"Man kann nicht immer nur über mehr Soldaten reden"

Moderation: Hanns Ostermann · 30.01.2008
Die FDP hat dafür plädiert, sich beim Engagement in Afghanistan auf zivile Aufgaben zu konzentrieren. So müssten die Anstrengungen bei der Polizeiausbildung und beim Wiederaufbau verstärkt werden, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger. Angesichts des schlechten Ausrüstungsstands der deutschen Soldaten sei die Entsendung einer schnellen Eingreiftruppe fragwürdig.
Hanns Ostermann: "Uns fehlen Soldaten!" Eindringlich mahnte gestern der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe ISAF – der amerikanische General Dan McNeill. Nach seiner Einschätzung werden 7500 Soldaten gebraucht, denn die Kämpfe gegen die Taliban verlaufen bei weitem nicht so erfolgreich wie erhofft.
Die Mitglieder der NATO stehen in der Pflicht - auch Deutschland. Offiziell erhielt gestern das Verteidigungsministerium die Bitte, 250 Soldaten für Kampfeinsätze der schnellen Eingreiftruppe im Norden Afghanistans bereitzustellen – und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Ex-Generäle haben einmal mehr auf Missstände bei Auslandseinsätzen hingewiesen.
Über die Konsequenzen wollen wir mit Birgit Homburger reden. Sie ist die sicherheitspolitische Sprecherin der Freien Demokraten und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Guten Morgen Frau Homburger!

Birgit Homburger: Guten Morgen!

Ostermann: Die Arbeitsgruppe bemängelt unter anderem Führungsfehler und eine übertriebene Bürokratie. Sollten nicht erst diese Probleme beseitigt werden, bevor man die 250 Soldaten an den Hindukusch schickt?

Homburger: Zunächst einmal muss man sagen, dass der Bericht der Generäle keine grundsätzliche Kritik beinhaltet, sondern zahlreiche Probleme aufzeigt, die abgestellt werden müssen, und das ist auch eine unserer Forderungen. Allerdings wird man nicht alle diese Dinge, die hier angesprochen werden, einfach sofort abstellen können. Wir erwarten von Seiten der Bundesregierung zunächst einmal, dass sie einen ehrlichen Umgang mit dieser angefragten Aufgabe pflegt. Das bedeutet, dass eben die schnelle Eingreiftruppe nicht nur Patrouillen macht, Absicherungsaktivitäten, Evakuierung, sondern dass es hier ganz klar auch um offensive Operationen geht - das heißt also um Kampfeinsätze. Das darf die Bundesregierung der Öffentlichkeit nicht verschweigen, wenn sie einem solchen Einsatz am Ende zustimmen sollte. Und - das ist für uns die absolute Bedingung – sie muss klar Auskunft darüber geben, ob die nötigen Kräfte verfügbar sind und die nötige Ausstattung und Ausrüstung in vollem Umfang zur Verfügung gestellt werden kann. Eine Entscheidung für die Übernahme dieser Aufgabe ist für uns nur verantwortbar, wenn die Ausstattung und Ausrüstung dem Auftrag angemessen sind. Das ist die Bedingung, die auf jeden Fall erfüllt sein muss.

Ostermann: Damit haben die Generäle ja doch offensichtlich den Finger in die Wunde gelegt, wenn Sie sagen die Ausrüstung muss sichergestellt werden. Die Ausrüstung wurde auch beispielsweise bei Auslandseinsätzen von früheren Generälen kritisiert. Das heißt, ein Teil der Soldaten wird auch möglicherweise im Regen stehen gelassen, oder wäre das zu scharf formuliert?

Homburger: Wir haben auch als FDP-Bundestagsfraktion immer wieder darauf hingewiesen, dass hier Mängel abgestellt werden müssen. Das betrifft beispielsweise die Frage der gepanzerten Fahrzeuge, die nicht in genügendem Umfang zur Verfügung stehen. Das betrifft die Frage des Lufttransports insbesondere auch nachteinsatzfähiger Hubschrauber. Das betrifft die Frage von Störsendern für ferngesteuerte Sprengsätze. Hier haben wir jeweils auch als FDP-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag der Bundesregierung deutlich gemacht, dass wir erwarten, dass die Zulieferung schneller erfolgt, und es sind auch erste Maßnahmen ergriffen worden, aber das reicht uns nicht aus. Wir wollen, dass sichergestellt wird, dass das, was die Truppe vor Ort für ihren Einsatz braucht, dann auch im Einsatz zur Verfügung steht. Da hat die Bundesregierung in der Tat Nachholbedarf und sie hat Fragen zu beantworten.

Ostermann: Sie meinen damit natürlich speziell auch den Bundesverteidigungsminister?

