Märchen von der Konsumentenherrschaft

Es war einmal (k)ein König

Verbraucher können sich heute viel genauer über Preise und Qualität informieren.
Verbraucher können sich heute viel genauer über Preise und Qualität informieren. © picture alliance / dpa / David Ebener
Von Peter Kessen · 12.05.2015
Vieles spricht dafür, dass der Kunde endlich der König geworden ist, als der er schon lange gilt - vor allem durch die Digitalisierung. Stimmt die These von der neuen Konsumentenmacht wirklich? Ein Streifzug durch die Warenwelt.
"Hallo, ihr Lieben, wie versprochen, dann heute wie versprochen die LA von Catrice, die ich zugeschickt bekommen habe, zuckersüß in so einem kleinen Säckchen."
Sandra Kups, 30 Jahre alt, sitzt in ihrem Wohnzimmer in Wattenscheid und präsentiert ein eigenes Internet Video. Schwarz und rot dominieren den Raum, an den Wänden hängen ihre Modephotos: Keine glatten Top Model Posen, eher alternativ und punkig angehauchte schwarzweiß Aufnahmen. Sandra Kups hat einen guten Job, einen Freund – und vor allem ein Hobby. Die Industriekauffrau präsentiert Kosmetik, Lippenstifte, Haarcoloration, Cremes und Makeup. Rund 500 Internet-Videos entstanden in zwei Jahren
"Also, Ich bin absoluter Selbstdarsteller, ich mache das sehr gerne, ich werde gerne gesehen. Aber es macht vor allem auch Spaß, etwas rüberbringen zu können, ...du kannst dich mit Make up verändern, du kannst etwas ausdrücken, du kannst auch Sachen damit verstecken, dich ein bisschen hinter einer Maske zeigen."
"Ich habe ja bei der letzten Glossybox nicht verstehen, warum alle so geschimpft haben, ich fand die total okay. ...Die jetzt ist aber richtig cool."
"Ich glaube nicht, dass so viele Firmen sich das angucken, von mir. Wär natürlich schön ....Aber vor allem den Leuten zu sagen, wenn irgendwelche Produkte richtig toll sind.....das könnt ihr ohne Probleme kaufen und benutzen."
"Also erst mal, ist es, glaub ich so, dass der Konsument der Spielmacher ist.... Es ist eine tolle Zeit..."
Es war einmal kein König. Das Märchen von der Konsumentenherrschaft. Ein Feature von Peter Kessen
Social Media verleiht Kunden neue Macht
Zitator:
"Konsument Eins will A kaufen,
Konsument Zwei will B kaufen
Konsument Drei will aber C kaufen so dass sich Produzent Eins wohl für A entscheidet
wenn es noch einen Konsumenten Vier gibt, der ebenfalls A kaufen will.
Summa Summarum, Unter dem Strich: Kaufen ist Demokratie."
Der Begründer der klassischen Nationalökonomie, Adam Smith, schrieb im Jahr 1776 in seinem Klassiker "Der Wohlstand der Nationen":
"Der Konsum ist der einzige Sinn und Zweck der Produktion, und den Interessen der Produzenten sollte man nur insoweit Beachtung schenken als nötig ist, die Interessen der Verbraucher zu fördern."
Das Schlagwort vom "König Kunden" findet sich in der Volkswirtschaftslehre unter dem Begriff Konsumentensouveränität.. Heute scheint diese Demokratie per Warenkauf eine neue Qualität erreicht zu haben:
"Der Konsument ist der, der über...die digitalen Medien tatsächlich jetzt über eine Macht verfügt, die er niemals hatte."
Professor Hennig -Thurau, Marketing-Professor an der Uni Münster und Herausgeber des ersten Deutschen Social Media Reports 2013.
"Unternehmen, die schlechte Qualität anbieten, haben einfach eine harte Zeit, und das ist gut so. Und das ...führt über das Verteilen von Kritiken....das Artikulieren von Enttäuschung...dass ich eben tatsächlich dazu beitrage, dass schlechte Produkte vom Markt verschwinden...und das gute Produkte auf dem Markt triumphieren. Es ist eine Verschiebung der Machtkräfte ...weg vom Anbieter, hin zum Kunden."
