Malware Museum

Die ersten Computerviren sind museumsreif

Ein schwarzer Computerbildschirm, auf dem in Weiß das Porträt Erich Honeckers zu sehen ist, darunter die Aufschrift: "Hiermit wurde Ihre Autoexec auf Anweisung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik gelöscht. Erichs letzte rache! P.S. Ich komme wieder!".
Der Honecker-Computervirus aus dem Jahr 1994 soll leicht zu knacken gewesen sein und keinen großen Schaden angerichtet haben. © dpa/ picture-alliance/ Jens Büttner
Von Mike Herbstreuth  · 30.03.2016
Sie spielten die russische Nationalhymne oder ließen bunte Schlieren über den Bildschirm wabern: die ersten Computerviren. Der Finne Mikko Hypönnen stellt sie seit Februar im Malware Museum aus. Rein virtuell natürlich. Fast 900.000 Besucher haben sich schon durchgeklickt.
Es ist viel los im Malware Museum. Seit seiner Eröffnung im Februar haben sich hier über 860.000 Besucher Computerviren aus den 80er und 90er Jahren angesehen. Das Malware Museum ist aber kein normales Museum. Es existiert nur online, auf der Seite des Internet-Archivs archive.org.
Kein weiten Flure. Keine Menschenmassen. Und auch keine Kosten für den Eintritt. Dafür aber jede Menge Retro-Viren zum selber testen - im eigenen Browser. Der schädliche Teil der Viren wurde dafür entfernt. Die Idee zum Museum hatte der finnische IT-Sicherheitsexperte und Kurator Mikko Hypönnen:
"Ich arbeite schon mein ganzes Leben mit Malware. Die ersten Viren habe ich vor 25 Jahren analysiert und immer noch eine große Sammlung Computerviren aus den 80er und frühen 90er Jahren. Und ich dachte mir, dass wir diesen Teil der Computer-Geschichte unbedingt für die kommende Generation von Computernutzer archivieren sollten."
Zum Beispiel den Virus "Hymn", der aus vielen kleinen bunten Fenstern ein dreidimensionales V auf dem Bildschirm aufbaut und dazu einen Teil der russischen Nationalhymne spielt.
Oder der "Techno"-Virus, der den kompletten Bildschirm einfriert, schwarz werden lässt und Zeile für Zeile immer wieder das Wort "Techno" schreibt. Und natürlich macht ein Virus namens Techno auch Musik.
Es lässt sich gut nachvollziehen, wie frustrierend dieser Virus damals für die infizierten User gewesen sein muss. Den Luxus, diesen Virus mit einem einfach Mausklick zu beenden, gab es in den 90er Jahren nicht.

"LSD" und "Crash": Geradezu kunstvolle Computerviren

Doch es gibt auch Viren im Malware Museum, die man sich gerne und lange anschaut. Und sich vielleicht sogar als Bildschirmschoner vorstellen könnte. Es sind anspruchsvolle Grafiken wie vom "LSD"-Virus, der ein hypnotisierendes Muster in blau-pink-gelb-grünen Schlieren über den Bildschirm wabern lässt. Oder der Virus "Crash": Ein wildes, sich ständig änderndes Schachbrettmuster aus verschiedenen Farben und Symbolen. Kleine, digitale Kunstwerke, findet Mikko Hypponen. Zumindest aus heutiger Sicht:
"Damals, als ich diese Viren bekämpft habe, hätte ich sie nie als Kunst akzeptiert. Aber im Rückblick sind sie für mich Kultur, und sie sind definitiv Kunst, obwohl Viren ja genau genommen kriminelle Arbeiten sind. Das haben sie vielleicht mit Graffiti gemeinsam. Auch das ist eigentlich illegal, aber trotzdem Kunst."
Nicht alle Retro-Viren waren visuell so anspruchsvoll wie die Exemplare im Malware Museum. Hypponen hat die interessantesten zusammengestellt, Viren mit Grafiken, mit Farben, mit Sounds oder sogar kleinen Spielen, wie der "Casino"-Virus, eins der beliebtesten Exemplare im Malware Museum:
"Er aktiviert sich jedes Jahr an drei verschiedenen Tagen und überschreibt alle Dateien. Er löscht diese Dateien aber nicht, sondern lässt dich um sie spielen. Es erscheint ein pixeliger Einarmiger Bandit. Du hast fünf Versuche, und wenn du gewinnst, bekommst du deine Dateien zurück."

Malware Museum ist eine nostalgische Angelegenheit

Es sind Viren wie "Casino", die von neugierigen, kreativen Teenagern gemacht wurden. Die sehen wollten, wie weit sich so ein Programm verbreiten würde. Diese Oldschool-Hacker von damals haben mit den Virenprogrammierern von heute nichts mehr gemein, sagt IT-Sicherheitsexperte Hypponen:
"Neben diesen organisierten Online-Kriminellen, die mit ihren Attacken Hunderte von Millionen machen, sehen wir immer mehr außerdem Malware-Angriffe von Geheimdiensten und vom Militär. Wenn mir zu Beginn meiner Karriere jemand erzählt hätte, dass wir mal Malware analysieren, die von Regierungen mit einem Multimillionen-Dollar-Budget geschrieben wurde - das hätte ich niemals geglaubt. Aber genau das ist heute der Fall."
Gegen diese neuen, unsichtbaren, destruktiven Viren und Würmer wirken die Exponate im Malware Museum fast schon albern. Wie aus einer längst vergangenen, einfacheren Zeit. Deshalb ist das Malware Museum zum einen auch eine sehr nostalgische Angelegenheit. Zum anderen zeigt die Ausstellung aber auch eindrucksvoll, wie schnell und fundamental sich innerhalb von nicht mal 25 Jahren die Computerlandschaft verändert hat. Und mit ihr die Malware. Von kreativen kleinen Viren, die sich über Disketten verbreitet haben hin zu Internet-Würmer wie "Slammer", der 2003 innerhalb von 18 Minuten das komplette Internet nach Sicherheitslücken gescannt hat. Und dabei unter anderem das Sicherheitssystem eines Atomkraftwerks in den USA lahmgelegt hat. Ob wir uns wohl in 20 Jahren durch ein neues Malware Museum klicken, auf Würmer wie "Slammer" zurückschauen und wie beim "Techno"-Virus denken:
Ach, im Vergleich zu heute war die Malware damals ja eigentlich ganz harmlos: "It's easy to guess that there will be surprises for us in the future as well."

Mehr Informationen auf den Seiten des Malware Museums

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