Marathon

Blindes Vertrauen

Die blinde Läuferin Regina Vollbrecht mit Betreuer Ralf Mielke
Die blinde Läuferin Regina Vollbrecht mit ihrem Betreuer Ralf Mielke in Berlin während des 35. Halbmarathons im März 2015 © picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache
Von Thomas Jaedicke · 26.04.2015
Mehrmals in der Woche trainiert die blinde Sozialarbeiterin Regina Vollbrecht, etliche Marathons liegen bereits hinter hier. Fast immer ist ihr Begleiter Ralf Mielke dann an ihrer Seite. Ein Schnürsenkel verbindet das Laufpaar und das schon seit fünf Jahren.
Wenn Regina Vollbrecht einen Marathon läuft, steht sie am Start mit ihrem Lauf-Guide immer ganz vorne, rechts.
"Der Vorteil ist, wenn wir von vorne starten. Wir laufen unser Tempo, und wir müssen überholt werden. Und so kommen wir irgendwann dann in den Laufbereich, wo unser Lauftempo ist, ganz automatisch rücken wir einfach nach hinten."
Regina Vollbrecht ist seit ihrer Geburt blind. Schon als Kind war Sport ein wichtiger Teil ihres Lebens. Nachdem sie lange Goalball spielte, entdeckte sie vor 15 Jahren den Reiz des Langstreckenlaufens. Zum Ausgleich zu ihrem Beruf als Sozialarbeiterin in einer Einrichtung für Sehbehinderte trainiert die 38-Jährige fünf Mal pro Woche. Ganz einfach loslaufen kann Regina Vollbrecht natürlich nicht, weil sie zum Üben und für die Rennen immer einen Begleitläufer braucht, der sie per Zuruf auf Hindernisse aufmerksam macht. Läufer und Guide müssen ein eingespieltes Team sein, sich blind vertrauen. Regina Vollbrecht gibt das Tempo vor.
"Das ist ein ganz schlechtes Gefühl, wenn man selber an der Grenze ist und merkt, dass auch der Guide an der Grenze ist. Man ist da wie so eine kleine Symbiose und irgendwie macht einen das noch kaputter, wenn man spürt, dass der Guide auch fertig ist."
"Ich hab ganz viel gelernt, weil für mich war das ja völlig neu. Ich hatte mit Blinden nie zu tun. Ich habe´ne neue Welt entdeckt. Regina kannte ja das alles schon."
Mit einem Schnürsenkel verbunden
Seit fünf Jahren sind Ralf Milke und Regina Vollbrecht, die 2010, beim Marathon in Frankfurt, den Weltrekord für sehbehinderte Frauen auf 3 Stunden 15 Minuten und 49 Sekunden verbesserte, ein Läuferpaar. Während sie nebeneinander laufen, sind sie über einen Sportschnürsenkel mit Schlaufe verbunden, den beide an den Enden in die Hand nehmen. Kennengelernt haben sie sich in ihrem Verein Prosport Berlin 24. Schon bei ihrer ersten Verabredung hatte Ralf Milke gemerkt, dass er für diese neue Aufgabe ganz anders denken muss.
Mielke: "Wir standen 20 Meter auseinander, an ´nem Sportstadion, wo man sich zum Laufen trifft. Und dazwischen war aber ein Kassenhäuschen, und Regina stand hinter dem Kassenhäuschen. Ich kam aber nicht auf den Gedanken zu gucken, weil ich ja vorne ganz sichtbar stand, wo mich ja jeder sieht."
Regina Vollbrecht läuft mit verschiedenen Guides. Wenn Sie merkt, dass ein Läufer nicht mehr kann, wechselt sie ihre Begleiter manchmal sogar während des Rennens. Nach anfänglichen Berührungsängsten gibt es jetzt auch im Verein immer mehr Leute, die auf sie zukommen, sie ansprechen, von der Umkleidekabine mit in die Halle nehmen oder abwechselnd mit ihr trainieren.
"Jetzt ist es für die Gruppe selbstverständlich geworden. Aber das ist halt ein Prozess."
Regina Vollbrecht genießt das Vereinsleben. Sie fühlt sich voll integriert.
"Wenn es normal wäre, dass Behinderte in Sportgruppen wären oder von der Schule angefangen....Dann müsste niemand: ´Ach, wie mach ich das denn jetzt? Oder: ´Wie soll ich helfen?´ Dann wäre das einfach selbstverständlich."