Marie Marcks

Grande Dame der Karikatur ist tot

Die Karikaturistin Marie Marcks im Mai 2014.
Die Karikaturistin Marie Marcks im Mai 2014. © picture alliance / dpa / Jochen Lübke
Von Georg Gruber · 08.12.2014
Die Karikaturistin Marie Marcks ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Sie gilt als Chronistin der Frauen- und Umweltbewegung der 1970er- und 80er-Jahre. Als einzige Frau zeichnete sie 25 Jahre lang Karikaturen für die "Süddeutsche Zeitung".
Marie Marcks: "Nee, nee ich bin keine Menschenfreundin, ich bin nur interessiert an Menschen."

Marie Marcks, wer ihre Zeichnungen kennt, liebt sie - beide, Marie Marcks und die Zeichnungen.
Marie Marcks: "Ich konnte das, was mich ärgert, raus lassen, hm? Und natürlich möglichst über den Umweg des drüber lachen könnens."

Ihre Bilder dokumentieren den Alltag der Bundesrepublik der 70er und 80er-Jahre, als alles noch ganz anders war: Weniger glatt, engagierter, alternativer, peinlicher, die Feindbilder klarer, die Fallhöhe größer, genauso wie die Ansprüche an eine bessere Welt, die möglich erschien. Eine Welt, die bedroht war durch Atomraketen und Waldsterben.
Alltag mit fünf Kindern
25 Jahre lang war Marie Marcks politische Karikaturistin für die "Süddeutsche Zeitung", als einzige Frau. Bekannter wurde sie mit ihren Zeichnungen, ihren Bildergeschichten aus dem normalen Leben:

Marie Marcks: "Das sind ja oft Tagebücher, die ich über meine Kinder und mich gezeichnet habe, natürlich mit der nötigen dichterischen Freiheit, aber so wie es eigentlich auch wirklich war."

… mit fünf Kindern: Das alltägliche Chaos in einer Großfamilie von den scheiternden Erziehungsversuchen der gestressten Mutter bis zu den Beziehungsproblemen der Kinder. Gezeichnet mit leichtem Strich, mit Wortwitz und wolkigen Sprechblasen.

Auch von anderen Satirikern wird sie geschätzt, so wie von F.W. Bernstein, einem der Mitbegründer der "Titanic", für die sie auch zeichnete:
F.W. Bernstein: "Ich hab's mal erlebt mit einer Kollegin, einer Wissenschaftskollegin, die hat ein großes Marie-Marcks-Plakat gehabt, die arbeitende Frau, die nie zum arbeiten kommt, zum wissenschaftlich Arbeiten, der Haushalt, die Waschmaschine, die Kinder kommen, und die saß ingrimmig davor: 'so isses, genauso isses'. Also dieses 'genauso isses', diese Verdoppelung, diese Erleichterung, dass man sieht, ah, das ist ja schon öffentlich und nicht bloß ein privater Mangel, das ist ein Zeichen auch von einer guten Satire."
Atombombenversuche machen sie zur Karikaturistin
Die Amerikaner sind schuld daran, dass sie Karikaturistin wurde. Genauer, die Atombombenversuche auf dem Bikiniatoll:
"Da dachte ich, jetzt ist es wieder soweit, dass man eingreifen muss, so lange es vielleicht noch möglich ist. Wie soll ich eingreifen mit zwei Kindern? Die hatte ich schon, allein, das Wort allein erziehend, das war noch nicht erfunden, aber ich hatte zwei Kinder allein zu hause, aber wie kann ich einwirken, ja mit den Mitteln , die ich so ein bisschen kann, und da hab ich meinem Vater, meine Mutter lebte ja nicht mehr, geschrieben, was er davon hielte, wenn ich politische Karikaturistin würde, und dann schrieb er: Ich würde dazu raten, dich erst einmal politisch zu informieren. Und das hab' ich dann wirklich auch getan."

Marie Marcks wurde zu einer frühen Warnerin, vor Atomkraft und Waldsterben, lange bevor es den Begriff überhaupt gab. Und sie war eine Feministin der ersten Stunde, ohne dogmatisch zu sein:

"Ich bin ja selten beleidigt, aber wenn die behaupten, ich hätte nie gekocht, dann bin ich richtig beleidigt."(lacht)

"Die" - das sind ihre Kinder.

"Das ging alles immer irgendwie, aber, das hab ich auch noch zu Hause, ich hab' mal so einen Zeitplan gefunden, wo eigentlich meine Zeit bleibt, ich hab' das über vier Wochen gemacht, da bin ich immer auf 16, 17, 18 Stunden am Tag gekommen, und die kleinste Zeit war die berufliche Arbeit, alles andere mit fünf Kindern in die Schule gehen, mit den Lehrern sprechen, waren natürlich alle schlecht in der Schule, klar, ja. Aber ich hatte außerdem noch einen Beruf und Geld Verdienen am Hals."