendwie Riesenbüroräume in der besten Lage und teuer eingerichtet und aber eben 430 Euro sind nicht übrig für einen Praktikanten. Das ist ja nicht ganz glaubwürdig.

    So auch die Klage von Fabian, einem Studenten der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Fabian arbeitete bei einer Fernseh-Produktionsfirma – unendgeldlich, aber fulltime. Und mit Überstunden.

    Fabian: Also Überstunden ist ja generell... also kann man gar nicht mehr sagen, dass man keine macht, ist man ja sowieso gleich wieder raus.

    Bei einem anderen Praktikum konnte sich Fabian unentbehrlich machen; sein Arbeitgeber bat ihn deshalb um eine Verlängerung. Fabian bekam sogar Geld.

    Fabian: Und dann hätten sie mich gerne noch länger behalten und hab ich gesagt, nee, dann müsst ihr mich einstellen, wenn ich jetzt noch länger Praktikant bleiben soll. Und da kam dann so: Frag doch deine Eltern, ob die dich nicht noch ein bisschen finanzieren wollen. Und das fand ich also wirklich.... das war echt frech.

    Katja, Wolfgang und Fabian wollen ihren vollständigen Namen nicht nennen. Wie viele andere ehemalige Praktikanten auch befürchten sie, dass sie in der Branche als "Nestbeschmutzer" gelten könnten, wenn sie öffentlich über ihre Erlebnisse sprechen.

    Wolfgang: Ich hatte natürlich auch Angst letztendlich, dass wenn das andere Leute hören, dass ich dann halt keine Arbeitsstelle mehr finde.

    Katja: Also es ist schon ein kleines bisschen so, dass man nicht unbedingt drüber sprechen möchte, weil: man wurde ja verarscht. Und wer sagt denn schon gern von sich, dass man so eine Erfahrung gemacht hat.

    Viele Überstunden, kein Geld, nichts gelernt – die Ex-Praktikanten sind vorsichtig geworden. Ausbeuten lassen wollen sie sich nicht noch einmal.

    Katja: Ein großes Problem ist auch, wenn jetzt Studenten fertig sind, und Absolventen sind, dass dann viele Absolventen ne feste Stelle suchen und dann jetzt Praktika machen. Wirklich viele Praktika hintereinander. Und die sind dann halt sehr billig, hoffen auf einen festen Job, hoffen so den Einstieg zu bekommen und ich befürchte, weil ich auch bald fertig bin, dass es mir im Prinzip genauso gehen könnte, dass ich auch in diese Schiene komme von Praktika zu Praktika und dass es dann doch nicht klappt und man dann am Ende wusste: Okay, ich gehe - und es kommt der nächste Praktikant.