Mag ich nicht!

Von Julia Friedrichs · 17.08.2012
Wann ist die Daten-Krake endlich tot? Die Journalistin Julia Friedrichs kann dem sozialen Netzwerk Facebook so gar nichts abgewinnen. Dem Unternehmen, das intime Daten seiner Nutzer sammelt und verkauft, wünscht sie den verdienten Untergang.
Meine Wut über Facebook wächst in Wellen. Es begann ganz harmlos an einem Dienstagabend in diesem Frühjahr. Ich brauchte Geld und steckte meine Karte in den Automaten an der Ecke. Während der Automat meinen Pin-Code überprüfte, begann er per Display mit mir zu kommunizieren. Er forderte mich auf, doch bitte seine Facebook-Freundin zu werden. Spinnt der?, dachte ich. Warum um alles in der Welt sollte ich mich mit einem Geldautomaten anfreunden?

Absurde Anfragen wie diese häuften sich: Der Hersteller des Buggys, den ich für meinen Sohn kaufte, wollte mein Freund werden. Das Cafe, in dem ich mittags oft esse, auch. Mein Fußballverein sowieso. Es folgten: Mein Fernsehprogramm. Mein Radiosender. Sie alle baten mich, ihnen doch zu Facebook zu folgen.

Gleichzeitig fingen die Menschen in meinem Umfeld an, eine Art Endloswiederholung des immer selben Satzes zu starten: Was, Du bist nicht auf Facebook? Ich rechtfertigte mich jedes Mal höflich. Aber langsam fühlte ich mich von einem Unternehmen, das mir lange egal war, umzingelt. Das war die zweite, schon etwas höhere Welle meiner Facebook-Wut.

Bevor Facebook im Mai dieses Jahres an die Börse ging, schrieb Gründer Mark Zuckerberg einen offenen Brief. Darin verkündete er pathetisch: "Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein. Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen - die Welt offener und vernetzter zu machen." Solch ein Geschwätz, dachte ich, und wurde noch wütender.

Zuckerbergs Vermögen wird auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. In der Rangliste der reichsten Menschen der Welt belegt er Platz 35. Für einen Unternehmer, der angeblich eine soziale Mission erfüllt, ist das eine hervorragende Bilanz.

Der Zugang zu Facebook kostet kein Geld. Damit gilt der Grundsatz des Online-Geschäfts: Wer für einen Dienst nicht bezahlt, ist auch kein Kunde, sondern das Produkt, das verkauft wird. Für ein Allerweltsprofil zahlen Adresshändler und Werbeunternehmen laut Schätzungen nicht mehr als einen Cent. Ein guter Datensatz aber kann einen halben Dollar bringen.

Facebook hat viele dieser guten Datensätze. Die Firma verfügt über die größte Fotosammlung der Welt. Sie weiß, was ihre Nutzer mögen. Mit ihrem "Gefällt mir"-Button durchzieht sie inzwischen das gesamte Netz. Wann immer ein Facebook-Nutzer auf solch eine Seite klickt, speichert die Firma dies. Ende des vergangenen Jahres mussten Facebook-Vertreter sogar einräumen, dass sie auch die Daten der Menschen speichern, die nicht bei der Firma eingeloggt sind.

Kürzlich erprobte die Firma eine neue Datensammel-Idee: "Ist dies der echte Name deines Freundes?", fragte Facebook in diesem Sommer etliche Nutzer und forderte sie auf, Bekannte, die sich mit Pseudonymen oder Fake-Accounts eingeloggt hatten, zu denunzieren. Facebook behauptet, man wolle das Netzwerk damit "sicherer machen." Dass Profile mit echten Namen auf dem Datenmarkt einfach mehr wert sind, erwähnte die Firma nicht.

Fassen wir also das längst Bekannte zusammen: Facebook ist ein Unternehmen, das um jeden Preis an möglichst viele Daten kommen will. Das sie scannt und speichert und verkauft. Dieses Geschäft aber hinter einer Weltverbesserungs-Attitüde verbirgt. Ich kann solch ein Unternehmen nicht mögen.

Warum um alles in der Welt sollte ich ihm meine Daten geben? Warum geben meine Freunde ihm ihre Daten? Warum helfen sie mit, solch eine übergriffige Firma immer größer werden zu lassen? Freunde, die bei Facebook sind, wissen über die meisten dieser Nachteile Bescheid. Sie finden das unschön. Aber sie verdrängen es. Manchmal erwische ich mich dabei, auch auf diese Freunde ein wenig wütend zu sein.

Meldungen der letzten Wochen allerdings lassen mich nun hoffen, dass der Spuk irgendwann vorüber sein könnte: In den USA ist die Zahl der Facebook-Nutzer in den vergangenen sechs Monaten erstmals leicht zurückgegangen. Im letzten Quartal machte die Firma über 150 Millionen Dollar Verlust und die anfangs gehypte Aktie ist seit Handelsbeginn um satte 40 Prozent abgerutscht. Ich würde mich freuen, wenn das der Anfang vom Ende wäre.


Julia Friedrichs, Jahrgang 1979, arbeitet seit ihrem Journalistik-Studium als freie Autorin von Fernsehreportagen und Magazinbeiträgen. Im Jahr 2007 wurde sie für eine Sozialreportage mit dem Axel-Springer-Preis für junge Journalisten und dem Ludwig-Erhard-Förderpreis ausgezeichnet. Bisherige Buchveröffentlichungen: "Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen" (2008), "Deutschland dritter Klasse. Leben in der Unterschicht" (mit Eva Müller und Boris Baumholt, 2009), "Ideale. Auf der Suche nach dem, was zählt" (2011).
Die Schriftstellerin Julia Friedrichs
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