Zwei kleine Plastikfiguren mit Einkaufswagen stehen vor einem iPhone, auf dem der virtuelle Einkaufswagen dargestellt ist. 
Unabhängig vom Alter und der Schicht gehört der Einkauf im Internet für immer mehr Menschen zum Alltag.© dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Professor Hennig Thurau hat im Jahr 2013 den ersten deutschen Social Media Report herausgegeben. Rund 2000 Konsumenten berichten darin über ihre Kaufgewohnheiten. Recherche und Kaufen im Internet gehören für immer mehr Menschen zum Alltag, unabhängig vom Alter und der Schicht. Dieses neue Rechercheverhalten führt nach Ansicht von Professor Hennig-Thurau zu schärferem Wettbewerb:
"Was wir wissen ist, dass Kunden sehr viel flexibler geworden sind, was eben Marken angeht. Das Wechselverhalten ist in vielen Bereichen viel stärker geworden."
So haben sich die Anbieterwechsel per Internet bei Strom und Kfz in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, auf rund zwanzig Prozent. Das Online Geschäft verzeichnete in den letzten beiden Jahren Steigerungsraten von rund zwölf Prozent, die Geschäfte des etablierten Einzelhandels stagnieren. Große Händler wie der Weltbildverlag, der Baumarkt Max Bahr und der Karstadt Konzern gerieten in finanzielle Schwierigkeiten.
Auch die Banken in Deutschland leiden unter den neuen Konsumentengewohnheiten. Immer mehr Kunden erledigen ihre Überweisungen Online, bei der Berliner Sparkasse jeder zweite. Eigentlich hatten die Banken ja die kostengünstige Online Welt gewollt, der Nachteil davon ist jedoch, dass man den Kunden nicht mehr in Filiale ansprechen und ihm neue Produkte verkaufen kann. Zudem hat sich gezeigt, dass die Kunden die Filialen einfach schätzen. Die Commerzbank will sich als die kundenfreundlichste Bank präsentieren, inklusive Zufriedenheitsgarantie im Wert von einhundert Euro.
"Wir haben diese Filiale am 6.Dezember eröffnet, ist Deutschlandweit eine ganz besondere Filiale, einzigartig bisher, eine Pilotstelle für die Commerzbank um ein neues Filialmodell zu testen."
Beratung und Verkauf sollten in Banken getrennt werden
Frau Illona Schmitt, Vorsitzende der Geschäftsleitung für Privat- und Geschäftskunden im Gebiet Nord-Ost der Commerzbank, steht mitten im Raum der
neu designten High Tech Filiale in der Berliner Uhlandstrasse. Die Kasse liegt ganz hinten, am Ende des rechteckigen, rund 25 Meter langen Raumes, alles gehalten in hellem Braun und Grau, weis, schwarz und der Markenfarbe der Commerzbank, dem satten Dottergelb. Ein Ambiente wie in einer hypermodernen Kaffeehauskette
"Hier stehen Pcs, hier können sie sich hinsetzen, gemütlich online Banking machen. Ja, sie können sich einen Cafe holen, sie können sich hier in der Lounge hinsetzen, damit vergnügen, dass Tablet zu nehmen, Modernität erleben, auch an dieser Stelle, für die Kinder, damit die still bleiben in einem Beratungsgespräch, gibt es Commerzbank Spiele darauf hier."
Die Commerzbank hat schwere Zeiten hinter sich, nach dem Kauf der maroden Dresdener Bank im Jahr 2008, nach Fehlspekulationen und der Bankenkrise musste sie mit rund 18 Milliarden Euro Steuergeld gerettet werden.
"Wir haben Produkte verkauft, die wir gut fanden. Und wir haben in Teilen zu wenig auf die Bedürfnisse des Kunden reagiert."
