March for Science

US-Wissenschaftler sieht "Gefahr für die Forschung"

Wissenschaftler demonstrieren am 19.02.2017 in Boston, USA, gegen die Trump-Regierung und für die Anerkennung der Bedeutung der Wissenschaft
Bereits im Februar gab es erste Proteste von Forschern gegen die Wissenschaftspolitik von US-Präsident Trump. © picture alliance / dpa / Christina Horsten
22.04.2017
Der Klimawandel - eine Lüge? Die Evolution - eine Erfindung? Gegen den Abschied von belegbaren Fakten geht jetzt die Wissenschaft auf die Straße. Der Geophysiker Peter Schlosser von der New Yorker Columbia University ist alarmiert von drohenden Mittelkürzungen der Regierung Trump.
Beim March for Science wollen am 22. April 2017 in zahlreichen Städten weltweit Menschen für eine unabhängige Wissenschaft auf die Straße gehen. Sie demonstrieren dafür, "dass wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage des gesellschaftlichen Diskurses nicht verhandelbar sind", heißt es auf der Website der Organisatoren.
Der Geophysikprofessor Peter Schlosser von der New Yorker Columbia Universität befürchtet, dass die US-Regierung missliebige Forschungsfelder finanziell austrocknet und hofft, dass der "March for Science" ein Bewusstsein dafür schafft, wie wichtig Forschung für die Zukunft unserer Gesellschaft ist.

Zweifel des US-Präsidenten spiegeln sich in den Kürzungen

Die von der neuen US-Regierung geplanten Budgetkürzungen, die noch von der Legislative beschlossen werden müssen, würden in gravierendem Ausmaß sowohl Klima- und Umweltforschung als auch Forschung im Bereich der Gesundheit betreffen, warnte der Leiter des Departments of Earth an Environmental Engineering der Columbia University im Deutschlandradio Kultur.
Der Zweifel der Trump-Regierung beispielsweise am Klimawandel spiegele sich direkt in den Mittelkürzungen: Betroffen seien Behörden, die Forschung in diesem Bereich und zur Umwelt- und Nachhaltigkeit förderten.
"Damit stellt das natürlich eine direkte Gefahr für die Forschung in diesen Bereichen im amerikanischen System dar", erklärte der Geophysiker, der zur Ozeanzirkulation und der Rolle der Ozeane und ihrer Bedeutung für Klimaveränderungen forscht.

Drastische Einschnitte in der Forschungsförderung drohen

Schlosser zeigte sich alarmiert von den drohenden Einschnitten: Die geplanten Kürzungen im Etat der Umweltbehörde, der nationalen Gesundheitsforschung, aber auch bei Einrichtungen wie der National Science Foundation oder der National Oceanic and Atmospheric Administration, die viele Umweltsatelliten und Beobachtungssyteme finanzierten, würden zu einer Schwächung der Forschung in diesen Bereichen führen, da das amerikanische Forschungssystem im Unterschied zum deutschen sehr viel abhängiger von Drittmitteln sei.
"Man hat bei der Gesundheitsbehörde eine 18-prozentige Kürzung vorgeschlagen, bei der Umweltbehörde eine 31-prozentige Kürzung vorgeschlagen. Das sind natürlich Zahlen, die schlagen sich unmittelbar auf die Stärke der Forschung nieder. Und man kann in sehr kurzer Zeit recht lang anhaltende Schwächungen durchsetzen." Er rechne damit, dass die Forschung "über Jahre bis Jahrzehnte daran knabbern würde."

Marsch für die Anerkennung der Bedeutung von Wissenschaft

Auch sein Institut würde bei einer Umsetzung der Pläne unmittelbar Fördergelder verlieren, berichtete Schlosser weiter. Im Kollegium sorgten sich die Forscher sowohl um das Wissenschaftssystem als auch teilweise um ihre persönliche Zukunft. Insbesondere Forscher, die mit Drittmittel arbeiteten kämpften auch mit "ganz konkreten Ängsten."
Schlosser erhofft sich vom "March for Science", dass die Demonstration der Gesellschaft "wieder ins Bewusstsein rufen kann, wie grundlegend wichtig Forschung, über die Umweltthematik hinaus, generell für die Zukunft der Gesellschaft ist".

Rund 170 Organisationen haben zum March for Science am 22. April 2017 aufgerufen, darunter die rennomiierte American Association for the Advancement of Science (AAAS). Der Wissenschaftsmarsch wird nur vor dem Weißen Haus in Washington DC, sondern über 500 Städten weltweit stattfinden. In Deutschland gehen Wissenschaftler und Unterstützer unter anderem in Berlin, München, Heidelberg und Dresden auf die Straße. "Wenn wissenschaftlich fundierte Tatsachen geleugnet, relativiert oder alternative Fakten als gleichwertig gegenübergestellt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen, wird jedem konstruktiven Dialog die Basis entzogen", so die Initiatoren.


Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Wer schon nicht ein ganz ungetrübtes Verhältnis zur Geografie hat, wer Belgien für eine schöne Stadt hält und die Fahrt eines Flugzeugträgers nach Nordkorea mit einer Weltumrundung verbindet, der tut sich vielleicht schwer, hinter die Geheimnisse der Geophysik zu blicken.
Dafür wiederum gibt es Menschen wie Peter Schlosser, Professor an der Columbia University in New York, wo heute einer von vielen Marches of Science stattfindet. Wissenschaftler in aller Welt gehen auf die Straße, um für Forschung und gegen Fake News zu protestieren. Denn was Peter Schlosser als Forschung bezeichnet, das hält der amerikanische Präsident Donald Trump womöglich für Fake. Denn geht es nach Trump, findet so etwas wie der Klimawandel erst gar nicht statt. Guten Morgen beziehungsweise guten Abend nach New York, Herr Schlosser!
Peter Schlosser: Guten Morgen!
Welty: Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte, das sind die Wasserbewegungen in den Ozeanen und deren Bedeutung für Klimaveränderungen. Wenn Sie nur drei Sätze Zeit haben: Was muss der amerikanische Präsident unbedingt darüber wissen?
Schlosser: Was er wissen sollte, ist, dass der Ozean natürlich ein großer Bestandteil des Klimasystems ist und dass der Ozean einen Großteil der Wärme, die wir im Überschuss erzeugen, speichert. Und damit müssen wir natürlich auch verstehen, wie der Ozean in sich funktioniert und welche Kapazitäten er dafür hat, diese Klimaveränderungen mit zu moderieren.
Welty: Trump glaubt nicht an den Klimawandel, das hat er mehr als einmal deutlich gemacht. Wie wird sich das wohl auf die entsprechende Forschung auswirken? Denn die dürfte er ja für ziemlich sinnlos halten.
Schlosser: Es gibt ja einen gewissen Haushaltsvorschlag, der Mitte März bekannt wurde, und in dem wird schon recht deutlich, dass sich die Meinung oder die Haltung zur Klimaforschung, aber auch etwas breiter, zur Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung auch dann in vorgeschlagenen Kürzungen der Haushalte von den Behörden niederschlägt, die diese Forschung fördern. Und damit stellt sich natürlich dann auch eine direkte Gefahr für die Forschung aus diesen Bereichen im amerikanischen System dar.
Welty: Was heißt das konkret zum Beispiel auch für Ihr Institut? Worauf stellen Sie sich ein?
Schlosser: Wenn die Vorschläge, die aus dem Weißen Haus kommen, umgesetzt würden, dann müssten wir tatsächlich, würden wir durch eine sehr harte Phase gehen. Wir würden Forschungsgelder verlieren aller Wahrscheinlichkeit nach, und damit natürlich würde die Gesamtinstitution geschwächt werden.
Welty: Wie gehen Sie damit um? Wie wirkt sich das beispielsweise auch aus auf die Stimmung?
Schlosser: Die Stimmung ist im Moment natürlich nicht besonders optimistisch, und das geht von der Sorge um das Gesamtwissenschaftssystem bis hin zu ganz konkreten Ängsten um die persönliche Zukunft von Forschern, vor allem Forschern, die auf sogenanntem Soft Money arbeiten, das heißt auf Drittmittelgeldern. Und damit ist natürlich dann auch die Atmosphäre an dem Institut sehr gedämpft.
Welty: Versucht man das aufzufangen, indem man vielleicht auch in vorauseilendem Gehorsam politisch genehme Schwerpunkte ausweist? Erleben Sie den einen oder anderen Kollegen, der in dieser Richtung denkt, denken muss?
Schlosser: So weit hat sich das noch nicht entwickelt. Ich glaube, man versucht eher, sich zu überlegen, wie man die Forschung so ausrichten kann, dass man im Rahmen der jetzigen Zielstellung immer noch gewisse Ziele erreichen kann. Das Ausweichen auf andere Forschungsrichtungen ist eigentlich im Moment meiner Meinung nach nicht besonders ausgeprägt.
Welty: Wie viel Einfluss hat die amerikanische Administration überhaupt auf Forschung und Lehre? Was ist jetzt unter Trump anders als unter Obama?
Schlosser: Jede Regierung, jede Administration hat großen Einfluss auf die Forschung. Das amerikanische System ist ja sehr viel abhängiger von Drittmitteln wie zum Beispiel das deutsche System. Und wenn man sich mal so anguckt, welche Kürzungen vorgeschlagen sind, dann sind in den Agenturen oder Behörden, die Umweltforschung fördern, wie zum Beispiel die National Science Foundation oder NOAA, die National Oceanic and Athmospheric Administration, die viele Umweltsatteliten und Beobachtungssysteme finanzieren, Kürzungen im Bereich Klima von bis zu 20 Prozent in der Diskussion.
Aber es geht auch darüber hinaus. Zum Beispiel die Gesundheitsbehörde, da ist eine 18-prozentige Kürzung vorgeschlagen. Man hat bei der Umweltbehörde eine 31-prozentige Kürzung vorgeschlagen. Das sind natürlich Zahlen, die schlagen sich dann direkt auf die Stärke der Forschung nieder, und man kann in sehr kurzer Zeit recht langanhaltende Schwächungen durchsetzen. Wenn es sich tatsächlich so auswirken würde, wie das vorgeschlagen ist, würde ich erwarten, dass man da über Jahre bis vielleicht sogar Jahrzehnte hin dran knabbern würde.
Welty: Was versprechen Sie sich in diesem Zusammenhang vom heutigen March of Science?
Schlosser: Man hofft ja, dass man der Bevölkerung, der Gesellschaft als Ganzes wieder in Erinnerung rufen kann, wie grundlegend Forschung – das geht über die Umweltforschung hinaus –, Forschung generell für die Gesellschaft, für die Zukunft der Gesellschaft, wie wichtig sie dafür ist. Und dass man dann auch praktisch Fürsprecher findet in der breiteren Gesellschaft. Nicht nur in den Kreisen der Wissenschaftler oder Universitätsangehörigen, sondern einfach eben im allgemeineren Kreis.
Welty: Wissenschaftler demonstrieren für die Freiheit von Lehre und Forschung beim heutigen March of Science. Darüber habe ich mit Peter Schlosser in New York gesprochen, Professor an der dortigen Columbia University. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!
Schlosser: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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