Mark Reeder zum Brexit-Referendum

"Das ist alles nur Propaganda"

Musikproduzent Mark Reeder
Musikproduzent Mark Reeder in seiner Wahlheimat Berlin © picture alliance/dpa/Foto: Rolf Kremming
Mark Reeder im Gespräch mit Timo Grampes · 20.06.2016
Der Musikproduzent Mark Reeder ist Ende der 70er aus Manchester nach Berlin gekommen. Er ist gegen einen Brexit: Die Befürworter hätten einen kleinen Horizont und würden nicht erkennen, welche Vorteile die EU für England habe.
Der britische Ex-Premierminister Gordon Brown hatte kürzlich gewarnt: Kommt der Brexit, der Austritt aus der Europäischen Union, würde Manchester zu dem werden, was es in den 80er-Jahren schon einmal war: "industrial wasteland" - industrielles Ödland.
Manchester sei jedoch schlimmer gewesen, als Gordon Brown es beschreibt, sagte der Musikproduzent und Labelchef Mark Reeder im Deutschlandradio Kultur.
"Er hat das überhaupt nicht erlebt. Er kommt aus anderen Verhältnissen… Das wahre England, was ich und meine Freunde erlebt haben, hat er nicht wirklich erlebt. Ich habe am Stadtrand gewohnt in einem Council House, einer Sozialbauwohnung, mit meinen Eltern. Die waren so richtig Arbeiterklasse-Leute. Mein Vater war schon so ein richtiger Sozialist, kann man sagen. Das war schon sehr, sehr hart."
Seine Eltern und Mark Reeder hatten einen Job, die meisten Menschen in der Gegend seien aber arbeitslos gewesen.
"Die haben alle von Sozialunterstützung gelebt. Das war schon sehr, sehr schwierig."

Keine Sehnsucht nach England

Er habe nie Sehnsucht nach England gehabt, sagte der gebürtige Brite. Er fühle sich in Deutschland und Berlin schon immer wohl.
"Hier ist mein Zuhause, hier fühle ich mich wirklich wohl."
Die englische Mentalität frustriere ihn nur. Das merke er jetzt auch im Zuge des Brexit-Referendums:
"Das ist immer Schwarz-Weiß. Ich finde, die meisten Leute, die so herumheulen, die haben einen kleinen Horizont. Die sehen nicht, was diese Mitgliedschaft Großbritannien gebracht hat. Die sehen nur ihre Seite und diese Seite ist - jetzt. Und wie sie heute diese Seite sehen, ist ganz schrecklich. Die Entscheidung, die irgendwie getroffen wird, ist für die Zukunft, ist für ihre Kinder und ihre Kindeskinder."
Das seien die Menschen, die später unter einem Brexit leiden werden, so Mark Reeder.
Mark Reeder, britischer Musiker, Produzent und Labelbetreiber, im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Mark Reeder, britischer Musiker, Produzent und Labelbetreiber, im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio / Manuel Czauderna
Reeder ist dafür, in Europa zu bleiben. Seine Befürchtung ist, dass England mit einem Austritt aus der EU politisch weiter nach rechts driftet, die rechten Parteien stärker werden, und das Land sich in die Richtung des Rechtextremismus bewege:
"England hatte noch nie eine rechte Partei an der Macht gehabt. Aber wenn Grenzen aufgebrochen werden, das passiert automatisch, dann kommen sie dahin."
Man müsse ein Für und Wider eines Brexit abwägen, sagte Reeder. Die Parole der Brexit-Befürworter "Wir wollen unser Land zurück" sei inhaltslos, "das ist alles nur Propaganda".

Es gab wenig Perspektiven in England

Mark Reeder hatte Manchester damals verlassen, weil es für ihn wenig Perspektiven in England gab.
"England ist in die EU erst 1975 eingegliedert worden. Ich habe meinen ersten Reisepass erst 1976 bekommen, und ich habe sofort damit begonnen, Europa zu bereisen. Früher war es sehr schwierig, zu reisen. Und als ich gesehen habe, dass in anderen Ländern die Qualität am Leben etwas anders war, das hat mich schon sehr interessiert."
Mehr zum Thema