Nun verzichtet die Bank auf Produkte, die mit Agrarrohstoffen spekulieren und verkauft keine geschlossenen Fonds, wenn das Mindestvermögen des Kunden unter 250.000 Euro liegt. Dennoch kritisiert Dorothea Mohn von der Bundesverbraucherzentrale auch das neue Konzept:
"Das Problem liegt im Kern, da das wir in der Anlageberatung einen Interessenkonflikt haben, der sich aus den Provisionen ergibt, die in den Produkten einkalkuliert sind. Und ein Finanzberater, der ökonomisch handelt, hat ein Interesse daran Produkte zu verkaufen, die hochprovisioniert sind. Und das sind nun mal gerade die Produkte, die in aller Regel nicht so gut für den Verbraucher sind."
Die Verbraucherschützer fordern eine Trennung von Beratung und Verkauf, mit getrennter Vergütung für den Bankangestellten. Das bietet die Commerzbank nicht, aber eine wirkliche Neuheit hat sie in Deutschland eingeführt, die Videokasse. In einem Duisburger Call Center sitzt die Commerzbank Mitarbeiterin Meier, sie lächelt per Flachbildschirm über dem Kassenautomat in die Berliner Filiale hinein. Hier möchte die Bezirksleiterin Illona Schmitt jetzt Geld abheben.
"Ich starte also jetzt mit der Videokonferenz für meine Auszahlung. ..Hallo Frau Schmidt...Hallo Frau Meier....Ich will schon wieder Geld haben...Ich brauche heute 200 Euro...sehr Gerne! So wie gewohnt, vom ganz normalen Konto!"
Im ersten Halbjahr 2013 hat sich der Vorstand mit dem Betriebsrat verständigt, bis 2016 von den 28.000 Stellen im Inland 3200 abzubauen.
Tausende Beschwerden wegen schlechter Bankberatung
Im Dezember 2013 untersagte der Bundesgerichtshof der Commerzbank für die Nacherstellung eines Kontoauszugs 15 Euro verlangen. Die Bundesverbraucherzentrale hatte dagegen geklagt. Die Bank argumentierte mit sehr hohen Kosten bei Jahre zurückliegenden Dokumentationen, verlangt aber mittlerweile nur noch drei Euro für die Auszüge.
"Wie soll den die Stückelung sein...Einen Hunderter und fünf Zwanziger.......Kann ich sonst noch etwas tun.. .Nein danke ...Schönen Tag für Sie ...Tschüss."
Die Commerzbank hat im Jahr 2013 rund 250.000 neue Kunden gewonnen, (( auch dank kostenlosem Girokonto, Zufriedenheitsgarantie und Geldprämien.)) Die Bank betont, dass es im Jahr 2012 rund 40 Prozent weniger Beschwerden als im Jahr 2011 gegeben habe. Allerdings registrierten alle deutschen Banken 2011 Rekorde an Kundenkritik, danach gingen die Eingaben stark zurück.
Beschwert sich ein Kunde schriftlich bei seiner Bank, dann landet der Brief seit dem November 2012 im sogenannten Beraterregister der Bundesfinanzaufsicht, der Bafin. Auf die Anfrage nach der konkreten Zahl dieser Kundenkritiken antwortet die Commerzbank nur:
Zitator: "Nach §34d Wertpapierhandelsgesetz ist die Bank verpflichtet, alle personenbezogenen Beschwerden, die zu einer Anlageberatung eines Privatkunden eingehen, innerhalb von sechs Wochen der BaFin zu melden."
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, bekannt als BaFin, beaufsichtigt vom Bundesministerium der Finanzen, kontrolliert die Banken, Versicherungen und den Handel mit Wertpapieren in Deutschland. Die Bafin hat auch einen Verbraucherbeirat eingerichtet, besetzt mit Vertretern aus Banken, Wissenschaft und Verbraucherschutz. Die Öffentlichkeit erfährt nichts über die Arbeit dieses Beirates, es gilt absolute Geheimhaltung.
