Malerei

"Da sind Kämpfe zu bestehen"

Der Berliner Maler Matthias Koeppel in seinem Atelier.
Der Berliner Maler Matthias Koeppel in seinem Atelier. © dpa / picture alliance / Markus C. Hurek
Moderation: Katrin Heise · 09.04.2014
Auch wenn ihn viele für einen Chronisten der Stadt halten, das sei er nicht, sagt Matthias Koeppel, der hunderte Berlin-Gemälde erschaffen hat. Er sieht sich eher als Historienmaler - mit einem besonderen Faible für Bauwerke und Ruinen.
Katrin Heise: Ich stelle Ihnen meinen Gast am besten erst einmal vor. Der Maler Matthias Koeppel ist 1937 in Hamburg geboren. Mitte der 50er studierte Koeppel in Berlin an der Hochschule für Bildende Künste, und dann ließ ihn Berlin und auch die Malerei nie mehr los. 1973 war er Mitbegründer der "Schule der neuen Prächtigkeit". Was das ist, erfahren wir gleich, weil 20 Jahre lang lehrte er als Professor für bildende Kunst an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität hier in Berlin, und er selber nennt sich lieber einen Historienmaler als einen Chronisten. Dabei hat der Maler Matthias Koeppel seit über 50 Jahren in mehreren hundert Gemälden die Entwicklung Berlins festgehalten. Derzeit sind viele davon in der Ausstellung "Himmel, Berlin!" im Berliner Ephraim-Palais zu sehen. Vor der Sendung hatte Matthias Koeppel Zeit, zu uns ins Studio zu kommen, und ich fragte ihn, was ihn eigentlich stört am Chronisten.
Matthias Koeppel: Ein Chronist hat ja die Aufgabe, alle wichtigen Geschehnisse einer Gegend, in diesem Fall von Berlin, festzuhalten. Das habe ich ja nicht getan. Ich habe mir besondere Ereignisse herausgesucht. Wenn ich ein Chronist wäre, müsste ich ja penibel alle wesentlichen Ereignisse in Malerei umsetzen. Das habe ich nicht getan und das habe ich auch nicht vor.
Heise: Sie wollen selbst bestimmen, was Ihnen wichtig ist an Berlin. Was ist Ihnen überhaupt wichtig an Berlin? Sechs Jahrzehnte Berlin – warum immer wieder diese Ruinen, diese Bauwerke? Für was steht Berlin für Sie? Ist das eine permanente Baustelle? Ist es das?
Koeppel: Nein. Das ist ein Aspekt meiner Arbeit. Es gibt ja alles in Berlin. Was es in Berlin nicht gibt, das gibt es überhaupt nicht, und ich suche mir Dinge raus, die im Gefühl, im Erleben nicht nur von mir, sondern von den Mitmenschen eine Rolle spielen, und versuche, aus einem Eindruck, aus einem Gefühl ein Bild zu machen. Das ist nicht immer ganz einfach. Nicht jeder Vorgang politischer Art oder wie auch immer ist visualisierbar. Das sind häufig schöne oder auch unschöne Worte, die da gemacht werden. Aber wenn es dann irgendwo einen Ansatzpunkt gibt, ein Bild daraus zu machen, dann schlage ich zu.
Kohls ungeschickte Spatenstich
Heise: Manchmal sind Sie in dem Moment dabei, wenn etwas passiert. Beispielsweise fällt mir das Bild von Helmut Kohl ein, wie er da vorm Kanzleramt, als die Baustelle los ging, diesen Spatenstich machte, eigentlich mehr oder weniger ungeschickt herumsteht. Da waren Sie direkt zu diesem Spatenstich.
Koeppel: Da war ich. Das war einer der seltenen Fälle, wo ich eine offizielle Einladung bekam, weil ich mich sehr darum bemüht hatte. Das bedurfte einer langen Vorarbeit. Gott sei Dank kannte ich ein paar der wesentlichen Entscheidungsträger, die mir den Zugang verschafften.
Heise: Und dann war der Moment offenbar gar nicht so historisch, sondern eben so ungeschickt.
Koeppel: Er war ungeschickt, ja. Es kam noch das schlechte Wetter hinzu. Es wehte ein furchtbarer Wind und die Leute kriegten alle Sand in die Augen und mussten zudem noch ihre Hüte absetzen, weil der Kameramann vom Fernsehen sagte, wenn Sie einen Hut auf haben, erkennt man Sie nicht.
Heise: Das ist so eine Situation, die Sie festgehalten haben, wo viel mehr drinsteckt. Ein anderes Bild fällt mir ein: Mehdorn. Das werden Sie so nicht beobachtet haben. Ein ganz aktuelles Bild. Da tut einem Hartmut Mehdorn fast leid, wenn man das anguckt. Er sieht so unendlich zerknittert aus und im Hintergrund qualmt der Großflughafen BER.
Koeppel: Ja. Das war der schöne Moment, wo mir auffiel oder einfiel, wie man dieses Dilemma um den Flughafen, das Nichtfertigwerden des Flughafens, wie man das visualisieren kann. Im Allgemeinen wird das ja nur beschrieben, was das alles für Katastrophen sind, aber als dort die Entrauchungsanlage geprüft wurde, kleine Feuerchen in der Haupthalle gemacht wurden, was ich gar nicht selber gesehen habe – das habe ich nur gehört und nicht mal im Fernsehen war das zu sehen -, jedenfalls dachte ich, das ist ein Thema, da kann man jetzt die Inkompetenz der zukünftigen Betreiber des Flughafens doch visuell darstellen. Und Mehdorn ist ja zu bedauern, dass er diesen ganzen Laden, der nicht funktioniert, anführen muss, infolgedessen sein zerknittertes Gesicht. Ich stelle ihn aber nicht dar als eine schuldhafte Figur, sondern als einen Menschen, der auch nicht recht weiß, was er damit anfangen soll.
