"Maltas Schatten"

Von Peter Kaiser · 04.04.2009
Jedes Jahr treten Zehntausende von Immigranten meist aus Nordafrika die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer an. Direkte menschliche Hilfe kommt nur von kirchlichen Organisationen vor Ort, wie den Mitarbeitern des Jesuitenflüchtlingsdienstes.
"Hallo, wer spricht englisch?"

Sonntag, 1. Februar 2009. Die Küstenwache hat vor Malta ein Boot mit afrikanischen Flüchtlingen aufgebracht. Männer, Frauen und Kinder.

"Wer ist der Kapitän?""Woher kommt Sie? Aus Ägypten? Lybien, Tunesien?""

Pater Stark: "Also ich habe zwei Vorfälle vor Augen. Und zwar handelt es sich einmal um den Vorfall, dass Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet werden sollten von maltesischen Fischern, die ihnen erlaubt haben Thunfischkäfige zu betreten, also Käfige, die im Wasser schwimmen."

Pater Martin Stark leitet den deutschen Jesuitenflüchtlingsdienst.

Pater Stark: "Und um nicht zu ertrinken, durften die da raufsteigen. Die maltesische Regierung hat ihnen nicht erlaubt, die Flüchtlinge an Bord zu nehmen, und auf die Boote, und dann an Land zu bringen. Letztendlich ist dann Italien zu Hilfe gekommen und hat die Flüchtlinge aufgenommen."

Der Jesuitenflüchtlingsdienst , auf Englisch: Jesuit Refugee Service, JRS abgekürzt, ist eine in über 50 Ländern operierende katholische Organisation. Der JRS Malta wurde 1993 gegründet, um den damals aus dem Irak und aus Bosnien kommenden Menschen zu helfen. Das Mandat des Jesuitenflüchtlingsdienstes ist es …

" … dorthin zu gehen, wo die Not am größten ist und niemand sonst hilft"

Doch der JRS arbeitet noch anders für die Immigranten. Denn der Dienst engagiert sich bei der Weiterbildung von Rechtsanwälten und Jurastudenten auf dem Gebiet des Flüchtlingsrechts. So auch für Ahmet Bugri, der vor 18 Jahren aus Ghana flüchtete, und nun Flüchtlingsberater des maltesischen Außenministeriums ist. Bugri schreibt in einer Tageszeitung über die Jesuiten auf Malta …

"Die Jesuiten engagieren sich enorm für die Flüchtlinge, sind oft deren einzige Anlaufstelle. Nächstenliebe vor Ort wird in erster Linie von ihnen praktiziert. Sie versuchen sich an einem gesellschaftlichen Sinneswandel hin zu mehr Menschlichkeit."
(ND vom 16. 9. 2008)
Malta ist Europas kleinster Mitgliedsstaat und wird seit einigen Jahren verstärkt von afrikanischen Flüchtlingen angesteuert. Letztes Jahr kamen fast 4000 sogenannte Boat-People in oft winzigen Booten über das Mittelmeer. Jürgen Quandt ist Pfarrer an der Berliner Heilig-Kreuz Kirche und dort Leiter der Beratungsstelle für Asylsuchende. Er kennt auch die Asylproblematik an Europas Grenzen.

Pfarrer Quando: "”Also wenn wir von Flüchtlingen sprechen, dann reden wir von Menschen, die aus Länder geflohen sind, in denen sie keine Lebensgrundlage mehr für sich gefunden haben."

Sofort nach ihrer Ankunft werden die Flüchtlinge in eines der zwei großen Internierungslager auf Malta gebracht, wie etwa in die Safi-Kaserne. Bis die für das Asylverfahren notwendige Erstbefragung stattfindet, können Monate vergehen. Bis dahin bleiben die Refugees, die Flüchtlinge, in der Kaserne oder der bewachten Zeltstadt. Hier darf niemand raus. Anders ist es bei den "Open Centres", also den offenen Lagern für Leute, deren Asylverfahren schon laufen. Aber Probleme gibt es auch dort. Pater Martin Stark, Leiter des deutschen Jesuitenflüchtlingsdiensts:

"Selbst die Unterkünfte draußen, die offenen Center, sind voll, sind etwa ein großer Flugzeughangar, sind eine große Zeltstadt."

Ratten, Schmutz, Hitze und Kälte, und dann das monatelange Warten. Hilfe für die Menschen, die bis zu 2 Jahre auf ihre Entlassung aus den Lagern warten, kommt meist von Pater Paul Pace und den 14 Mitarbeitern vom Jesuitenflüchtlingsdienst. Sie sind nahezu die einzigen, die außer den Wachmannschaften Kontakt zu den internierten Männern, Frauen und Kindern haben.

Pater Stark: "Das heißt, wir können mit allen sprechen, wir können Anträge aufnehmen, also Asylverfahren, die Anträge weitergeben, Kommunikation herstellen. Gut, die Handlungsmöglichkeiten in der Abschiebungshaft sind natürlich letztendlich sehr beschränkt, weil Abschiebungshaft dort automatisch angeordnet wird."

Die besondere Aufmerksamkeit der Helfer gilt den schwächsten Personen.

Pater Stark: "Also unsere Mitarbeiter gehen dort durch die Haft und gucken, wer ist wirklich offensichtlich krank, haftunfähig, Schwangere, um die kümmern wir uns, um Kinder, dass die möglichst nicht sehr lange in der Haft verbringen. Das können die Mitarbeiter tun."

Die Situation auf Malta fordert den Jesuiten immer größere Opfer ab, und eine immer stärkere Nächstenliebe. Denn kamen früher die Flüchtlinge in ihren Booten meist in den Sommermonaten, so kommen sie nun das ganze Jahr über. Pater Stark und seine Mitarbeiter vom Jesuitenflüchtlingsdienst wünschen sich, dass Europa endlich Verantwortung übernimmt, und ein gerechtes Verfahren zur Verteilung der Menschen installiert.