ILLUSTRATION - Ein Eurozeichen spiegelt sich am 08.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen) im Auge einer Frau (Aufnahme gespiegelt). Foto: Daniel Reinhardt/dpa
Tausenden Beschwerden gegen Banken folgen keine Sanktionen.© dpa/Daniel Reinhardt
Rund 18.000 Beschwerden über schlechte Bankberatung landeten 2013 direkt bei der Bafin, bei den Banken waren etwa ein Fünftel, bei den Versicherungen etwa ein Viertel erfolgreich. Auf der Website der Bundesanstalt findet sich auch eine Statistik, die zeigt, wie viele Konsumenten bei welchen Versicherungsunternehmen protestierten. Nach einer ähnlichen Statistik für Banken sucht der Verbraucher aber vergebens.
"Im Bereich Versicherungen wurden wir vor Jahren mal von einem Gericht dazu verpflichtet, individuelle Beschwerdezahlen zu veröffentlichen."
Benjamin Fischer, Pressesprecher der Bafin.
"Eine ähnliche Verpflichtung gibt es für den Bankenbereich nicht. Und insofern haben wir bis dato davon abgesehen, für die Bankenbeschwerden individuelle Beschwerdezahlen zu veröffentlichen."
Zudem hat der Bund darauf verzichtet, diese Informationspflicht für Banken bei der Bafin zu verankern. So erfährt der Verbraucher von der Bundesanstalt mit dem Schwerpunkt Verbraucherschutz nicht, welche Banken große Kundenkritik verursachen.
Der zweite Beschwerdeweg führt Schreibt ein Kunde seiner Bank einen Protestbrief über einen Berater, dann landet diese Beschwerde auch bei der Bonner Zentrale, im Beraterregister. Pressesprecher Fischer spricht von rund 10.000 Fällen, vorgefallen allein in der Anlageberatung zwischen November 2012 und Dezember 2013. Worüber sich die Kunden beschweren, erfahren die Bonner Beamten nicht. Geprüft wird trotzdem.
"Aus diesen zehntausend Beschwerden sind bis dato keine Sanktionen gefolgt, weil im konkreten Sachverhalt kein Grund gegeben war...auch keine Notwendigkeit....Sie haben im ersten Schritt nur die nackte Zahl, dann gehen sie in die Filiale, dann schauen sie ob die Beratungsqualität in Ordnung war, dann schauen sie ob es Anhaltspunkte für Fehlverhalten gibt, ...nur dann können sie Sanktionen aussprechen, das war aber bis dato nicht erforderlich."
Amazons Produktrezensionen als Grundlage von Kaufentscheidungen
Eine eindeutige Bilanz: Rund 10.000 Beschwerden führen zu keiner Sanktion - die Kundenkritik erscheint so zu hundert Prozent als unbegründet. Festgestellt von einer Bundesanstalt mit rund 2300 Mitarbeitern und einen Jahresetat von rund 244 Millionen Euro, alles finanziert aus den Gebühren der deutschen Banken. Denen die Bafin dann eine blütenweiße Weste bescheinigt. Dagegen kritisiert Dorothea Mohn, Finanzexpertin bei der Bundesverbraucherschutzzentrale, die Qualität der aktuellen Finanzberatung. Im Dezember 2013 veröffentlichte der Bundesverband Verbraucherzentrale eine Untersuchung von 300 Fällen. Es ging vor allem darum, ob Anleger zu teure oder riskante Finanzprodukte erhielten.
"Und da war das Ergebnis, dass in einem erheblichen Teil, es waren über 40 Prozent, sind die Leute bezogen auf die Produkte, die sie heute im Portfolio haben, nicht bedarfsgerecht aufgestellt. Noch viel gravierender sah es aus bei den Verbrauchern, die mit aktuellen Vertragsangeboten, die sie von gewerblichen Finanzvermittlern erhalten kamen. ...Da haben wir 59 Fälle ausgewählt und die waren zu 87 Prozent nicht bedarfsgerecht. Also noch gravierend schlechter hinsichtlich der Geeignetheit der Produkte."