Kneipen-Gaudi mit jungen Künstlerfreunden
Heise: Wenn man Ihre Bilder so sieht, dann läuft so viel Geschichte ab, zum Beispiel die Hochzeit Westberlin. Die haben Sie auch festgehalten. Und die haben Sie ja selber erlebt, ich sage mal, als junger, aktiver, aufstrebender Künstler. Da spielte sich das künstlerische Leben damals vor allem in Kneipen ab, vor allem in einer Kneipe: im Natubs in Wilmersdorf. Lassen Sie uns doch mal daran teilhaben, Künstler und Kneipen, dieses Zusammenspiel. Was ging da aus?
Koeppel: Ja! Das war eine Art Philosophenschule. Beim Bier lässt sich ja wunderbar philosophieren und das Natubs war gleichzeitig auch eine Galerie, da wurden die aktuellen Bilder der dort verkehrenden Künstler ausgestellt, und wir machten vom Unfug bis zu ganz ernsthaften Sachen. Das wechselte ab, ohne dass wir das selber planten oder voraussehen konnten. Es war manchmal auch der pure Blödsinn, man kann auch sagen, der höhere Blödsinn. Wir haben zum Beispiel lebende Bilder gestellt nach alten Gemälden. Die haben wir mit großer Inbrunst dargestellt in unserer Alltagskleidung mit Requisiten, die da zufällig herumstanden oder herumlagen. Das war immer ein großes Gaudi und natürlich hat man auf diese Weise in einer ganz besonderen Art Kunst verinnerlicht. Man hat sich im wahrsten Sinne des Wortes damit identifiziert. Auch die Einstellung, etwas ins Absurde treiben zu können, das hilft uns heute auch, genauso wie damals.
Heise: Der Maler Matthias Koeppel ist zu Gast im "Radiofeuilleton". – Herr Koeppel, ich habe die Schule der neuen Prächtigkeit erwähnt. Was zeichnete die aus?
Koeppel: Die Schule der neuen Prächtigkeit war eine Gegenbewegung zur abstrakten Malerei. Besonders die 60er- und 70er-Jahre, da dominierte eine häufig konstruktivistisch orientierte Malerei. Streifen und Rechtecke bevölkerten die Leinwände. Und wir, die wir uns allmählich zum Realismus durchgerungen hatten, weil wir doch auch Geschichten erzählen wollten in unseren Bildern und wieder erkennbare Phänomene darstellen wollten, wir wurden von diesen Abstrakten an die Wand gedrückt. Wir wurden bei Ausstellungen ausjuriert und waren nirgendwo mehr dabei, und das reichte uns dann, und da haben wir zu viert, vier realistische Maler, Grützke, Bluth, Ziegler und ich, die Schule der neuen Prächtigkeit gegründet. Wir malten realistisch, aber wir hatten eben auch eine andere Auffassung vom Leben, die ich eben schon ein bisschen beschrieben habe, die aus dem Natubs kam.
Der Himmel als dramaturgisches Mittel
Heise: "Himmel, Berlin! – so heißt die Ausstellung, die jetzt bis September hier in Berlin zu sehen ist mit Ihren Bildern. "Himmel, Berlin! – das kann ein Ausruf sein, das kann aber auch einfach zeigen, der Himmel spielt meistens oder doch in den meisten Ihrer Bilder eine sehr große Rolle.
Koeppel: In allen! Sie können ruhig "in allen" sagen.
Heise: Sind es alle?
Koeppel: In denen, die da ausgestellt sind, gibt es kein himmelloses Bild.
Heise: Schauen Sie so oft in den Himmel?
Koeppel: Ja selbstverständlich. Aber wenn ich ein Bild male, dann male ich den Himmel auswendig. Ich male da nicht irgendwas ab, was ich gerade sehe, sondern ich finde meine Himmel passend zum Sujet. Der Himmel ist ja von mir ein dramaturgisches Mittel, was ich benutze, um die Dinge, die man vor diesen Himmel stellt, wichtiger zu machen, ihnen einen Bedeutungsschub zu verleihen, und damit kann man sozusagen die Bedeutung, die man einem Bild geben will, auch exakt steuern.
Abarbeiten am Berliner Stadtschloss
Heise: Den Großflughafen Berlin haben Sie ja gerade festgehalten. Woran arbeiten Sie zurzeit?
Koeppel: Ich arbeite an der Grundsteinlegung zum Stadtschloss. Das ist ein schwieriges Thema. Ich war auch bei der Feierlichkeit dabei, sodass ich da auch einen Platz hatte zum Zeichnen, habe viel gezeichnet, aber ich kämpfe noch um die richtige Form. Ich habe schon ein Bild angefangen, das habe ich wieder sein gelassen, das war zu klein und das passte alles nicht. Ich bin da noch am Werkeln und hoffe, dass es mir jetzt bald gelingt.
Heise: Bei der endlosen Diskussion würde mich das auch eigentlich wundern, wenn das Bild quasi schon fertig wäre.
Koeppel: Ja. Man denkt immer, wenn man sagt, ich sei ein Chronist, der sieht was und malt es dann schnell hin. Da sind manchmal Kämpfe zu bestehen, die nur ich selber kennenlerne und die der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Heise: …, bis man dann das Endergebnis sieht. – Matthias Koeppel, vielen Dank für dieses Gespräch.
Koeppel: Ja, gerne.
Heise: Und wer sich jetzt mal wieder oder ganz neu in die Bilder von Matthias Koeppel hineinversenken möchte, im Berliner Ephraim-Palais läuft seine Einzelausstellung "Himmel, Berlin! – und zwar noch bis Ende September.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.