Managen im Hintergrund: Arzthelferin

Gute Nerven und drei Telefone gleichzeitig

Arztpraxis in Wenholthausen im Hochsauerland
Arztpraxis in Wenholthausen im Hochsauerland © picture alliance / Klaus Rose
Von Axel Schröder · 21.02.2017
Arbeitswelten in Deutschland: Wir haben einen Vormittag in einer Hamburger Hausarztpraxis mitgehört. Hier ist die Arzthelferin Stefanie Hartung die erste Anlaufstelle für die Patienten. Für ihren Job braucht sie Einfühlungsvermögen und Organisationstalent. Reich wird sie nicht.
Stefanie Hartung behält den Überblick. An einem von drei Telefonplätzen nimmt die Arzthelferin Anrufe entgegen und kümmert sich, wenn es mal nicht klingelt, um Rezepte, und Überweisungen, plant Untersuchungen.
"Wir haben zwei Arbeitsplätze, die im Hintergrund sind: Telefondienst, Anfragen, Mails bearbeiten. Manchmal auch noch den Technikbereich mit abdecken, sprich: EKGs, Langzeit-EKGs, Ergometrien vorbereiten. Das machen wir dann, wenn wir personell gut besetzt sind. Ansonsten übernimmt das die Kollegin, die im Labor arbeitet."
Laut Tarifvertrag verdient sie nach 31 Berufsjahren rund 2500 Euro im Monat. Drei Ärztinnen und drei Ärzte leiten die Praxis, das Wartezimmer ist voll. Ärztliche Ratschläge darf Stefanie Hartung den Patienten nicht geben. Aber sie darf die Anrufer auf Selbstverständlichkeiten hinweisen:
"Die Beschwerden sind jetzt nicht besser geworden? Ja, aber die Frage ist jetzt: Er hat ihnen das Antibiotikum und das Schmerzmittel ja gegeben, damit die Tonsillitis eben behandelt wird. Ohne das wird es ja nicht gehen!"

Alle Patienten-Daten erscheinen am Monitor

Seit 1986 arbeitet Stefanie Hartung als Arzthelferin. Damals wurden noch alle Unterlagen auf Papier bearbeitet. Heute schaut sie vor sich auf den Monitor, gibt den Namen und das Geburtsdatum ein und hat dann Einblick in die Krankengeschichten der Anrufer.
"Wer behandelnder Arzt ist ... - ich könnte mir aufrufen, welche Medikamente er bekommt. Die Formulare wie Rezept, häusliche Krankenpflege, das ist alles einsehbar hier."
Die Arbeitsverdichtung hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, erzählt die Arzthelferin. Aber einige Dinge sind auch gleichgeblieben: Noch immer gibt es Patienten, die sich über lange Wartezeiten ärgern und ihren Frust am Personal auslassen. Dabei sei der Ablauf und die Einhaltung der Termine nur bedingt planbar.
Dazu kommen zu viele Patienten spontan und ohne Termin und bringen die Planung durcheinander. Diese Patienten müssten dann aber in jedem Fall aber länger warten als diejenigen mit einem Arzttermin.
Damals wie heute ist zudem viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen nötig. Etwa wenn ein Patient am Telefon zwar eigentlich sofort kommen möchte, aber nicht erzählen will, worum es überhaupt geht:
"Die Patienten haben natürlich erst einmal eine Hemmschwelle, mir zu erzählen, warum sie jetzt kommen. Ich persönlich sage dann auch: 'Darf ich fragen, warum?' Und dann öffnen sich die Patienten natürlich und geben dann die Information. Weil sie merken, dass sie da schon ein bisschen weitergehen müssen und warum es eben nicht nächste Woche erst sein kann. Und so findet man dann zusammen. Dass ist alles in einem zeitlichen Rahmen abzuwickeln, man muss da schon schnell agieren können. So sieht das eben aus.
Ich müsste jetzt nochmal kurz rangehen... -
Gemeinschaftspraxis Alsenstraße. Hartung, guten Tag!"

Urlaubsgrüße von langjährigen Patienten

Hinter Stefanie Hartung hängen Postkarten an der Wand. Urlaubsgrüße von langjährigen Patienten. Und im Regal steht noch die Box mit den noch übriggebliebenen Süßigkeiten aus der Weihnachtszeit. Der persönliche Kontakt zu den Patienten ist der Arzthelferin wichtig.
"In der Hausarzt-Praxis hat man noch viel diesen persönlichen Kontakt. Ich habe auch viele Jahre in einer Facharzt-Praxis gearbeitet, kardiologisch. Und da hat man einen kurzen intensiven Kontakt mit den Patienten, aber der Patient ist eigentlich fast nur eine Nummer. Muss man so sagen. Die kommen auf Überweisung, die kriegen ihre Ergometrie oder ihren Ultraschall vom Herzen und gehen wieder mit den Befunden."
Beim Telefondienst sitzt sie konzentriert vor dem Monitor, den Hörer am Ohr, bedient die Maus, mit einer Hand die Tastatur. Schnell umschalten, sich einstellen auf die Menschen am anderen Ende der Leitung. Nebenbei der Auszubildenden Abläufe und Vordrucke erklären, kurze Absprachen mit den Ärzten treffen. Zum Glück sitze ich nicht den ganzen Tag vor dem Monitor, erzählt Melanie Hartung. Zum Glück wechselt sie den Arbeitsplatz nach ein paar Stunden:
"Dann hat man meinetwegen vormittags Anmeldung und nachmittags, wenn man noch einen 'Restdienst' in Anführungsstrichen hat, meinetwegen von zwölf bis zwei, bin ich dann vielleicht noch im Labor, übernehme dann. Wir machen eine Übergabe für den Arbeitsplatz – und dadurch bin ich dann auch mal woanders und habe dann den Kopf nicht so voll, weil ich die ganze Zeit dann schon sechs Stunden telefoniert habe."

Schicksalsfälle, die sehr berühren

Dann nimmt sie Blut ab, verkabelt die Patienten auf dem Ergometer, legt ihnen Langzeit-EKGs an, kümmert sich um Abstriche, Stuhl- und Urinproben, verbindet Arme und Beine, trägt Salben auf, erklärt Medikamente. Und versucht professionell mit dem kleinen und großen Leiden der Patienten umzugehen:
"Es gibt schon Schicksalsfälle, die mich persönlich berühren. Aber solche Sachen ... - das ist unser Job. Das machen wir jeden Tag. Da können wir uns persönlich auch nicht so viel einbringen, als dass ich das auch noch mit nach Hause nehme. Für mich ist wichtig, einen Patientenkontakt zu haben. Aber wenn ich die Praxis verlasse, dann ist auch Schluss."
Stefanie Hartung schaut auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, dann ist es zwölf, dann wird für zwei Stunden der Anrufbeantworter eingeschaltet. Dann herrscht endlich Ruhe bei der Arbeit.
"Wenn das Telefon aus ist, atmen wir alle mal tief durch."
"Gemeinschaftspraxis Alsenstraße, Hartung. Guten Tag!"
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