Die geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland verstanden ihren Wirtschaftsliberalismus als ökonomische Form der Demokratie. Die stärkste Form der Verbraucherherrschaft, die Konsumentensouveränität, formulierte Wilhelm Röpke, Professor für Volkswirtschaft und Träger des Bundesverdienstkreuzes, in den 50er Jahren:
Zitator: "Diese Demokratie des Marktes hat viele Schönheitsfehler....aber sie ist die einzige Möglichkeit, die Konsumenten, für die produziert wird, zum Herrscher der Produktion zu machen ....es findet keine Majorisierung der Minderheit statt. Und jeder Stimmzettel kommt zur Geltung. Wir erhalten damit eine Marktdemokratie, die an geräuschloser Exaktheit die vollkommenste politische Demokratie übertrifft."
Diese postulierte Konsumentensouveränität hat die Geschichte der Bundesrepublik bestimmt: Währungsreform und sogenanntes Wirtschaftswunder verwandelten eine kriegerische Nation in Konsumbürger. Heute scheint der König Kunde auf einem noch höheren Thron zu sitzen:
Der neue Konsument, der Social Media Konsument, ist in der Tat so, dass er sich eben nicht mit einer Information, wie sie beispielsweise Werbung bietet... zufrieden stellt.
Marketing Professor Hennig Müller-Thurau:
"Im Gegenteil, heute findet in ganz vielen Produktbereichen kein Kauf mehr statt, ohne dass Informationen von anderen Konsumenten im Social Web konsultiert werden. Amazons Produktrezensionen sind ein absoluter Standard geworden was Kaufentscheidungen angeht."
"Und zwar ist es so, dass wir in der Marketingforschung unterscheiden, zwischen High und Low Involvement Käufen."
"Verbraucher hat nur solange Macht, wie er auch Auswahl hat"
Ingmar Geiger, Professor für Marketing an der Freien Universität Berlin.
"High Involvement Käufe sind solche, wo sie sich vorher viele Informationen besorgen und dann versuchen...eine...Kaufentscheidung treffen. ...Low Involvement Käufe sind entweder Gewohnheits- Käufe oder Impuls Käufe. Die mehr verfügbaren Informationen führen meiner Meinung nicht dazu, dass sich das Verhältnis zwischen High und Low Involvement Käufen verändert. Grundsätzlich würde ich sagen, gibt es viel, viel mehr Low Involvement Kaufentscheidungen als High Involvement Kaufentscheidungen. Wenn sie sich ihre typische Woche vorstellen....Sie machen vielleicht einmal ein Wochen Einkauf, das ist alles Low Involvement....Und wenn sie dann irgendwann noch ein Zwei Produkten kaufen, wo sie länger drüber nachdenken, das ist High Involvement."
"Zum Beispiel wie bei Amazon so Bewertungen bei Produkten, das ist super. Da kann ich mir das durchlesen, kann ich gucken: 50 Endverbraucher haben gesagt das Produkt ist gut, einer hat gesagt das ist schlecht. Ach ja, fünfzig normale Leute wie ich auch einer bin haben gesagt, das ist super. Dann kann ich mir das auch kaufen."
"Insgesamt kann man sagen, dass es so eine gewisse Verzerrung gibt, dass die Leute über das sprechen, was Ihnen besonders gut. Oder besonders schlecht gefallen hat."
Sabrina Gottschalk, Wissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin, forscht zu Produktrezensionen im Internet.
"Das heißt, wir haben wir haben sehr viele fünf Sterne und sehr viele Ein Sterne Bewertungen. Und normale Empfindungen werden da eben nicht so häufig artikuliert. Von der Qualität her, denk ich... kann man sagen, dass das schon sehr stark variiert."
