Mahlzeit

Wo Rinder weiden, wächst kein Gras mehr? Falsch!

Baobab
Die afrikanische Savanne: Wegen des geringen Bewuchses ist Erosion ein großes Problem © picture alliance/dpa/Matthias Tödt
Von Udo Pollmer · 16.09.2016
Was tun gegen Erosion und Wüstenbildung in Afrika? Diese Frage treibt den Umweltschützer und Farmer, Allan Savory, seit Jahren um. Um Weiden zu retten, tötete er Zehntausende Elefanten und ließ die Rinderherden verbannen. Doch die gewünschte Wirkung blieb aus.
Ein Umweltschützer der ersten Stunde sorgt für Unruhe. In jungen Jahren hat er in Afrika reihenweise Elefanten abknallen lassen. Der heute 80-jährige Allan Savory tat es nicht aus Freude am Jagen – nein, er handelte damals im Auftrag seiner Majestät, der Ökologie. Es gehörte zu seinen Pflichten, die Landschaft vor Überweidung und damit vor Erosion zu schützen.
Nachdem die Rinderherden verbannt und an die 40.000 Dickhäuter niedergestreckt waren, musste er einsehen, dass alles sinnlos war. Die Dezimierung der Pflanzenfresser hatte genau das Gegenteil der Öko-Theorien bewirkt: Die Erosion nahm nicht etwa ab, sondern zu.
Diese bittere Erfahrung veranlasste ihn genauer hinzusehen: Weidetiere in freier Wildbahn fressen nicht einfach eine umzäunte Wiese solange ab, bis der Landwirt die nächste Fläche freigibt, sondern sie marschieren in großer Zahl, dicht beieinander Schritt für Schritt voran.
Das Grasen hat seine Gründe: Pflanzen wehren sich gegen Pflanzenfresser. Um sie zu vergrämen, bilden sie Abwehrstoffe, so dass die Tiere klugerweise weiterziehen. Hinter sich lassen sie frischen Dünger fallen. Die Pflanzen können sich erholen und wachsen nach. Nicht so auf unseren Viehweiden, die Rinder beißen zu, sobald wieder etwas hervorsprießt. Das schädigt den Bewuchs.
Allan Savory musste einsehen, dass der Verzicht auf eine Beweidung – der von Naturschützern bis heute gebetsmühlenartig gefordert wird – erst recht zu Erosion und Wüstenbildung führt. Er rät deshalb, zur Regeneration des Bodens endlich wieder Rinder weiden zu lassen – in möglichst großen Herden, die voranschreiten beziehungsweise weitergetrieben werden.
Heute ist Savory eine Ikone des Umweltschutzes - und doch bei etablierten Umweltorganisationen verhasst. Die Idee, der Erosion durch Beweidung zu begegnen, geht den Naturschützern gegen den Strich. Sie würden am liebsten alles Nutzvieh von diesem Planeten verbannen. Seltsam ist: Der in Rhodesien gebürtige Savory ist seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt tätig, er hat große unproduktive, erodierte Flächen nach seiner Methode in fruchtbare Kulturlandschaft verwandelt. Insgesamt 35 Millionen Hektar – viele davon in Afrika.

Das Unheil begann mit der Invasion der Europäer

Der Schwarze Kontinent ist ein anschauliches Beispiel für den Wert der Weiden. Unser Bild von Afrika prägen weite Savannen durch die riesige Herden ziehen - wie die Serengeti oder der Krüger-Nationalpark. Doch vor Ankunft des weißen Mannes gab es diese Landschaften nicht. Die Parks sind genauso künstlich wie der Englische Garten in München.
Das Unheil begann um 1889 mit der Invasion der Italiener in Eritrea. Die Soldaten brachten mit ihren Ochsengespannen nicht nur Kanonen nach Afrika, einige Zugtiere trugen ein Virus in sich: den Erreger der Rinderpest. Die Folgen waren verheerend. Innerhalb von fünf Jahren erreichte das Virus Westafrika, zehn Jahre später Südafrika. Das bedeutete das Ende der afrikanischen Königreiche, deren Reichtum sie den Rindern verdankten. Der Wohlstand war für immer dahin.
Das öffnete den Kolonialherren Tür und Tor, denn die verarmten Rinderhirten hatten ihre Lebensgrundlage, Fleisch und Milch verloren und mussten sich nun wohl oder übel beim weißen Mann verdingen, um nicht zu verhungern. Europa hat es letztlich der Rinderpest zu verdanken, dass ihm Tansania, Kenia und Südwestafrika ohne ernstzunehmenden Widerstand in die Hände fiel.

Die Tsetse-Fliege löschte das Leben in ganzen Landstrichen aus

Doch ein Tier profitierte von der Seuche: die Tsetse-Fliege, die mit ihrem Stich die tödliche Schlafkrankheit überträgt. Nachdem die Rinderherden verschwunden waren, verbuschten die Weidegründe und es entstand die Savannenlandschaft mit ihrem dornigen Gestrüpp. Dort fand die Tsetse-Fliege Unterschlupf. Ganze Landstriche wurden nun durch die Schlafkrankheit entvölkert.
In Afrika gibt es heute zwei Ökosysteme: Das eine, einst geschaffen von Hirten, in denen Rinder den Busch kurz halten und die Tsetse-Fliege keine Chance hat. Und das andere, geschaffen von Kolonialherren und erhalten von Naturschützern, in denen Wildtiere, Buschland und die Schlafkrankheit gedeihen. Mahlzeit!
Arbeiter versprühen DDT gegen die Tsetse-Fliege im Okavango-Delta in Botswana (2014)
Arbeiter versprühen DDT gegen die Tsetse-Fliege im Okavango-Delta in Botswana (2014)© imago/Mint Images
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