Homburger: Selbstverständlich ist der Bundesverteidigungsminister derjenige, der dafür zuständig ist, dass die Soldatinnen und Soldaten in ihrem gefährlichen Auslandseinsatz die entsprechende Ausstattung und Ausrüstung erhalten. Dafür muss Sorge getragen werden. Und wenn in dem Bericht der Generäle dann beispielsweise kritisiert wird, dass selbst beim sogenannten einsatzbedingten Sofortbedarf aufgrund von Bürokratie nicht alles sofort geliefert wird, wie vielleicht der Begriff meinen lassen könnte, dann ist vor allen Dingen diese Bürokratie sofort abzustellen. Auch das haben wir im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages bereits thematisiert und wir erwarten, dass die Bundesregierung, dass der Bundesminister der Verteidigung hier nicht nur mit uns darüber spricht, sondern Maßnahmen ergreift, um das abzustellen.

Ostermann: In jedem Fall wird das Aufgabenspektrum der Soldaten erweitert. Deckt sich das eigentlich mit dem Mandat?

Homburger: In der Tat ist es so, dass diese schnelle Eingreiftruppe nach den Tornados eine erneute Erweiterung des Aufgabenspektrums der Bundeswehr bedeuten würde, wenn man es dann tatsächlich macht, und es hat ganz klar eine neue Qualität. Allerdings ist es so, dass auch heute schon Kampfeinsätze unter dem bestehenden geltenden Mandat möglich sind, und deshalb ist es so, wenn die Bundesregierung sich innerhalb der mandatierten Personalobergrenze von 3500 Soldatinnen und Soldaten bewegt, dann muss sie das Parlament nicht erneut beteiligen und kann das selbständig entscheiden.

Ostermann: Es fragen sich trotzdem viele: Was kommt als nächstes – der Kampfeinsatz im Süden? Stolpern wir planlos möglicherweise in ein immer größeres Abenteuer?

Homburger: Das kommt für uns jedenfalls als FDP-Bundestagsfraktion nicht in Frage, dass immer eine weitere Ausweitung des Einsatzes erfolgt. Wir wollen, dass das Augenmerk auch sehr viel stärker gelegt wird auf den Wiederaufbau, auf zivil-militärische Zusammenarbeit, und dass die Bereiche, die von zentraler Bedeutung sind, dass Afghanistan selbst die Aufgaben zur Sicherung des Landes wahrnehmen kann, dann auch vorangetrieben werden. Das bedeutet, dass die Polizeiausbildung verstärkt werden muss, die Militärausbildung verstärkt werden muss und dem Justizvollzug auch höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, also dem Aufbau einer entsprechenden staatlichen Institution auch in Afghanistan. Da bin ich doch auch der Meinung, dass man nicht immer nur über mehr Soldaten reden kann, sondern dass es auch eine Aufgabe der Bundesregierung insgesamt ist, nicht nur des Verteidigungsministers, sondern auch des Außenministers und der anderen beteiligten Ministerien, dafür zu sorgen, dass der Wiederaufbau im Mittelpunkt steht, dass die Menschen in Afghanistan auch wissen, dass wir dort sind, um ihnen zu helfen, dass es dabei Fortschritte gibt und dass das auch wirklich erkennbar ist. Insbesondere bei der Polizeiausbildung haben wir dramatische Mängel, die abgestellt werden müssen, und wir erwarten, dass diese Fragen vor allen Dingen in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht immer nur die militärischen Fragen.

Ostermann: Frau Homburger, Sie können sich natürlich andererseits auch den Wünschen der NATO nicht entziehen und wenn ein Fachmann wie der amerikanische General sagt "uns fehlen 7500 Soldaten", dann steht doch auch Deutschland in der Pflicht.

Homburger: Deutschland hat eine wesentliche Aufgabe bereits in Afghanistan übernommen. Wir haben die Führung in der Nordregion. Wir haben im Augenblick ein Mandat mit 3500 Soldatinnen und Soldaten. Wenn jetzt noch diese schnelle Eingreiftruppe dazu kommen sollte, dann leistet Deutschland wirklich Erhebliches. Ich sehe nicht, dass wir die Kapazitäten dafür hätten, auch noch in den Süden zu gehen. Das kommt nicht in Frage. Das ist einfach nicht leistbar und ich finde, dass Deutschland auch selbstbewusst auftreten sollte und kann, weil wir nämlich sehr viel bereits auch für die Verbündeten in Afghanistan zur Verfügung stellen. Wenn ich allein an den Lufttransport denke, da wäre mancher Einsatz anderer Nationen nicht möglich, wenn nicht die Deutschen hier den Lufttransport sicherstellen würden. Also ich glaube, man muss auch hier in aller Deutlichkeit sagen: wir sind einer der größten Truppensteller. Wir leisten hervorragende Arbeit. Die Soldatinnen und Soldaten in der Nordregion machen eine hervorragende Arbeit. Das finde ich, sollte auch anerkannt werden. Eine weitere Ausweitung in den Süden ist für uns nicht möglich.