Außerdem sind rund 20 bis 30 Prozent der Bewertungen in Online Portalen gefälscht, schätzt der Branchenkenner Krischan Kuberzig aus Hamburg. In Bangladesh gibt es sogenannte Klick-Farmen, die für 50 Dollar rund 1000 Likes auf Facebook produzieren. Auch die Bloggerin Sandra Kups sieht die Qualität der Internetrezensionen kritisch:
"Die Leute hören viel, viel mehr auf U Tuber als auf Fernsehwerbung....Weil es halt was Privateres ist, man bekommt irgendwie Tipps von einer Freundin, hat man so das Gefühl als Endverbraucher. 0.57 Zur Qualität lässt sich sagen....Es ist leider sehr, sehr häufig sehr oberflächlich..... Aber da würde ich mir häufiger wünschen, dass es ehrlicher ist ...und das ist leider sehr, sehr selten in der Blogger Welt, in der You Tube Welt."
"Der Verbraucher hat nur solange Macht, wie er auch Auswahl hat. In dem Moment , wo er nicht mehr ausweichen kann, ist die Macht des Verbrauchers auch ganz schnell am Ende 1.50 Es gibt im Netz Möglichkeiten den Wettbewerb zu beschränken, die wir in dieser Form früher nicht gehabt haben."
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes in Bonn.
Das Bundeskartellamt hat dem Hotelanbieter HRS und dem Buchhändler Amazon im Jahr 2013 sogenannte Bestpreisklauseln untersagt, die mit Preisgarantien wirbt. Die Unternehmen befolgten das Verbot.
"Der Verbraucher kriegt ja einen vermeintlichen Bestprice genannt, in Wirklichkeit ist das nur ein Best Price auf den ersten Blick. Weil durch diesen besten Preis, der es Hotels wiederum untersagt ihre Zimmer auf anderen Portalen preisgünstiger anzubieten, verhindert gleichzeitig, dass der Verbraucher auf anderen Hotelportalen dasselbe Zimmer möglicherweise preisgünstiger vorfindet."
Schwangere als Versuchskaninchen
Das Internet erscheint aber aus einer anderen Perspektive als neues Reich des „König Kunden". Die Konsumkritik und der Verbraucherprotest erhalten durch Smartphone und Social Media eine neue Schlagkraft.
"Ich hab jetzt hier ein I-Phone, auf das die Tox Fox App heruntergeladen."
Sarah Häuser vom BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, wendet auf Ihrem I Phone die Tox Fox App an. Ein Programm, das man per Internet auf sein Smartphone herunterlanden kann. Dann lassen sich Produkte per Kamera abscannen und mit einer Liste möglicherweise gesundheitsgefährdende Stoffe abgleichen. Rund 250.000 Menschen verwenden laut BUND diese Software.
"Wir haben über 600.000 Kosmetika ausgewählt, haben uns eben die Inhaltsstofflisten angeschaut dieser Produkte, und haben festgestellt, dass jedes dritte Produkt mit hormonell wirksamen Stoffen belastet ist."
"Na, ich hab diese Toxfox Ap vom BUND benutzt."
Britta Steffenhagen, Schauspielerin und Moderatorin aus Berlin.
"Diese Creme hatte ich ... auch in der Schwangerschaft benutzt, und da hatte ich gesehen dass da Parabene drin sind, und die gehen durch die Haut in den Mutterleib und dann im Zweifelsfall aufs Kind über....Und ich kam mir ...als Versuchskaninchen vor, als Konsument."
Parabene könnten für verschiedene Beschwerden verantwortlich sein, zum Beispiel Unfruchtbarkeit und hormonell bedingte Krebsarten wie Brustkrebs, Hodenkrebs und Prostatakrebs. Bewiesen ist diese Hypothese noch nicht. Dänemark hat aber bereits zwei Parabene für Kleinkinderprodukte verboten.
Britta Steffenhagen startete über die Internetplattform Change, auf der sich viele
Verbraucherproteste finden, mit dem BUND eine Petition gegen den Niveahersteller Beiersdorf, der auch eine Creme mit Parabenen produziert.
