Martin Amis Roman "Interessengebiet"

Geselliges Leben in der Hölle

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Der englische Schriftsteller Martin Amis © picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Martin Amis im Gespräch mit Frank Meyer · 17.09.2015
Der "Bad Boy" der englischen Literatur, Martin Amis, hat einen Roman über Auschwitz geschrieben. Im Mittelpunkt von "Interessengebiet": Eine Liebesgeschichte zwischen Nazis. Er habe herausfinden wollen, ob die Liebe - als stärkste Macht überhaupt - Schaden an einem solchen Ort nehme, so Amis.
"Interessengebiet", der neue Roman von Martin Amis, ist von der deutschen Kritik insgesamt verhalten aufgenommen worden. Das liegt zum Teil auch an der Frage, ob eine Geschichte über die Liebe eines SS-Obersturmführers zur Frau des Lagerkommandanten von Auschwitz etwas Neues über den dunkelsten aller Orte erzählen kann. Oder vielleicht einfach nur obszön ist.
Wie kam Amis überhaupt auf die Idee, Auschwitz als Hintergrund für eine groteske Satire zu wählen?
"Romane erreichen den Schriftsteller in Gestalt eines kurzen Telegramms aus dem Unbewussten", sagte er im Deutschlandradio Kultur.
Er habe herausgefunden, so Amis, dass es auch im KZ ein "reiches geselliges Leben" mit Kindern, Tanzveranstaltungen und Kinoabenden gab – in dem der eheliche und außereheliche Verkehr "durchaus ohne Weiteres einzufädeln war". Das sei der Startpunkt für seinen Roman gewesen.
Sein Hauptinteresse bildete sich dann aber um die Frage herum, ob die "starke Macht" der Liebe – "die stärkste Kraft überhaut, die letztlich ja die Welt zusammenhält" – Schaden in einer solchen Umgebung nimmt.
Der Nationalsozialismus war auch selbstzerstörerisch und lächerlich
Es ist bereits das zweite Buch von Amis über den Holocaust. Seine Beschäftigung mit dem Morden der Nazis gehe auf eine "entscheidende" Begebenheit in der Kindheit zurück, sagte er: Im Alter von acht oder neun Jahren habe er seine Mutter gefragt, was es denn mit Hitler, den Schornsteinen und den Eisenbahngleisen auf sich gehabt habe. Seine Mutter habe ihn daraufhin getröstet:
"Mach Dir keine Gedanken, Du bist blond und hast blaue Augen – Hitler hätte Dich gern gehabt."
Der Nationalsozialismus habe in vielerlei Hinsicht etwas ausgesprochen Widersprüchliches, Selbstzerstörerisches und Lächerliches gehabt, betonte Amis. Deswegen sei es fast unvermeidlich, das Thema auch mit den Mitteln der Satire zu bearbeiten. Er hätte sich jedenfalls niemals träumen lassen, einmal beim Schreiben über den Nationalsozialismus in "versonnenes Gelächter" ausbrechen zu müssen, so Amis.
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