"Und dann haben ja unheimlich viele Leute, das waren ja 80000 diese Petition unterschrieben, Und dann sind wir ja auch mit den Unterschriften nach Hamburg in die Nivea Zentrale gefahren. Und die waren auch sehr freundlich, zum Gespräch bereit, haben aber ganz klar gesagt, dass sie Parabene nicht aus den Cremes raus nehmen. Sie haben es damit begründet, dass sie es aus chemischen Prozessgründen nicht können bei der Creme."
Verdoppelte Zahl der Kartellfälle
Beiersdorf verweist in einer Stellungnahme darauf, dass Parabene nach deutschem und europäischem Recht als Konservierungsmittel erlaubt sind.
Potentielle Gesundheitsgefahren sind ein Schwerpunkt des Verbraucherprotests: Konzerne folgen den Konsumenten dann, wenn der Protest die Massen der Käufer erreicht oder problemlos mit Imagegewinn umzusetzen ist. So enthalten der Multivitaminsaft von Hohes C und der Milram Frühstücksquark seit dem Sommer Jahr 2013 keine tierischen Zusatzprodukte mehr.
"Die Zahlen der Kartellfälle bei uns im Bundeskartellamt haben sich seit 2005 etwa verdoppelt."
Der Präsident des Bundeskartellamts hat im Jahr 2013 einen Rekord an Kartellen verzeichnet, die gegen das Wettbewerbsrecht verstossen. Insgesamt 54 Unternehmen mussten Strafen von 240 Millionen Euro zahlen, vor allem wegen zu hoher Preise.
"Die, von denen der Verbraucher im abgelaufenen Jahr, vielleicht am unmittelbarsten betroffen gewesen ist, war vielleicht das Mehlkartell zwischen den Mehlmühlen.... ein Verfahren im Bereich Süßwaren abgeschlossen, ein Verfahren im Bereich Drogerieartikel. In den letzten Jahren hatten wir Kartelle bei Brillen, Tondachziegel, Kaffee, Flüssiggas, Dampfkessel, Süßwaren, Mehl, Schienen. Es gibt immer so Studien, die sagen, im Schnitt sind die Preise, die karteliiert sind, zehn bis fünfzehn Prozent höher, als wenn sie unkarteliiert wären. Letzten Endes ist es immer der Verbraucher, der die Zeche zahlt."
Das Jahr 2014 begann mit einer Verurteilung von Deutschlands größten Brauereien wegen Preisabsprachen, dann musste die Zuckerindustrie Strafen zahlen. Im Frühjahr 2014 wird das Kartellamt seine Untersuchung des Lebensmitteleinzelhandels abschließen, eine Branche, die bisher als Preisparadies galt. Generell haben Verbraucher in Deutschland auch weniger Möglichkeiten als in anderen europäischen Ländern sich juristisch gegen Kartelle und Produktschwächen zu wehren: Die Sammelklage ist nicht zugelassen.
"Ein Produkt ...., was richtig schlecht ist, sind leider sehr, sehr häufig Produkte, und zwar durch alle Marken durch, sind Produkte, die etwas mit Pflege zu tun haben, da wird sehr, sehr viel versprochen und sehr, sehr, wenig gehalten. Wenn ein Produkt mich absolut nicht überzeugt, von der Konsistenz und der Wirkungsweise her, oder man einfach merkt, da wurden sich keine Gedanken gemacht, da wurde nur einfach was auf den Markt geklatscht, ...dann gibt's Kritik, aber knallhart."
Sandra Kups betont, dass sie eine kritische Verbraucherin ist. Wenn man sich aber durch ihre Videos klickt, dann spürt man aber vor allem eins, den Spaß an Produkten. Und am eigenen Image.
"Ah, geil. Ist auch so ein totales Orange, wird mit in den Look kommen."
Friedman forderte in den 60er-Jahren Verzicht auf Mindestlöhne
Im Jahr 1962 stürmt Ray Charles mit diesem Song die US Hitparaden, im gleichen Jahr erscheint ein Buch, das die kommenden Jahrzehnte mitprägen wird
"Also, dieses Buch Kapitalismus und Freiheit, hat damals.... kein so großes Aufsehen erregt, wie man heute annimmt, wenn man die Wirkung betrachtet, im Nachhinein."
Elmar Altvater, früher Politikprofessor an der Freien Universität Berlin, heute Berater und Mitglied bei den Globalisierungskritikern von "Attac".
Im Jahr 1962 erscheint das Buch "Kapitalismus und Freiheit", verfasst von Milton Friedmann: Der Wirtschaftprofessor aus den Vereinigten Staaten wendet sich gegen einen starken Staat, der häufig in die Märkte eingreift. Die Lösung soll in einer neuen Freiheit für Unternehmer und Konsumenten liegen. Gegen den Schulden machenden Sozial-Staat in der Tradition des Ökonomen John Maynard Keynes, für einen neoliberalen, abgespeckten Staat, vor allem im Dienst der Unternehmen.
"Das war ein ganz erfolgreiches Projekt, es hat sich durchgesetzt, weltweit, Milton Friedmann war ja so keck in den 70er Jahren zu sagen: Wir beginnen jetzt die Neoliberale Konterrevolution! Konterrevolution gegen die von ihm so bezeichnete Keynesianische Revolution des Interventionsstaates! Nach dem zweiten Weltkrieg: Als der Sozialstaat ausgeweitet wurde...es wurde aktive Beschäftigungspolitik getrieben. Das war in fast allen Ländern der Fall bis Mitte der siebziger Jahre. Und dann kam die sogenannte Neoliberale Konterrevolution und diese war tatsächlich ungeheuer erfolgreich."
Milton Friedman forderte bereits 1962 den Verzicht auf Mindestlöhne und Mietpreisbegrenzungen. Zwei Freiheiten sollen es richten, die Freiheit des Unternehmers und die Freiheit des Konsumenten.
"Da kommt die Konsumentensouveränität ins Spiel, die auch Friedmann ins Zentrum seiner Überlegungen stellt....die aber nur eine Rolle spielen kann. Und ihre positive Wirkung entfalten kann...wenn es diese freien, autonomen Unternehmer auch gibt. Und die treffen sich auf dem Markt, durch dessen Preis und Mengenmechanismen wird dann das Wohl des Ganzen herausgefunden...und daraufhin ist für alle ein Optimum erreichbar."
Milton Friedmann erhielt 1976 den Nobelpreis. Er gilt als einer er Initiatoren des ökonomischen Neoliberalismus, der auf vor allem die Privatisierung von Staatseigentum, Deregulierung und geschrumpfte Sozialbudgets fordert. Diese Theorie dominierte die Wirtschaftspolitik von Weltbank und Internationalem Weltwährungsfond seit dem sogenannten Washington Konsensus aus dem Jahr 1990.
"Eine der Hauptursachen für die Gegnerschaft zur freien Wirtschaft ist gerade die Tatsache, dass sie ihre Aufgaben so gut erfüllt. Sie gibt den Menschen das, was sie wollen und nicht das, was ihnen eine kleine Gruppe aufzwingen will. Hinter den meisten Argumenten gegen den freien Markt steckt der mangelnde Glaube in die Freiheit selbst."
"Es ist eine Philosophie, von der Politik, von der Marktwirtschaft sowieso, und teilweise aber auch von deinen Mitmenschen, das dich alle als Konsumenten behandeln. Nach marktwirtschaftlichen Kriterien...da ging es immer sowieso darum... möglichst Masse zu verkaufen. Aber auch da hab ich das Gefühl, das ging früher darum in Anführungsstrichen, eine gewisse Qualität zu verkaufen. ...Und heute hab ich so das Gefühl, das ist alles egal. Das schieben wir den Leuten unter, das merken die gar nicht."

Es sprachen:

Bettina Kurth
Rosario Bona
Robert Frank
Ton: Christiane Neumann
Regie: Stefanie Lazai
Redaktion: Martin Hartwig